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Der Ist-Zustand

Der Zustand des heutigen Bildungswesens - und der Waldorfschulen.


Der Zustand des heutigen Bildungswesens ist katastrophal. Gewalt, Mobbing, Lernverweigerung und anderes mehr sind vielfacher Alltag an den meisten Schulen. Für ganze Generationen von Schülern ist die Schulzeit keine freudige Zeit des Lernens, sondern eine Phase quälender Sinnlosigkeit oder sogar traumatischer Erlebnisse.

Dies liegt nicht einmal unbedingt an fehlendem Engagement der Lehrer. Auch die Lehrer sind von ihrer Aufgabe sehr oft völlig überfordert, leiden an Burn-Out, müssen verfrüht ihren Beruf aufgeben.

Die Katastrophe im Bildungswesen ist dadurch verursacht, dass die essentiellen Bedingungen wahrer Pädagogik vollkommen missachtet werden: Wahrhaft guter Wille, Selbsterkenntnis und Selbsterziehung, echte Menschenerkenntnis, ein freies Geistesleben, eine der Bedeutung des Bildungswesens angemessene Finanzierung.

Alle diese Bedingungen sind essentiell. Es reicht nicht, die eine oder andere mehr oder weniger gut zu erfüllen. Wahre Pädagogik ist nur möglich, wenn man ihre Bedingungen wirklich ernst nimmt.

Heute reicht der "gute Wille" oft nur so weit, wie die gute Laune, mit der man im besten Fall aufgewacht ist. Von Selbsterkenntnis oder gar Selbsterziehung will man heute wenig oder nichts wissen. Eine wahrhafte, spirituelle Menschenerkenntnis gilt als esoterischer Unsinn. Einem freien Geistesleben steht die zunehmende Verwaltung, Fremdbestimmung und ökonomische Zurichtung des Bildungswesens entgegen. Und was die Finanzierung angeht, scheint das gesamte Bildungswesen heute weniger wichtig zu sein als ein paar marode Banken oder die modernen Kriege, an denen auch Deutschland wieder beteiligt ist.

Wird aber Bildung – und das in einem Land, das einmal die Heimat der Dichter und Denker war! – derart stiefmütterlich behandelt, ist ein katastrophaler Zustand wie der heutige unvermeidlich.

Und die Waldorfschulen?

Sehr viele Kollegen an Waldorfschulen sind ungeheuer engagiert, und es geschieht ungeheuer viel an Waldorfschulen – und all dieses Engagement und Bemühen ist ehrlich und aufrichtig bewundernswert. Und doch muss man sich immer wieder fragen: Geschieht all dies nicht noch immer aus dem Alten heraus? Wo entspringt etwas aus einem tief innerlich aus echtem Geistesstreben heraus erweckten Keim des Neuen? Wo steht man wirklich „im Angesichte“ des Geistes? Wo handelt man wirklich aus dem Geist heraus?

Der wahre Geist der Waldorfpädagogik würde alles verwandeln. Man findet ihn immer wieder in den Worten Rudolf Steiners – auf Schulfeiern, auf Elternabenden, in Konferenzen.

Wo stehen wir heute? So würde eine wahrhaftige Frage lauten können. Wie sind heute meine/unsere Beziehungen zu den Schülern? Und untereinander im Kollegium? Und zu den Eltern? Das Feld der unmittelbaren Begegnung ist wirklich ein feiner Gradmesser für das Alte und das Neue. Überall und immer wieder gibt es Konflikte, eingefahrene, gewohnte Beziehungen, Unverständnis, Antipathie, Teilnahmslosigkeit, Resignation. All das aber sind Anzeichen einer ernsthaften Erkrankung des sozialen Organismus. Es sind Symptome dafür, dass das wirkliche, tief ernste, innere Streben nach dem Geist noch nicht stark genug ist – oder vielleicht auch noch gar nicht begonnen hat.

Haben wir den Mut, uns dies einzugestehen? Und was geschieht dann...?