Über die Notwendigkeit eines freien Geisteslebens – und seine Finanzierung

Im folgenden finden sich grundlegende Zitate von Rudolf Steiner. Daneben gibt es im Internet mehrere ausführlichere Zitate und ganze Vorträge, insbesondere auf www.dreigliederung.de:
- Aufsätze über die Dreigliederung des sozialen Organismus (GA 24 / PDF oder doc, 286 S.).
- Die Kernpunkte der sozialen Frage (GA 23, das grundlegende Werk zum Impuls der Dreigliederung).
- Freie Schule und Dreigliederung (August 1919, GA 24, S. 35ff).
- Erster volkspädagogischer Vortrag (21.4.1919, GA 192, S. 11ff).
- Geistesleben, Rechtsordnung, Wirtschaft (September 1919, GA 24, S. 231ff).
- Die Dreigliederung des sozialen Organismus, die Demokratie und der Sozialismus (Juli 1919, GA 24, S. 201ff).

Auf demokratischem Boden (...) kann kein Impuls entstehen, der richtunggebend sein darf für eine menschliche Betätigung, die frei aus der individuellen Begabung des Menschen fließen soll. (...) Will man aus dem bisherigen Staate eine wahre Demokratie herausgestalten, so muß man aus dieser alles dasjenige herausnehmen und es seiner vollen Selbstverwaltung überliefern (...)
Rudolf Steiner, Juli 1919, GA 24, S. 206.

Das Staats- und Wirtschaftsleben sollen die von dem selbständigen Geistesleben herangebildeten Menschen empfangen; nicht aber sollen sie, nach ihren Bedürfnissen, deren Bildungsgang vorschreiben können. Was ein Mensch in einem bestimmten Lebensalter wissen und können soll, das muß sich aus der Menschennatur heraus ergeben. (...)
Will man ernstlich die bisherige Gesellschaftsordnung in eine solche nach sozialen Gesichtspunkten überleiten, so wird man nicht davor zurückschrecken dürfen, das geistige Leben - mit dem Erziehungs- und Schulwesen - in seine eigene Verwaltung zu stellen. Denn aus einem solchen selbständigen Gliede des sozialen Organismus werden Menschen hervorgehen mit Eifer und Lust zum Wirken im sozialen Organismus; aus einer vom Staat oder vom Wirtschaftsleben geregelten Schule können aber doch nur Menschen kommen, denen dieser Eifer und diese Lust fehlen, weil sie die Nachwirkung einer Herrschaft wie etwas Ertötendes empfinden, die nicht hätte über sie ausgeübt werden dürfen, bevor sie vollbewußte Mitbürger und Mitarbeiter dieses Staates und dieser Wirtschaft sind.
Rudolf Steiner, August 1919, GA 24, S. 38f.

Das Geistesleben kann nicht gedeihen, wenn es nicht jeden Tag aufs neue seine eigene Wirklichkeit beweisen muß. Aber das Geistesleben wird sich beweisen können nur dann, wenn es auf sich selbst gestellt ist. Von der niedersten Schulstelle an bis hinauf zur höchsten Schulstelle, von dem ausgesprochenen Zweig der Wissenschaft bis zur freien künstlerischen Schöpfung: es muß in sich, für sich bestehen, geistig in sich bestehen, weil es auf nichts anderes bauen kann, als auf dasjenige, was in seiner eigenen Stärke lebt. Derjenige, der das Geistesleben kennt, der weiß, welches Unheil angerichtet worden ist in den letzten vier Jahrhunderten durch die moderne Staatsform, dadurch, daß der Staat seine Fittiche gespannt hat über dieses Geistesleben, daß alles, was Geistesleben ist, allmählich verstaatlicht werden sollte mit Ausnahme von einigen wenigen Zweigen, die noch geblieben sind und denen auch der Untergang droht.
Rudolf Steiner, 21.4.1919, GA 192, S. 25.

