09.10.2010

Zusammenarbeit und Begeisterung - keine Waldorfpädagogik ohne diese beiden

Über das Ideal und die essentiellen Lebenskräfte der Waldorfpädagogik


Inhalt

Die allgegenwärtigen Probleme als Symptom
Von den essentiellen Lebenskräften einer Waldorfschule
Das Verhältnis von Ideal und Hindernissen
Die eigentliche Aufgabe
Innere Vertiefung und der Impuls zur Selbsterziehung


Die allgegenwärtigen Probleme als Symptom

Es gibt einige ganz wenige essentielle Aspekte, an denen unmittelbar sichtbar wird, ob eine Waldorfschule eine lebendige Realität – sprich: überhaupt „wirklich“ eine Waldorfschule – ist oder nicht. Zwei Aspekte möchte ich geradezu als „Grundsäulen“ bezeichnen: Zusammenarbeit und Begeisterung.

Wenn man auf Tagungen Berichte von Elternvertretern aus verschiedensten Waldorfschulen hört, kann einem sehr schnell klar werden: Im Grunde steht jede Schule (wenn man von der äußersten Schicht der konkreten Phänomene absieht, die im Einzelfall natürlich sehr unterschiedlich sein können) vor haargenau den gleichen Problemen. Es mag einen vielleicht zunächst sogar erstaunen, dass es auch an allen anderen Schulen so aussieht wie an der eigenen, aber es ist so: Zwar sind die Worte der Schilderungen nicht unbedingt identisch, und doch ist die Situation eine immer wiederkehrende. Berichtet wird über Schwierigkeiten in der Zusammenarbeit zwischen Eltern und Lehrern, auf Gremienebene, aber auch individuell. Berichtet wird über eine sehr ungleichmäßige Verteilung des Engagements, sowohl unter den Eltern, als auch unter den Lehrern. Und natürlich über ganz konkrete Probleme, die aber bereits eine Folge grundlegender Ursachen sind.

Dass diese Probleme – die natürlich heute überall zu finden sind – auch in den Waldorfschulen allgegenwärtig sind, kann für den, dem ein deutliches Bild des Ideals vor Augen steht oder der sich auch nur etwas intensiver mit Rudolf Steiners Vorträgen über den Waldorfimpuls beschäftigt hat, ein ungeheuer Schock sein. Es kann und sollte ihm ein tiefer Schmerz sein. Denn man kann sich mit größter Sorge fragen: Welche Hoffnung gibt es überhaupt, dem Ideal auch nur näher zu kommen, wenn es offenbar in entscheidender Hinsicht durchgehend und überall immer wieder nicht gelingt?

Schnell kann es geschehen, dass man sich angesichts fortwährender innerer Reibereien einen „Organisationsberater“ von außen holt. Dieser erklärt einem dann, wie man Strukturen und vielleicht sogar Methodisches einrichten und verbessern kann, was einer verbesserten Arbeit und auch Zusammenarbeit zweifellos zugute kommt. Dennoch setzt dieser Weg nicht wirklich bei den eigentlichen Ursachen an. Die Verbesserung von Strukturen, ja sogar von Kommunikationsregeln und -prinzipien usw. ist ein Ansetzen bei den Symptomen.

Wirklich heilen und grundlegend behandeln kann man eine Krankheit aber nur, wenn man ganz bewusst bei den Ursachen ansetzt.

Von den essentiellen Lebenskräften einer Waldorfschule

Alle Probleme, die in einer Waldorfschule auftreten und auftreten können, beruhen auf einem Mangel an Zusammenarbeit und Begeisterung. Was wie eine kühne Behauptung aussieht, wird in seiner Begründung noch ersichtlich werden. Man lenke die Aufmerksamkeit zunächst einmal auf diese „Behauptung“ selbst. Was ergeben sich für Konsequenzen, wenn sie wahr sein sollte?

