Die Waldorfschule und ihr sozialer Auftrag

Was ist unter dem Bürgertum statt der sozialen Wissenschaft entstanden? (...) Nun, diese moderne Soziologie ist das unsinnigste Kultur­produkt, das überhaupt hat entstehen können. Denn diese Soziologie sündigt wider alle elementarsten Notwendigkeiten, die eine soziale Wissenschaft haben müsste. Diese Soziologie sucht ihre Größe darin, dass sie absieht von allem, was zum sozialen Wollen, zum sozialen Impuls führen könnte (...) Damit ist aber auf diesem Gebiet die Kraft des Geisteslebens überhaupt gelähmt. Wir haben in allen nicht proletarischen Schichten heute, das muss ruhig zugestanden werden, überhaupt kein soziales Wollen. Das soziale Wollen fehlt vollständig, weil gerade da, wo es hätte gepflegt werden sollen, im Hochschulunterricht, Soziologie an die Stelle von Sozial­wissenschaft getreten ist; ohnmächtige Soziologie an die Stelle von den Willen durchpulsender, den Menschen anregender Sozialwissen­schaft.
Rudolf Steiner, 1.6.1919, GA 192, S. 136.

Die Waldorfschule muß eine wirkliche Kulturtat sein, um eine Erneuerung unseres Geisteslebens der Gegenwart zu erreichen. Wir müssen mit Umwandlung in allen Dingen rechnen; die ganze soziale Bewegung geht ja zuletzt auf Geistiges zurück, und die Schulfrage ist ein Unterglied der großen geistigen brennenden Fragen der Gegenwart. Die Möglichkeit der Waldorfschule muß dabei ausgenützt werden, um reformierend, revolutionierend im Schulwesen zu wirken.
Rudolf Steiner, 20.8.1919, GA 293, S. 13 / GA 300a, S.61.

Die Sache, um die es sich handelt, ist diese, daß die Menschen weitherzig werden, daß sie mit ihrem Herzen Anteil nehmen können an der Gesamtzivilisation. Das ist etwas, was durch die Prinzipien derjenigen Pädagogik, die hier vertreten wird, hineinzubringen versucht wird zuerst in die Lehrerschaft – denn zuerst hat es sich bei der Waldorfschule um die Erziehung der Lehrerschaft gehandelt – und auf dem Umwege durch die Lehrerschaft in die Schülerschaft. Und die Schülerschaft, das ist unsere große Hoffnung, unser Ziel, an das wir bei jeder einzelnen Maßnahme denken, die Schülerschaft soll es in rechtmäßiger Weise in das Leben hinaustragen.
Rudolf Steiner, 17.8.1923, GA 307, S. 244f.

Wir möchten schon, daß die Eltern der Waldorfschul­kinder sich sagen: Ich fühle die erzieherische Men­schenpflicht in ganz besonderer Weise, und ich möch­te, daß gerade durch meine Kinder etwas beigetragen werde zu den großen Aufgaben der Menschheit im 20. Jahrhundert. Ich möchte, daß das Anvertrauen mei­ner Kinder der Waldorfschule tatsächlich eine soziale Tat großen Stiles sei. – Je intensiver dies in die ganze Gesinnung aufgenommen werden kann, desto besser.
Rudolf Steiner, Elternabend, 22.6.1923, GA 298, S. 189.