Ein nicht ausübender Pädagoge ist in der Schulverwaltung ein Fremdkörper wie ein nicht künstlerisch Schaffender, dem obliegen würde, künstlerisch Schaffenden die Richtung vorzuzeichnen. Das Wesen der pädagogischen Kunst fordert, daß die Lehrerschaft sich teilt zwischen Erziehen und Unterrichten und der Verwaltung des Schulwesens. Dadurch wird in der Verwaltung voll walten der Gesamtgeist, der sich aus der geistigen Haltung aller einzelnen zu einer Unterrichts- und Erziehungsgemeinschaft vereinigten Lehrer gestaltet. Und es wird in dieser Gemeinschaft nur das Geltung haben, was aus der Seelen-Erkenntnis sich ergibt. Eine solche Gemeinschaft ist nur möglich in dem dreigliedrigen sozialen Organismus, der ein freies Geistesleben neben einem demokratisch orientierten Staats- und einem selbständigen Wirtschaftsleben hat. Ein Geistesleben, das seine Direktiven von der politischen Verwaltung oder von den Mächten des Wirtschaftslebens erhält, kann nicht eine Schule in seinem Schoße pflegen, deren Impulse von der Lehrerschaft selbst restlos ausgehen. Eine freie Schule wird aber Menschen in das Leben hineinstellen, die im Staate und in der Wirtschaft ihre volle Kraft entfalten können, weil diese in ihnen entwickelt wird.
Rudolf Steiner, GA 24, S. 273.

Nehmt dem Staat die Schulen ab, nehmt ihm das geistige Leben ab, gründet das geistige Leben auf sich selbst, lasst es durch sich selbst verwalten, dann werdet ihr dieses geistige Leben nötigen, den Kampf fortwährend aus seiner eigenen Kraft zu führen: Dann wird aber dieses geistige Leben auch von sich aus in der richtigen Weise zum Rechtsstaat und zum Wirtschaftsleben sich stellen können, wird zum Beispiel das geistige Leben (...) auch der richtige Verwalter des Kapitals sein.
Rudolf Steiner, 21.3.1919, GA 190, S. 24.

Der Staat als Verwalter des Geisteslebens, insbesondere des Schulwesens, hat uns das geistige Leben ruiniert. Das Wirtschaftsleben als der Brotherr hat uns weiter ruiniert. Wir brauchen ein freies geistiges Leben, denn nur dem freien geistigen Leben können wir wirklich dasjenige einimpfen, was die geistige Welt der Menschheit offenbaren will. Diese Welle des geistigen Lebens die muss herunter! Dem Staatsdiener, dem Staatsprofessor wird sie sich niemals offenbaren; und dem, der im geistigen Leben der Kuli des Wirtschaftslebens ist, wird sie sich nimmermehr offenbaren! Allein dem, der mit dem geistigen Leben täglich zu ringen hat, der im freien Geistesleben drinnensteht! Die Zeitentwickelung selber fordert die Befreiung des Geisteslebens aus Staatsbanden und aus Wirtschaftsbanden.
Rudolf Steiner, 12.6.1919, GA 193, S. 100.

Zum Kriegführen und zu Revolutionen braucht man keine Ideen. Um den Frieden zu halten, braucht man Ideen, sonst kommen Kriege und Revolutionen. Das ist ein innerer spiritueller Zusammenhang. Und alle Deklamationen über den Frieden nützen nichts, wenn nicht diejenigen, die die Geschicke der Völker zu leiten haben, sich bemühen, gerade in Friedenszeiten Ideen zu haben. Und sollen es soziale Ideen sein, so müssen sie sogar von jenseits der Schwelle herrühren. Wird eine Zeit ideenarm, so schwindet aus dieser Zeit der Friede.
Rudolf Steiner, 24.11.1918, GA 185a, S. 212.