Mir erscheint es als ganz deutlich, dass es eine vollkommene Verschwendung an Zeit und Kraft aller Beteiligten ist, wenn man sich in Nebenschauplätzen und Nebensächlichkeiten verzettelt. Wenn in Bezug auf die essentiellen Lebenskräfte einer Waldorfschule – Zusammenarbeit und Begeisterung – grundsätzlich etwas nicht stimmt. Wenn also diese essentiellen Lebenskräfte nicht ganz und gar gesund sind. Und sie sind es heute nicht! Ganz einfach aus dem Grund, weil sie es überhaupt nie von selbst sind, sondern weil sie gepflegt und genährt werden müssen. Dies geschieht aber oft überhaupt nicht, und es geschieht nie mit jenem tiefen und vollen Ernst, der dafür notwendig wäre.

Nicht sekundäre und drittrangige Fragen brauchen unsere Kräfte, sondern die primären Fragen, die primären Ursachen von Gesundheit oder Krankheit. Denn wenn die essentiellen Lebensquellen genährt werden, dann kosten sie nicht Kraft, sondern sie schenken Kraft – eben jene Kraft, die man für alles andere braucht!

Heute macht man sich überhaupt keine Vorstellung davon, welche Kräfte man bräuchte, um wirklich „Waldorfschule“ zu verwirklichen. Aber man macht sich eben auch keine Vorstellung davon, welche Kräfte man hätte, wenn man nur seine ganze Kraft (die man jetzt und hier hat), auf die eigentlichen Lebensquellen und Ursachen von Gesundheit und Krankheit einer Waldorfschule richten würde.

Erst das richtige Richten der verfügbaren Kräfte auf die entscheidenden Aspekte führt dazu, dass einem sozialen Organismus Kräfte erwachsen, die unendlich viel größer sind als alles zuvor – und die ihn überhaupt erst wahrhaft lebendig werden lassen. Dass man diese Tatsache so schwer versteht, liegt nur daran, dass man sich an den – in diesem Sinne toten – Normalzustand gewöhnt hat und seine innerste Sehnsucht immer wieder vergisst bzw. resignativ zu einer bloßen Wunschvorstellung verblassen lässt.

Nun, der „Normalzustand“ mit seinen immer wiederkehrenden Problemen, menschlichen Schwächen usw. ist ja deshalb „normal“, weil jener „Ausnahmezustand“, in dem plötzlich ganz andere Kräfte frei werden, scheinbar so selten – und vollkommen vielleicht nie – gelingt. Das kann aber nichts daran ändern, dass dieser „Ausnahmezustand“ die „Regel“ sein sollte und auch sein kann!

Ich glaube, wir geben alle viel zu schnell unsere Hoffnung auf, und sei es auch nur häppchenweise, womit wir aber nichtsdestotrotz letztlich unser eigenes Ideal und unsere Sehnsucht verraten. Wir verraten sie regelrecht! Sein Ideal und seine Hoffnung dürfte man sein ganzes Leben lang nicht aufgeben, nicht einmal häppchenweise. Denn das lebendige Ideal und die lebendige Sehnsucht nach diesem Ideal ist die einzige Hoffnung, es auf Erden verwirklichen zu können. Wenn die Hoffnung stirbt, wird es für das Ideal aussichtslos. Nur durchschauen die meisten Menschen nicht den Prozess, der sich hier abspielt. Sie verlieren die Hoffnung, weil die Realität eben anders ist – aber sie sehen nicht, dass gerade dadurch die Realität so bleiben muss.

Das Verhältnis von Ideal und Hindernissen

Natürlich stellt die Realität immer ein Hindernis für das Ideale dar. Aber Hoffnung, Sehnsucht und Streben sind die einzigen Kräfte, die die Realität zum Ideal machen könnten. Und sie können und werden es auch wirklich, denn es sind ganz und gar reale Kräfte, solange, bis man sie verliert, häppchenweise... Die Realität ist immer von uns Menschen gemacht. Wir können sie entweder den natürlichen Kräften überlassen – oder wir können sie mit unseren himmlischen Kräften verwandeln.

