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Rudolf Steiner über die Konferenz

Quelle: Martyn Rawson: Die Aufgaben der Lehrerkonferenz nach Aussagen Rudolf Steiners. Eine Interpretation. In: Hartwig Schiller (Hg.): Innere Aspekte der Konferenzgestaltung. VFG, 2001.

Und deshalb ist das Herz der Waldorfschule, wenn ich von ihrer Organisation spreche, die Lehrerkonferenz, es sind die Lehrerkonferenzen, die von Zeit zu Zeit immer abgehalten werden. [...] Da wird wirklich bis ins Einzelnste hinein alles vor der gesamten Lehrerschaft verhandelt über die gesamte Schule, was der einzelne Lehrer in seiner Klasse an Erfahrungen machen kann.
23.8.1922, GA 305, S. 133f. - Dem geht unmittelbar voraus: 

Daher kann es sich auch nicht darum handeln, aus irgendeinem gescheiten Einfall im Kopfe die Schule nun zu konstruieren – denn eine Konstruktion, nicht eine Organisation würde entstehen –, sondern es kann sich nur darum handeln, dasjenige, was man schon als einen Organismus hat, wirklich von Woche zu Woche zu studieren. Und da ergeben sich in der Tat für denjenigen, der nun Menschenbeobachtung, das heißt auch Kinderbeobachtung hat, die konkretesten Erziehungsmaßregeln von Monat zu Monat. [...] Denn es kann zum Beispiel sein, daß man durch die besondere Art von Lehrerschaft und Kinderschaft, die man – sagen wir – im Jahre 1920 vor sich hat, ganz anders vorgehen muß als bei der Lehrerschaft und Schülerschaft, die man im Jahre 1924 vor sich hat, weil unter Umständen die Lehrerschaft eine andere sein kann durch Zuwachs, und die Kinderschaft wird schon ganz gewiß eine andere sein. Demgegenüber könnten Paragraph 1 bis Paragraph 12 so schön wie möglich sein, aber es taugt nur das, was man wirklich durch die Beobachtung eines jeden Tages aus der Klasse herausträgt.
23.8.1922, GA 305, S. 133f.

Damit der Lehrer selbst wirklichkeitsgemäß in der Klasse drinnenstehen kann, haben wir [...] die Lehrerkonferenz als Seele des ganzen Unterrichts. In dieser Lehrerkonferenz, wo die Lehrer vereinigt sind, bringt jeder dasjenige, was er selbst an seiner Klasse [...] gelernt hat, so daß jeder vom anderen lernen kann. Und keine Schule lebt, in der nicht in dieser Weise die Konferenz, die Versammlung der Lehrer von Zeit zu Zeit das Allerwichtigste ist.
19.8.1924, GA 311, S. 122.

Diese Lehrerkonferenzen [...] sind eigentlich die fortlaufende lebendige Hochschule für das Lehrerkollegium. Sie sind das fortdauernde Seminar. Das sind sie dadurch, daß für den Lehrer wiederum jede einzelne Erfahrung, die er in der Schule macht, ein Gegenstand für seinen eigenen Unterricht, für seine eigene Erziehung wird. Und in der Tat, wer in dieser Weise, indem er lehrt, indem er erzieht [...] eine solche Selbsterziehung, einen solchen Unterricht für sich selber herausholt aus der Praxis des Unterrichtens, der wird fortwährend Neues finden. Neues für sich, Neues für das ganze Lehrerkollegium, mit dem alle die Erfahrungen, alle die Erkenntnisse, die gewonnen werden in der Handhabung des Unterrichts, in den Konferenzen ausgetauscht werden sollen. Sodaß das Lehrerkollegium wirklich innerlich geistig-seelisch ein Ganzes ist, daß jeder weiß, was der andere macht, was der andere für Erfahrungen gemacht hat, inwiefern der andere weitergekommen ist durch dasjenige, was er in der Klasse mit den Kindern erlebt hat.
17.8.1923, GA 307, S. 241.