Wer nicht in einer Art von Seelenschlaf die gegenwärtige Krisis des europäischen Zivilisationslebens an sich vorübergehen läßt, sondern sie voll miterlebt, der kann ihre Ursprünge nicht bloß in verfehlten äußeren Einrichtungen sehen, die einer Verbesserung bedürfen, sondern er muß sie tief im Innern des menschlichen Denkens, Fühlens und Wollens suchen. Dann aber wird er auch unter den Wegen zur Gesundung unseres sozialen Lebens denjenigen der Erziehung der kommenden Generation anerkennen. (...) Die Waldorfschule ist nicht eine "Reformschule" wie so manche andere, die gegründet werden, weil man zu wissen glaubt, worin die Fehler dieser oder jener Art des Erziehens und Unterrichtens liegen; sondern sie ist dem Gedanken entsprungen, daß die besten Grundsätze und der beste Wille in diesem Gebiete erst zur Wirksamkeit kommen können, wenn der Erziehende und Unterrichtende ein Kenner der menschlichen Wesenheit ist. Man kann dies nicht sein, ohne auch eine lebendige Anteilnahme zu entwickeln an dem ganzen sozialen Leben der Menschheit. Der Sinn, der geöffnet ist für das Wesen des Menschen, nimmt auch alles Leid und alle Freude der Menschheit als eigenes Erlebnis hin. Durch einen Lehrer, der Seelenkenner, Menschenkenner ist, wirkt das ganze soziale Leben auf die in das Leben hineinstrebende Generation. Aus seiner Schule werden Menschen hervorgehen, die sich kraftvoll in das Leben hineinstellen können.
Rudolf Steiner, GA 300c, S. 15 oder GA 24, S. 275.

Was ich insbesondere im Laufe der letzten Jahre immer wieder und wieder betont habe: daß diese unsere anthroposophische Überzeugung sich ja nicht darauf beschränken darf, etwas aufzunehmen, um gewissermaßen bloß ein inneres mystisches Wohlgefühl zu haben, das ist es, was uns die laut sprechenden Tatsachen der Gegenwart so eindringlich lehren. (...) Nicht ohne Grund wurden diejenigen, welche sich mit anthroposophischer Überzeugung haben durchdringen können, aufgerufen zum Durchdenken der großen menschheitlichen Probleme.
Jetzt stehen wir vor einer Probe gewissermaßen, vor der Probe, ob dasjenige, was wir haben aufnehmen können, was wir oftmals doch nur als die Befriedigung eines höheren Seelenegoismus aufgenommen haben, ob das wirklich wird eindringen können in unseren Verstand, in unser Gemüt, in unser Herz, so daß wir gewachsen sein werden den Aufgaben, die jetzt in immer erhöhterem Maße den Menschen gestellt werden.
Rudolf Steiner, 21.4.1919, GA 192, S. 12f.

Wir haben es immer wieder und wieder erleben müssen, daß die anthroposophischen Absichten ins Egoistisch-Kleinliche übersetzt wurden aus einer gewissen Couragelosigkeit gegenüber dem Großen. (...) Sie kennen ja diese Dinge. Schleichwege wurden gesucht für dieses oder jenes. Aber versagt hat man immer dann, wenn es darauf ankam, in der Öffentlichkeit die Sache zu vertreten. (...) Das, meine lieben Freunde, ist es, was wir jetzt immer wieder und wieder bedenken müssen: daß Anthroposophie nicht gedacht war für den Egoismus einzelner Sektierer, sondern daß sie gedacht war als ein Kulturimpuls der Gegenwart. (...) Und jeder versündigt sich gegen die Anthroposophie selbst, wenn er die anthroposophischen Gedanken sektiererisch treibt. Daher muß die Anthroposophie jetzt, wo die große Zeitfrage, die soziale Frage erscheint, in diese soziale Frage hinein ihr Wort legen. Das ist ihre Aufgabe.
Rudolf Steiner, 9.6.1919, GA 192, S.182f.