Das Bewußtsein von einem in sich selbst gegründeten Geistesleben, an dem die Menschenseele Anteil hat, ist verloren gegangen. Naturanschauung und Industrialismus haben diesen Verlust mitbewirkt. Damit hängt zusammen, wie man in der neueren Zeit die Schule in den gesellschaftlichen Organismus eingliederte. Den Menschen für das äußere Leben in Staat und Wirtschaft brauchbar zu machen, wurde die Hauptsache. Daß er in erster Linie als seelisches Wesen erfüllt sein solle mit dem Bewußtsein seines Zusammenhanges mit einer Geistesordnung der Dinge und daß er durch dieses sein Bewußtsein dem Staate und der Wirtschaft, in denen er lebt, einen Sinn gibt, daran wurde immer weniger gedacht. (...)
Das Geistesleben gedeiht nur, wenn es als Einheit sich entfalten kann. Aus derselben Entwickelung der Seelenkräfte, aus der eine befriedigende, den Menschen tragende Weltauffassung stammt, muß auch die produktive Kraft kommen, die den Menschen zum rechten Mitarbeiter im Wirtschaftsleben macht. Praktische Menschen für das äußere Leben werden doch nur aus einem solchen Unterrichtswesen hervorgehen, das in gesunder Art auch die höheren Weltanschauungstriebe zu entwickeln vermag.
Rudolf Steiner, August 1919, GA 24, S. 40, 42.

Es handelt sich darum, daß im Verlaufe der neueren Zeit mit Recht aus den alten Konfessionen heraus der moderne Staat die Schule übernommen hat. Aber dasjenige, was dazumal, als der Staat dieses geleistet hat, ein Segen war, das würde fernerhin kein Segen sein, wenn es so bliebe. Der Staat kann nicht etwas anderes aus der Schule machen als seinen Diener. Er kann Theologen als Staatsbeamte, Juristen und so weiter als Staatsbeamte ausbilden lassen. Wenn aber das Geistesleben auf seinem eignen Grund und Boden stehen soll, so muß jeder Lehrende und Erziehende einzig und allein verantwortlich sein der geistigen Welt, zu der er aufschauen kann aus anthroposophisch orientierter Geisteswissenschaft heraus. Ein Weltschulverein müßte gegründet werden auf ganz internationalem Boden von seiten aller derjenigen, welche auf der einen Seite Verständnis haben für ein wirklich freies Geistesleben, und auf der anderen Seite Verständnis haben für dasjenige, was die Zukunft der Menschheit in sozialer Beziehung fordert. Ein solcher Weltschulverein wird allmählich über die ganze zivilisierte Welt hin die Anschauung erzeugen, daß die Schulen wiederum frei sein müssen; daß in den Schulen die freie Lehrerschaft auch die Verwaltung selber besorgen muß. (...) Ich bin überzeugt davon, daß die wichtigste Angelegenheit für die soziale Menschheitsentwickelung die Begründung eines solchen Weltschulvereins ist, der in den weitesten Kreisen den Sinn für reales, konkretes, freies Geistesleben erweckt. Wenn solche Stimmung über die Welt hin existieren wird, dann wird man nicht Waldorfschulen als Winkelschulen errichten müssen, die von Staatsgnaden bestehen, sondern dann werden die Staaten gezwungen sein, da wo freies Geistesleben wirklich Schulen begründet, aus ihren eigenen Bedingungen heraus diese Schulen voll anzuerkennen, ohne von staatlicher Seite aus irgendwie hineinzureden.
Rudolf Steiner, 27.2.1921, GA 304, S. 56f.

Das, wodurch wir die Möglichkeit des Bestehens haben, das ist eine Lücke im Württembergischen Volksschulgesetz gewesen, dass man Schulen einrichten konnte ohne staatlich genehmigte Lehrerschaft. [...] Heute könnte man auch hier nicht mehr eine Waldorfschule errichten. Jetzt duldet man uns, weil man sich geniert, uns nicht zu dulden. Aber alle die Schulen, die heute anderswo versucht werden, im Grunde ist es Mumpitz. Die müssen Lehrer haben, die geprüft sind. Es wird keine zweite Waldorfschule mehr gestattet unter den gegenwärtigen Verhältnissen.
Rudolf Steiner, 3.5.1923, GA 300c, S. 49.

