Der gute Wille

Der gute Wille als Lebensbedingung wahrer Pädagogik.


Kann man wahrhaft Pädagoge sein, ohne das Gute zu wollen? Nein, das kann man nicht. Das Gute wollen - das ist weit mehr als der umgangssprachliche „gute Wille“, der meist nur die mehr oder weniger ernst gemeinte "gute Absicht" bezeichnet. Heutzutage gilt jede nette Wunschvorstellung und jede halbherzige Bemühung schon als "guter Wille". Der wahrhaft gute Wille ist jedoch der starke Wille zum Guten - ein Wille, der eine Realität ist, eine wirkende Kraft, die tatsächlich das Gute bewirkt, verwirklicht.

Im Gegensatz zur Vorstellung, zum Wunsch, zur Absicht, ist der Wille etwas unmittelbar Wirkendes. Und hier sind wir im Grunde schon mitten in der Frage der Menschenerkenntnis. Es geht nicht nur um die Erkenntnis des werdenden Menschen, des Kindes, sondern auch um Selbsterkenntnis. Der gute Wille wird niemals eine Realität, wenn man nicht in sich selbst ganz real das Phänomen des Willens entdeckt und verwirklicht - und wenn man nicht entschieden nach einem Erkennen und Verwirklichen des Guten strebt.

Das Gute kann nicht definiert werden - aber es ist auch keineswegs beliebig. Was ist das Gute? Wenn man sich dieser Frage wirklich nähern will, sollte man "Die Philosophie der Freiheit" von Rudolf Steiner lesen - und nicht nur lesen...

Tief in der eigenen Seele hat jeder Mensch eine Ahnung von allem dem, wovon hier die Rede ist. Aber es geht um ein klares Erkennen - und um das Finden einer realen Kraft. In der Bibel heißt es: "Der Geist ist willig, doch das Fleisch ist schwach." Das ist die menschliche Realität, bevor der gute Wille real gefunden und eine Wirklichkeit wird. Wenn der gute Wille eine Realität wird, dann ist er im wahrsten Sinne des Wortes eine Kraft, die Berge versetzen kann.

Ohne diesen guten Willen ist wahre Pädagogik nicht möglich. Nur eine solche Kraft bildet die richtige Beziehung zwischen Erzieher und Kind, nur eine solche Kraft vermag es, alle Hindernisse zu erkennen und zu überwinden, die dem schwierigen, gefährdeten Prozess entgegenstehen, in dem der heranwachsende Mensch Schritt für Schritt sein eigenes Wesen verwirklichen will.