Pädagogische Aspekte

Wir fühlen: wir haben die unendliche Last der Schwere auf uns, die ja davon herkommt, daß wir begreifen lernen müssen, wie jeder Mensch sich in die Arbeit des Lebens hineinstellen müsse, wie das Leben lebenswert sein muss in sozialer Beziehung, in individuell menschlicher Beziehung, indem wir uns [...] in die Arbeit in einer menschenwürdigen Weise hineinfinden. Deshalb beginnt heute die soziale Frage bei der Erziehungs-, bei der Unterrichtsfrage, weil wir lehren müssen, weil wir erziehen müssen in dem Sinne, daß der Mensch zum Arbeiter wird, weil wir den Pflichtbegriff schon in der Schule in der richtigen, in der selbstverständlichen Weise, nicht durch Ermahnungen und Predigten, heranerziehen müssen. (...)
Da begründen wir dann wahre Arbeitsschulen, nicht Schulen, in denen etwa der Grundsatz aufgestellt wird, daß man möglichst das Unterrichten und Erziehen in Tändelei verwandeln soll, sondern wo durch das Leben, das die Autorität in die Schule hineinträgt, auch das Schwerste von dem Kinde hingenommen wird, das Kind gerade sich herandrängt zu dem, was zu überwinden ist, nicht zu dem, was es nur gerne tut.
Darauf ist nun auch gerade die pädagogische Grundlage der Waldorfschule angelegt, daß das Kind in der richtigen Weise arbeiten lernt, daß das Kind mit seinem ganzen vollen Menschen herangeführt wird an die Welt, die in sozialer Beziehung die Arbeit fordert, die auf der anderen Seite aber auch fordert, daß der Mensch dem Menschen selbst in der richtigen Weise, und vor allem sich selbst in der richtigen Weise gegenübersteht.
Rudolf Steiner, 11.11.1921, GA 304, S. 117.

Die größere Schwierigkeit ist diese, daß keine noch so ideale Erziehungsmethode den Menschen herausreißen darf aus dem Leben. (...) Sehen Sie, wenn Sie ein Kind so erziehen wollten, wie es absolut der Idee entspricht, so werden Sie es mit 14, 15 Jahren so haben, daß es allerdings sehr ideal sein kann, aber das Kind findet sich nicht zurecht im heutigen Leben, es weiß nichts anzufangen. So daß also nicht bloß ein Ideal zu verwirklichen war und auch jetzt noch nicht ist in der Waldorfschule, sondern es handelt sich darum, das Kind so zu erziehen, daß es immer den Anschluß findet an das heutige Leben, an die heutige soziale Ordnung. Da nützt es nichts, zu sagen, diese soziale Ordnung ist schlecht. Wir müssen doch, ob sie nun gut oder schlecht ist, darinnen einfach leben.
Rudolf Steiner, GA 305, S. 131.