Dreigliederung wahre Demokratie und soziales Empfinden

Die Urteils- und Empfindungskräfte, die in der menschlichen Persönlichkeit veranlagt sind und die in einer gesunden Pflege des öffentlichen Geisteslebens zur Entwickelung kommen müßten: sie finden nicht den Weg in die sozialen Einrichtungen, in denen der moderne Mensch lebt.
Diese Einrichtungen erdrücken die freie Entwickelung des individuellen Menschen. (...)
Sollen aus Staaten Demokratien werden, dann müssen diese Einrichtungen sein, in denen die Menschen zur Geltung bringen können, was das Verhältnis eines jeden erwachsenen, mündig gewordenen Menschen zu jedem anderen regelt. (...) Kann eine solche Volksvertretung und eine solche Verwaltung auch das Geistesleben regeln, das die volle Entfaltung der individuellen menschlichen Anlagen bewirken muß, wenn diese Entfaltung nicht zum Unheil des sozialen Lebens verkümmern und unterbunden werden soll? (...) Man denke an den sozial bedeutungsvollsten Zweig des Geisteslebens: an die Schule auf jeder Stufe. Kann denn die Entfaltung der individuellen Menschenkräfte und ihre Vorbereitung für das Leben auf einem bestimmten Gebiete gedeihlich nicht nur von einer Persönlichkeit besorgt werden, die individuelle Erfahrung auf diesem Gebiete hat? Und kann jemals etwas sozial Heilsames entstehen, wenn für die Stellung einer solchen Persönlichkeit an ihren Platz etwas anderes maßgebend ist als das Walten ihrer individuellen Fähigkeiten selbst?
Was in der Demokratie sich auslebt, kann nur auf dasjenige sich beziehen, was jeder mündige Mensch mit jedem mündigen Menschen gemein hat. Es gibt keine Möglichkeit, durch dasjenige, was in der Demokratie sich ausleben kann, eine Regelung darüber zu finden, was ganz im Kreise des individuellen Menschenwesens liegt. Will man ehrlich und wahr die Demokratie durchführen, so muß man von ihrem Boden ausschließen alles, was in diesen Kreis gehört. Auf demokratischem Boden und innerhalb der Verwaltungseinrichtungen, die auf diesem Boden auswachsen können, kann kein Impuls entstehen, der richtunggebend sein darf für eine menschliche Betätigung, die frei aus der individuellen Begabung des Menschen fließen soll. (...) Will man aus dem bisherigen Staate eine wahre Demokratie herausgestalten, so muß man aus dieser alles dasjenige herausnehmen und es seiner vollen Selbstverwaltung überliefern (...)
Bei allem, was auf dem Boden der individuellen menschlichen Fähigkeiten erwachsen soll, kann nicht ein Gesamtwille in den Einrichtungen zum Ausdruck kommen; sondern diese Einrichtungen müssen solche sein, in denen die Einzelwillen sich voll zur Geltung bringen können. (...) Dieser Gesamtwille muß unsozial wirken, denn er entzieht der Gemeinschaft die Früchte der individuellen menschlichen Fähigkeiten. Es gibt keinen anderen Weg, die Früchte dieser individuellen Fähigkeiten zur Entfaltung zu bringen, als ihre Selbstverwaltung. (...)
Innerhalb einer solchen Selbstverwaltung werden sich aus dem Geistesleben heraus die Gesichtspunkte ergeben, durch welche die rechten Menschen an die rechten Stellen gebracht werden und durch welche an die Stelle von Gesetz und Verordnung das unmittelbar lebendige Vertrauen gesetzt werden kann. (...)
Es sollte nicht bezweifelt werden, daß ein soziales Wirtschafts- und Rechtsleben nur entstehen kann, wenn die Menschen sozial denken und empfinden können. Daß das bisherige mit dem Rechtsstaate verschmolzene Geistesleben dies nicht kann, sollte eine unbefangene Erfahrung der gegenwärtigen Zustände zeigen. Wer gegenwärtig aus dem vollen Leben heraus urteilt, wird schwer verstanden, denn er stößt auf die Seelenverfassung von Menschen, in denen nicht Saiten anklingen, die aus der Lebenserfahrung in Denk- und Empfindungsart gespannt sind, sondern auf solche, denen die Staatserziehung eine abstrakte, lebensfremde Art gegeben hat. Diejenigen Menschen, die sich für die am meisten praktischen halten, sind die am wenigsten praktischen. Sie haben sich in dem engen Lebensgebiete, in das sie sich eingesponnen haben, eine gewisse Routine erworben. (...) In ihrem ganzen übrigen Denken, Empfinden und Wollen herrscht aber ein lebensfremdes, von abstrakten Richtungskräften getragenes Wesen. (...) In dieser Tatsache liegt begründet, daß von vielen Seiten den sozialen Forderungen der Gegenwart ein solch geringes Verständnis entgegengebracht wird. (...) Man denkt: viele Menschen fordern eine soziale Neugestaltung des Lebens. Man komme ihnen entgegen, meinen manche, und schaffe Gesetze und Verordnungen. Doch das soziale Neugestalten kann sich so nicht vollziehen. (...)