Was wir tagtäglich erleben, die Widerstände, das Missverstehen, das Aneinander-Vorbeireden, die Antipathie, die Trägheit, die Bequemlichkeit, die Angst, die Zweifel, die Müdigkeit, die Faulheit, der Egoismus und hundert andere Dinge, das alles sind auch reale Kräfte. Rudolf Steiner brachte sie in seiner spirituellen Geistesforschung ganz konkret mit realen Widersachermächten in Verbindung. Man mag diese Erkenntnis ablehnen, hinnehmen, ahnend nachempfinden können oder was auch immer, fest steht: Die Widerstände und Hindernisse sind ganz und gar real.

Aber unsere Ideale (die wir haben oder einmal hatten) und die sich daran anschließenden Sehnsuchts- und Willenskräfte sind ebenfalls ganz und gar real. Solange, bis wir selbst sie irreal werden lassen, weil wir die Hoffnung verlieren, das Ideal für „wirklichkeitsfremd“, „nicht realistisch“ zu halten beginnen... Bis wir anfangen, uns an die Realität anzupassen...

Die Aufgabe, Würde und Göttlichkeit des Menschen besteht aber gerade darin, die Realität, d.h. die äußerlich-irdisch vorgefundene Wirklichkeit, fortwährend zu verwandeln, auf dass sie immer mehr vom Idealen durchstrahlt werde! Nicht wir dürfen häppchenweise unsere Ideale verlieren, sondern wir müssen dafür sorgen, dass die Realität schrittweise das Unideale verliert!

Warum sollte das unrealistisch sein!? Wir sind alle Menschen, alle Menschen tragen Ideale in sich, und die Realität wird nur von uns gestaltet – nur von uns, fortwährend!

Das einzige Hindernis – es gibt letztlich nur dieses einzige – ist: dass wir den Hindernissen zu viel Raum geben. Wir geben den Hindernissen zu viel Raum in unserer Seele. Wir verzweifeln zu schnell. Wir erlauben der äußeren Realität, unsere Ideale zu töten. Wie kann das sein!? Wie kann ein Mensch, wie kann ein göttliches Wesen es zulassen, dass dasjenige, was ihn gerade zum göttlich-geistigen Wesen macht, in ihm stirbt? Unsere Ideale sind gerade dasjenige, was wir auf die Erde heruntergetragen haben, um sie hier Wirklichkeit werden zu lassen. Wie können wir nur an den Punkt kommen, zu sagen: „Doch die Verhältnisse, sie sind nicht so...“

Wir verlieren unsere Hoffnung – und wir nehmen sie auch den Mitmenschen. Nicht erst dadurch, dass wir uns gegenseitig behindern oder sogar bekämpfen, sondern schon dadurch, dass wir unsere Hoffnung verlieren. Denn jeder einzelne Mensch ohne Hoffnung macht hoffnungsloser. Deshalb sage ich: Wir nehmen uns gegenseitig unsere Hoffnung.

Begegnet man nur einem Menschen mit ganz lebendigen, brennenden Idealen, wird auch die eigene Hoffnung auf unnennbare Weise genährt. Um wie viel mehr aber, wenn wir alle uns wieder auf unsere Hoffnungen besinnen und sie ernst nehmen, ins Leben zurückrufen würden?

Die eigentliche Aufgabe

Vielleicht ist nun doch wie von selbst deutlich geworden, warum alles Sich-Aufhalten an Nebenschauplätzen einen ungeheuren Verlust von Kraft bedeutet.

Solange man sich nicht selbst sehr tief auf seine Ideale besinnt und zugleich in einer Gemeinschaft darum ringt, diese Ideale wirklich lebendig zu machen, innerlich, immer wieder – solange ist es völlig sinnlos, tagtäglich Gremienarbeit zu machen, sich einen Organisationsberater zu holen oder tausend andere Dinge zu tun. Sicherlich wird man den einen oder anderen Erfolg erzielen, verglichen mit dem Zustand zuvor; doch verglichen mit dem, was man eigentlich als Sehnsucht im Herzen trägt (und sei es verschüttet, noch nicht wieder lebendig gemacht), ist all dies ein Nichts, vollständig.