Soziales Wollen - Zum Wesen der Dreigliederung

Geistesleben, Rechtsordnung, Wirtschaft

Innerhalb der gegenwärtigen sozialen Bewegung wird viel von sozialen Einrichtungen, wenig aber von sozialen und unsozialen Menschen geredet. Die "soziale Frage" findet kaum Beachtung, die sich erhebt, wenn man beachtet, daß gesellschaftliche Einrichtungen ihr soziales oder antisoziales Gepräge durch die Menschen erhalten, die in denselben wirken. (...)
Die moderne Wirtschaftsordnung hat die Produktionsmittel in die Macht einzelner Personen oder Personengruppen gebracht. Die technischen Errungenschaften ließen sich durch die wirtschaftliche Machtkonzentration am zweckmäßigsten ausnützen. Solange diese Macht sich nur auf dem Gebiete der Gütererzeugung betätigt, hat sie eine wesentlich andere soziale Wirkung, als wenn sie auf das rechtliche oder geistige Lebensgebiet übergreift. Und dieses Übergreifen hat im Laufe der letzten Jahrhunderte zu den sozialen Schäden geführt, auf deren Beseitigung die moderne soziale Bewegung dringt. Derjenige, der im Besitze der Produktionsmittel ist, erhält über andere eine wirtschaftliche Übermacht. Diese führte dazu, daß er in den Verwaltungen und Volksvertretungen die ihm helfenden Kräfte fand, durch die er sich auch andere gesellschaftliche Vormachtstellungen gegenüber den von ihm wirtschaftlich Abhängigen verschaffen konnte, die auch in einer demokratischen Staatsordnung einen praktisch rechtlichen Charakter tragen. Ebenso führte die wirtschaftliche Übermacht zu einer Monopolisierung des geistigen Lebens bei den wirtschaftlich Mächtigen.
(...) Aus dem Wirtschaftsleben heraus kann er [der Mensch] nur wirtschaftliche Interessen entwickeln. Soll er aus ihm auch die Rechtsinteressen entfalten, so werden diese nur verkappte Wirtschaftsinteressen sein. Wahrhaftige Rechtsinteressen können nur auf einem Boden entstehen, auf dem das Rechtsleben seine abgesonderte Pflege findet. Auf einem solchen Boden wird man nur nach dem fragen, was rechtens ist. (...)
Die Betrachtung des in der neueren Zeit entstandenen Verhältnisses zwischen Recht und Wirtschaft ergibt, daß das rechtliche Leben der Menschen in Abhängigkeit gekommen ist von dem wirtschaftlichen. Würde man nun darnach streben, die wirtschaftlichen Ungleichheiten, die im Gefolge dieser Abhängigkeit aufgetreten sind, in äußerer Art aus der Welt zu schaffen durch eine einseitige Änderung der Wirtschaftsformen, so müßten sich in kurzer Zeit ähnliche Ungleichheiten ergeben (...)
(...) Ein Geistesleben aber, das sich abseits von der politisch-rechtlichen und wirtschaftlichen Wirklichkeit entwickeln muß, wird lebensfremd. (...) Man denke, was abseits von seiner Lebenspraxis der Kaufmann, der Industrielle, der Staatsbeamte als seine Erkenntnisvorstellungen, seine religiösen Ideale, seine künstlerischen Interessen innerlich erlebt, und was an Ideen in derjenigen Tätigkeit enthalten ist, die in seiner Buchführung zum Ausdruck kommt, oder für die ihn Erziehung und Unterricht als sein Amt bedingend vorbereiten. Zwischen den beiden geistigen Strömungen liegt ein Abgrund. (...)
Man hat das Vertrauen in die Kraft des Geisteslebens verloren. Man glaubt nicht, daß es eine solche Art des Geisteslebens geben könne, welche die Lebensfremdheit des in den letzten Jahrhunderten zur allgemeinen Geltung gekommenen überwindet. Eine solche Art des Geisteslebens wird nun aber mit der anthroposophisch orientierten Geisteswissenschaft angestrebt. Diese sucht aus solchen Quellen zu schöpfen, die zugleich die Quellen der Wirklichkeit sind. Die Kräfte, die in der innersten Menschennatur walten, sind dieselben, die in der außermenschlichen Wirklichkeit tätig sind. Bis zu diesen Kräften steigt die naturwissenschaftliche Vorstellungsart nicht hinab, indem sie verstandesmäßig ihre an den äußeren Tatsachen gewonnenen Erfahrungen zu Naturgesetzen verarbeitet. Aber auch die auf mehr religiöser Grundlage ruhenden Weltanschauungen verbinden sich gegenwärtig nicht mehr mit diesen Kräften. Sie nehmen die Überlieferungen auf, ohne bis zu ihrem Ursprung im Menschen-Innern zu dringen. (...) Die Erkenntnisse dieser Geisteswissenschaft stellen im Innern des Menschen erlebte Wirklichkeit dar. Sie drängen sich zu Ideen zusammen, die nicht erdacht sind, sondern die gesättigt sind von den Kräften der Wirklichkeit. Solche Ideen sind daher auch imstande, die Kraft der Wirklichkeit dann in sich zu tragen, wenn sie richtunggebend sein wollen für das soziale Wollen. (...)