Rudolf Steiner, Juli 1919, GA 24, S. 204-210. Die Dreigliederung des sozialen Organismus, die Demokratie und der Sozialismus.

Wenn diejenigen, die schwärmen für die Ideen der Waldorfschule, nicht einmal so viel Verständnis entwickeln, daß ja dazu gehört, Propaganda zu machen gegen die Abhängigkeit der Schule vom Staat, mit allen Kräften dafür einzutreten, daß der Staat diese Schule loslöst, wenn Sie nicht auch den Mut dazu bekommen, die Loslösung der Schule vom Staat anzustreben, dann ist die ganze Waldorfschulbewegung für die Katz, denn sie hat nur einen Sinn, wenn sie hineinwächst in ein freies Geistesleben. (...) Was wir brauchen, ist ein Weltschulverein in allen Ländern der Zivilisation, daß so schnell wie möglich die größte Summe von Mitteln herbeigeschafft werde. Dann wird es möglich sein, auf Grundlage dieser Mittel dasjenige zu schaffen, was der Anfang ist eines freien Geisteslebens. Daher versuchen Sie (...) zu wirken dafür, daß nicht bloß durch allerlei idealistische Bestrebungen gewirkt wird, sondern daß gewirkt werde durch ein solches Verständnis für die Freiheit des Geisteslebens, daß wirklich im weitesten Umfange für die Errichtung freier Schulen und Hochschulen in der Welt Geld beschafft werde.
Rudolf Steiner, 12.10.1920, GA 337b, S. 248f.

Ich habe in meinen "Kernpunkten der sozialen Frage" gerade ausgeführt, wie an jedem Punkt des Lebens eigentlich angefangen werden kann mit dieser Dreigliederung, wenn man nur will, wenn man nur ihren Sinn wirklich versteht. (...) Denn die Idee von der Dreigliederung des sozialen Organismus ist nicht nur ein Ziel, sondern sie ist eben selbst ein Weg. (...) Dann würde man auch nicht eigentlich fragen, ob man beim Bundesrat vorstellig werden soll durch ein Referendum und dergleichen, sondern man würde wissen: Sobald genügend viel Menschen da sind, ist die Sache auch da - wenn genügend viel Menschen sie verstehen.
Rudolf Steiner, 26.10.1919, GA 332a, S. 104ff.