Nun ist ja die Schule daraufhin eingerichtet, Unterricht und Erziehung zu leisten auf Grundlage von Menschenerkenntnis, das heißt aber dann, auf Grundlage der Erkenntnis der einzelnen Kinderindividualitäten. Daher bildet die Beobachtung, die psychologische Beobachtung der Kinderindividualitäten ein wesentliches Moment in der ganzen Ausgestaltung des Unterrichtes im Einzelnen, im Konkreten. In den Lehrerkonferenzen wird über das einzelne Kind so gesprochen, daß das Wesen der menschlichen Natur eben in jener besonderen Individualität erfaßt zu werden versucht wird, die in einem Kinde gegeben ist.
21.7.1924, GA 310, S. 86f.

So liegt gerade bei dem Unterrichtssystem, dem Erziehungssystem, das in der Waldorfschule gepflegt wird, der Schwerpunkt im Lehrerkollegium und in den Beratungen des Lehrerkollegiums, weil die ganze Schule ein in sich belebter und durchgeistigter Organismus sein soll; und weil mit wirklich innerem Anteil der Lehrer der 1. Klasse verfolgen soll dasjenige, was der Physiklehrer der 12. Klasse nicht nur macht in seiner Klasse, sondern an den Schülern erfährt und erlebt. Das strömt alles in der Lehrerkonferenz zusammen. Da strömen aber auch durcheinander alle die Ratschläge, die sich aus der gesamten Handhabung des Unterrichts ergeben. Es wird wirklich versucht, in der Lehrerkonferenz etwas zu haben wie die Seele des ganzen Schulorganismus. Da weiß der Lehrer der 1. Klasse, daß der Lehrer der 6. Klasse ein Kind hat, das in dieser oder jener Weise zurückgeblieben ist oder sich gerade in dieser oder jener Weise spezifisch begabt erweist. Und diese Dinge, die der Einzelne weiß, die werden auf einem ganz anderen Gebiet bei den anderen fruchtbar. Da kennt, möchte ich sagen, der Lehrkörper, deshalb weil er eine Einheit ist, auch die ganze Schule als eine Einheit. Dann durchzieht die ganze Schule eine gemeinsame Begeisterung, aber auch gemeinsame Sorgen. Dann tragen alle Lehrkräfte miteinander dasjenige, was für die ganze Schule namentlich in moralisch-religiöser Weise, aber auch in erkenntnismäßiger Weise getragen werden muß.
21.4.1923, GA 306, S. 148f.

Man ist erst am Beginn des Weges, wenn man ein äußerlich errungenes Selbstvertrauen hat. Man ist erst, wo man zu sein hat, wenn einen das Selbstvertrauen zum Gottvertrauen geführt hat, einen geführt hat dazu, in der richtigen Weise zu empfinden: Nicht ich, sondern der Christus in mir ist das Wirksame. Da wird das Selbstvertrauen aber zu gleicher Zeit zur Selbstbescheidenheit, weil man weiß, daß man die göttlich-christlichen Kräfte reflektiert in demjenigen, was man in der Seele trägt. Dieser Geist muß in der Schulführung überall drinnen sein. Wenn dieser Geist nicht drinnen ist, so wäre diese Schule wie ein äußerlicher Organismus, dem man das Blut abzapfen oder die Atmung versperren würde. Auf diesen Geist kommt es eben gerade an. Und wenn dieser Geist lebendig ist, dann wird, ganz unabhängig von den Persönlichkeiten des Leiters oder der Lehrer, aus diesem Geiste selber heraus der Enthusiasmus kommen. Dann wird man auch das Vertrauen haben können, daß in der ganzen Schule etwas vom objektiven Geiste lebt, was nicht dasselbe ist wie der individuelle Geist eines einzelnen Lehrers. Das kann aber wiederum nur durch sorgfältige Pflege im Konferenzleben des Lehrerkollegiums sich nach und nach herausbilden.
22.4.1923, GA 306, S. 167f.

Rudolf Steiner zur Harmonie im Kollegium.