Eine Geistesanschauung, die in die Wesenheit des Menschen eindringt, findet da Antriebe zum Handeln, die unmittelbar im sittlichen Sinne auch gut sind. Denn der Trieb zum Bösen entsteht im Menschen nur dadurch, daß er in seinen Gedanken und Empfindungen die Tiefen seines Wesens zum Schweigen bringt. Werden daher die sozialen Ideen durch die hier gemeinte Geistesanschauung gewonnen, so müssen sie ihrer eigenen Natur nach auch sittliche Ideen sein. Und da sie nicht nur erdachte, sondern erlebte Ideen sind, so haben sie die Kraft, den Willen zu ergreifen und im Handeln weiterzuleben. (...)
Man wendet immer wieder ein, daß die Menschen erst völlig anders werden müßten, wenn man das soziale Verhalten auf die sittlichen Impulse bauen wollte. Dabei bedenkt man nicht, welche sittlichen Antriebe im Menschen verkümmern, wenn man sie nicht aus einem freien Geistesleben heraus erstehen läßt, sondern ihnen eine solche Richtung gibt, durch die ein politisch-rechtliches Gesellschaftsgebilde seine vorgezeichneten Arbeitsgebiete besorgen lassen kann. Ein im freien Geistesleben erzogener und unterrichteter Mensch wird allerdings aus seiner Initiative in seinem Beruf manches hineintragen, das einen von seinem Wesen bestimmten Charakter trägt. Er wird sich in das gesellschaftliche Getriebe nicht hineinfügen lassen wie das Rad in eine Maschine. Aber letzten Endes wird das Hineingetragene die Harmonie des Ganzen nicht verkümmern, sondern erhöhen. Was an den einzelnen Stellen des gesellschaftlichen Lebens geschieht, wird der Ausfluß dessen sein, was in den Geistern der Menschen lebt, die an diesen Stellen wirken. (...)
Aus dem Gang der Tatsachen, über die der geistgetragene Wille der Einzelmenschen keine Gewalt gehabt hat, sind die Zustände geworden, nach deren Änderung die moderne soziale Bewegung strebt. (...) Menschen, welche dieses nicht durchschauen, werden einer Anschauung, die den sozialen Organismus in die selbständig verwalteten Gebiete des Geisteslebens, des Rechtsstaates, des Wirtschaftskreislaufes gliedern will, immer wieder den Einwand entgegenhalten: dadurch werde die notwendige Einheit des gesellschaftlichen Lebens zerstört. Ihnen muß erwidert werden: diese Einheit zerstört sich selbst, indem sie sich aus sich selbst erhalten will. (...) Wird aber in einem selbständigen Gebiet die Rechtsordnung aus dem Rechtsbewußtsein geschaffen und wird in einem freien Geistesleben der geistgetragene Einzelwille entwickelt, dann wirken Rechtsordnung und Geisteskraft mit der wirtschaftlichen Betätigung zur Einheit zusammen. (...)
In der wirtschaftlichen Organisation soll ein Gemeinschaftswille walten. Der aber muß das Ergebnis der Einzelwillen der in der Organisation vereinigten Menschen sein. Diese Einzelwillen werden nicht zur Geltung kommen, wenn der Gemeinschaftswille restlos aus dem wirtschaftlichen Organisationsgedanken kommt. Sie werden aber unverkümmert sich entfalten, wenn neben dem Wirtschaftsgebiet ein Rechtsgebiet steht, auf dem keine wirtschaftlichen Gesichtspunkte, sondern allein die des Rechtsbewußtseins maßgebend sind; und wenn neben beiden ein freies Geistesleben Raum findet, das nur geistigen Antrieben folgt. Dann wird nicht eine mechanisch wirkende Gesellschaftsordnung entstehen, der auf die Dauer die menschlichen Einzelwillen doch nicht angepaßt sein könnten; sondern es werden die Menschen die Möglichkeit finden, die Gesellschaftszustände fortwährend von ihren sozialgerichteten Einzelwillen aus zu gestalten. In dem freien Geistesleben wird der Einzelwille seine soziale Richtung erhalten; in dem selbständigen Rechtsstaate wird aus den sozial gesinnten Einzelwillen der gerecht wirkende Gemeinschaftswille entstehen. Und die sozial orientierten Einzelwillen, organisiert durch die selbständige Rechtsordnung, werden sich gütererzeugend und güterverteilend im Wirtschaftskreislauf den sozialen Forderungen gemäß betätigen. (...)
Zur sozialen Neugestaltung gehört nicht nur ein guter Wille, sondern auch der Mut, welcher dem Unglauben an die Kraft des Geistes sich entgegenstellt. Diesen Mut kann eine wahre Geistesauffassung beleben; denn sie fühlt sich fähig, Ideen hervorzubringen, die nicht allein einer inneren Seelenorientierung dienen, sondern die, indem sie entstehen, schon die Keime der praktischen Lebensgestaltung in sich tragen. (...)

Rudolf Steiner, September 1919, GA 24, S. 231-247.