Die Finanzierung eines freien Geisteslebens

(...) Zwar spürt man nun langsam auch hier, dass sich die Lage zuspitzt, doch wagt man noch kaum den Schritt in echte Selbstverwaltung und -Verantwortung, sondern erliegt zumeist nach wie vor der anachronistischen Denkgewohnheit: "Papa Staat" habe die Aufgabe, das Bildungswesen zu finanzieren. Obwohl die staatliche Subventionspolitik gerade erst wieder durch die BSE-Krise in ihrem - das soziale und natürliche Leben manipulierenden - Charakter zu Tage getreten ist, will man noch kaum erkennen, dass die Bildungsfrage keine "bildungspolitische" (welch Unwort!), sondern die zentrale Aufgabe der "Zivilgesellschaft" ist. (...)
Das Finanzproblem der Waldorfschule ist (...) auch der Ausdruck dafür, dass zu lange gemeint wurde, man hätte einen Anspruch auf "Selbstverwaltung", ohne den großen Zusammenhang des sozialen Lebens zu berücksichtigen. (...) Dass die Waldorfschulbewegung zumeist noch jeglichen Bestrebens zu initiativer wirtschaftlicher Assoziation entbehrt, ist eben nur die Folge ihrer langjährigen hochgradigen staatlichen Subventionierung. (...)
Zwar gibt es einzelne soziologische Betrachtungen, die den manipulativen Charakter staatlicher Finanzierung für das Bildungsleben zur Sprache bringen (...); doch herrscht zumeist noch weitgehende Unklarheit bezüglich der Notwendigkeit, Kultur und Bildung grundsätzlich "individuell" zu finanzieren.
Thomas Brunner, 2002, Was kann "Leitbildarbeit" für die Entwicklung der Waldorfschule bedeuten.

Nicht der ist wirklich auf dem Boden einer Geist-Erkenntnis, der immer nur redet: Geist, Geist, Geist -, sondern der, der den Geist so in sich aufnimmt, daß der Geist wirklich auch die Probleme des Lebens zu lösen vermag. Darauf kommt es an. (...) Wichtig ist es, daß man sich heute anstrengt, den Geist in sich tätig und lebendig zu machen. Aber das haben die Menschen nach und nach verlernt, indem ihnen gerade der Staat zu etwas geworden ist - ja, zu was denn? Im „Faust“ steht, allerdings als Mädchenunterricht, und die Philosophen haben es nur mißverstanden, haben darin eine große Tiefe gesucht: Der Allumfasser, der Allerhalter, erhält er nicht dich, mich, sich selbst?
Aber so redeten allmählich, besonders während der Kriegszeit, die Leute vom Staate. Der Allumfasser, der Allerhalter, erhält er nicht mich, dich, sich selbst? (...) Aber die innere Aktivität, das ganze Dabeisein bei dem Weltprozeß, was der Nerv der Geisteswissenschaft ist, wo war das? Es lag darin, daß die Leute sagten: Ich will vom Staate mein Gehalt beziehen bis zu gewissen Jahren, dann aber meine sichere Pension haben (...)
Rudolf Steiner, 21.4.1919, GA 192, S. 34f.

Ein sozialer Organismus, der im Lichte der hier dargestellten Vorstellungsart sich gestaltet, wird durch eine Übereinkunft zwischen den Leitern des Rechtslebens und denen des Wirtschaftslebens die Abgaben regeln können, welche für das Rechtsleben notwendig sind. Und alles, was zum Unterhalte der geistigen Organisation nötig ist, wird dieser zufließen durch die aus freiem Verständnis für sie erfolgende Vergütung der Einzelpersonen, die am sozialen Organismus beteiligt sind.
Rudolf Steiner, 1919, GA 23, S. 127.

Das müßte wie ein Lauffeuer durch die Welt gehen: Ein Weltschulverein muß entstehen zur Beschaffung der materiellen Mittel für die Geisteskultur, die hier gemeint ist.
Rudolf Steiner, 17.10.1920, GA 200, S. 29.

[Es] handelt sich darum, daß man wirklich in großem Maßstab auf eine wirkliche Befreiung des Geistes- beziehungsweise des Schullebens hinarbeitet. Dazu ist so etwas notwendig wie eine Art Weltschulverein. Es muß möglich werden, daß gar nicht mehr die Frage aufzuwerfen ist, ob denn in den verschiedensten Ländern Schulen wie die Waldorfschule errichtet werden können, sondern es muß eben durch die Kraft der Überzeugung einer genügend großen Anzahl von Menschen diese Möglichkeit überall geschaffen werden. (...) Eine große Bewegung müßte entstehen, bei der eigentlich jeder Mensch, der nachdenkt über die Aufgaben der Zeit, Mitglied werden müßte, damit durch die Macht eines solchen Weltbundes dasjenige herbeigeführt würde, was solche Schulen überall zur Entstehung führen könnte.
Rudolf Steiner, 24.2.1921, GA 297a, S. 41f.

Es geht ja heute durch die Lande der Ruf: Unentgeltlichkeit des Schulwesens. Ja, was soll denn das überhaupt heißen? Es könnte doch nur der Ruf durch die Lande gehen: Wie sozialisiert man, damit ein jeder die Möglichkeit hat, seinen gerechten Beitrag zum Schulwesen zu schaffen? Unentgeltlichkeit des Schulwesens ist ja nichts weiter als eine soziale Lüge, denn (...) man streut allen Sand in die Augen, damit sie nur ja nicht wissen, daß unter den Pfennigen, die sie aus dem Portemonnaie nehmen, auch diejenigen sein müssen, von denen die Schulen unterhalten werden.
Rudolf Steiner, 1.6.1919, GA 192, S. 144f.

Einfach das Bourgeois-Sein entwickelt antisoziale Impulse, weil das Bourgeois-Sein im Wesentlichen darin besteht, sich eine solche Sphäre des Lebens zu schaffen, wie es einem passt, so dass man in ihr beruhigt sein kann. Wenn man dieses eigentümliche Streben des Bourgeois untersucht, so besteht es darin, dass er sich nach den Eigentümlichkeiten unseres gegenwärtigen Zeitraumes auf ökonomischer Grundlage eine Lebensinsel schaffen will, auf welcher er mit Bezug auf alle Verhältnisse schlafen kann, mit Ausnahme irgendeiner besonderen Lebensgewohnheit, die er je nach seinen subjektiven Antipathien oder Sympathien entwickelt. (...) Besitz schläfert ein; Notwendigkeit im Leben zu kämpfen, weckt auf.
Rudolf Steiner, 6.12.1918, GA 186, S. 102. 

Hat diese Anthroposophische Gesellschaft in irgendeinem Staate je eine Staatssubvention gehabt? Sind ihre Lehrer von einem Staate angestellt? Ist nicht alles erfüllt gerade in dieser Anthroposophischen Gesellschaft, was nur zu erlangen ist von den äußeren Geistesorganisationen? Ist sie nicht in bezug darauf geradezu das praktischte Ideal? (...) Nicht das kann unsre Aufgabe sein, hier das freie Geistesleben hereinzutragen, sondern das kann die Aufgabe sein, dass Sie dasjenige, was hier als freies Geistesleben immer existiert hat, dass Sie das in die andere Welt hinaustragen, den Menschen klarmachen, dass alles Geistesleben von dieser Art sein muss, von dieser Art von Verfassung sein muss.
Rudolf Steiner, 21.3.1919, GA 190, S. 212.

Es könnte höchstens Bedenken erregen: wenn nicht mehr der Staat durch seine Gewaltmaßregeln in die Börse des Lehrers hinein dasjenige befördert, was nun auch darinnen sein muss, dann wird es ja sehr schlimm mit dem Lehrerstande stehen. Nun, der Lehrer wird einer Wirtschaftskooperation angehören, wie es andere Wirtschaftskooperationen gibt. Neben dem, dass er Lehrer ist, wird er dem dritten Gliede des dreigliedrigen sozialen Organismus, dem wirtschaftlichen, gegenüberstehen und von diesem selbständigen Wirtschaftskörper seinen Unterhalt bekommen. Denn der dreigliedrige soziale Organismus wird einen selbständigen Wirtschaftskörper haben, wie er einen selbständigen Staatskörper hat, wo das Recht auf demokratischer Grundlage zu pflegen ist, und wie er ein eigenes freies Geistesleben haben wird. Und es wird dasjenige, was heute indirekt auf dem Wege der Steuer in die Börse des Lehrers kommt, dann direkt aus dem Wirtschaftsleben kommen, und außerdem wird durch das auf sich selbst gestellte Geistesleben erst die richtige Atmosphäre für Schule und Unterricht erzeugt werden.
(...) Aber von dem, was eigentlich der Lehrer leistet für die heranwachsende Generation, darf in einem gesunden sozialen Organismus gar nicht die Ansicht herrschen, daß es „bezahlt“ werden könne. Das ist ein Geschenk, das der Lehrer aus der geistigen Welt an die Menschen vermitteln wird! Diese Gesinnung muß den gesunden sozialen Organismus ergreifen, daß der Lehrer das Medium ist, durch das die Fähigkeiten des Menschen, die individuellen Eigenschaften des Menschen heraufgeholt werden aus ihren dunklen Untergründen, wie sie veranlagt sind in der Menschennatur. (...) Was der Wirtschaftskörper des gesunden dreigliedrigen sozialen Organismus wird zu leisten haben, das wird nur das sein, daß er dem Lehrer die Möglichkeit bietet, so zu leben, wie alle anderen Menschen leben.
Rudolf Steiner, 19.6.1919, GA 330, S. 316. 

Die Menschen (...) wollen sich nicht aufschwingen zu Vorstellungen von einer wirklichen Neugestaltung; und dann fragen sie einen: Ja, sage mir einmal, wie wird sich das, was ich als das Alte gewohnt bin, in der Neuordnung ausnehmen? - In einer solchen Frage liegt eigentlich nichts Geringeres, als die Forderung: Wie revolutionieren wir die Welt so, dass alles beim alten bleibt? Und wenn man keine Antwort gibt auf die Frage: Wie wird sich das Alte in der Neuordnung ausnehmen? dann sagen die Leute: Was du da sagst, das ist mir ganz unverständlich! So ungefähr ist es auch, wenn nun diejenigen, die im Erziehungs- und Unterrichtswesen beschäftigt sind, ihre große Sorge darin haben, wie sich ihre wirtschaftliche Position gestalten soll. (...) Und genau ebenso, wie ein Betrieb von Fabrikarbeitern selbstverständlich weiß, dass ihm aus dem Wirtschaftsleben heraus dasjenige wird, was er braucht, um seine Bedürfnisse zu befriedigen, so wird die Räteschaft des Wirtschaftslebens auch dafür zu sorgen haben, dass in der richtigen Weise ein wirtschaftliches Verhältnis besteht zwischen dem Wirtschaftskörper, der selbständig ist im dreigliedrigen sozialen Organismus, und dem anderen Wirtschaftskörper, der das geistige Leben zu besorgen hat. Und was zwischen drinnen als das dritte Glied des sozialen Organismus bleibt, der Rechtsstaat, der wird dafür zu sorgen haben, dass dasjenige, was im freien Wirtschaftsvertrag geschlossen wird zwischen dem Wirtschaftskörper und dem Geistkörper, dass das auch wirklich ausgeführt werde. Wer wirklich innerlich verstehen will und den Mut hat zum Verstehen, dass das Geistesleben frei werden muss, dass dasjenige, was in ihm geistig ist, auf die eigene Grundlage des Geistes gestellt werden muss, der wird auch sich zum Verständnis aufrufen können, wie das Wirtschaftliche dieses geistigen Teiles des dreigliedrigen sozialen Organismus sich in Zukunft gestaltet.
Rudolf Steiner, 18.6.1919, GA 330, S. 286f.

Gerade in der Finanzierungsproblematik manifestiert sich eine doppelte Entfremdung: Indem den Leistungen des Bildungswesens kein konkreter Wertzuwachs zuzuordnen ist, bleibt der gesamte Bereich der Wirtschaft in einem unverbindlichen Verhältnis zur Finanzierung des Bildungswesens; der auf seine Weise einspringende Staat kaschiert durch die Schulgeldfreiheit die Zusammenhänge und gewinnt über die Finanzhoheit auch Einfluss auf Lehrpläne, Leistungsanforderungen und -kontrolle und über die Berechtigungen Gestaltungsmacht bis in den innersten Bereich der Pädagogik, der von Freiheit und Einsicht in die menschliche Natur bestimmt zu sein hätte; er entfremdet die Pädagogik ihrer Aufgabe.
Stefan Leber, Die Sozialgestalt der Waldorfschule, 1978, S. 92.