Christus sagte: Lass die Toten ihre Toten begraben und folge Du mir nach! In diesem Sinne lasst uns aufhören, unsere Kräfte immer wieder zu verschwenden, konzentrieren wir unsere ganze Kraft darauf, das Ideal in uns wieder lebendig zu machen! Auferstehen zu lassen!

Es wäre ein falscher Einwand, zu sagen: „Ja, aber ohne Gremienarbeit, Gespräche, Unterrichtsvorbereitung usw. funktioniert doch die ganze Schule nicht mehr?“ – Ich sage nicht, dass irgendetwas aufhören soll, ich sage, dass man seine ganze Kraft auf die Auferstehung des Ideals konzentrieren soll. Wenn man dazu die Gremienarbeit vorläufig ruhen lassen muss, lasse man sie ruhen! Wenn irgendetwas einem saure Pflicht geworden ist, lasse man es ruhen!

Man gehe ganz in sich, entzünde das Ideal, bis es mit voller Flamme brenne, und dann kehre man als ein Auferstandener zu all dem zurück, was dann ebenfalls völlig verwandelt sein wird. „Pflicht“ ist dann etwas, was die volle Kraft in einem aufruft, weil es ganz und gar eigenes Wollen ist. „Hindernisse“ sind dann etwas, was niemals auch nur einen Hauch von der eigenen Hoffnung fortnehmen kann, weil diese gelernt hat, ganz und gar aus sich heraus zu leben.

An diesen Punkt müssen wir kommen, in diese Richtung müssen wir mit ganzer Kraft streben. Es geht nicht um das Vollkommene des Erreichens, es geht um die Kraft des Strebens. Und genau in dem Maße, in dem dieses Streben wirklich und wahrhaftig lebendig ist, ist eine Waldorfschule eine Waldorfschule.

 Wenn wir diese ganze Frage so groß sehen können (wie sie in Wirklichkeit eben ist), hören auch die Aspekte „Zusammenarbeit“ und „Begeisterung“ auf, zwei verschiedene Aspekte zu sein. Denn wenn Zusammenarbeit gelingt, kann die Begeisterung nicht ausbleiben, aber vor allem: Wenn Begeisterung eine Realität ist, kann die Zusammenarbeit nicht ausbleiben. Hierbei muss die Begeisterung nur richtig – und das heißt: eben auch groß genug – verstanden werden.

Begeisterung für das Ideal, das Wesen von Waldorfschule und Waldorfpädagogik schließt das Ideal der Zusammenarbeit immer voll und ganz ein. Man kann von dem Ideal der Waldorfpädagogik nicht wahrhaft begeistert sein, ohne mit aller Kraft nach einer idealen Zusammenarbeit zu streben! Deshalb schließt das Ideal auch die Begeisterung für die eigene Selbsterziehung ein!

Schon das Wieder-Lebendigmachen des Ideals in sich ist der Beginn wahrhafter Selbsterziehung – und gibt einem ganz neue Kräfte für den weiteren Weg.

Erfasst man das Ideal wirklich mehr und mehr in seiner ganzen Lebendigkeit und Realität, dann erkennt man auch immer mehr, welche Aufgaben einem gestellt sind, wenn man das Ideal in die Welt tragen will. Es sind zunächst vor allem Aufgaben der Selbsterziehung. Denn das Ideal hat ja zutiefst mit dem wahrhaft Menschlichen zu tun. Das Ideal ruft dazu auf, immer mehr wahrhaft Mensch zu werden. Man kann nicht für ein Ideal wirken, wenn man nicht vor allem darum ringt, ihm selbst „würdig“ zu sein und es selbst vorzuleben! Das Ideal muss zunächst das eigene Wesen verwandeln, immer mehr. Indem man so auf den Weg der Selbsterziehung geführt wird, wird auch die Zusammenarbeit etwas, was immer mehr einen wahrhaftigen Charakter annimmt.

Erst dann bemerken wir, wie wenig wir den Mitmenschen bisher wirklich gesehen haben. Wie sehr wir bisher nur an der Oberfläche miteinander umgegangen sind. Wie leicht wir die Mechanismen der Hindernisse und Missverständnisse übersehen haben und uns auch immer wieder selbst hinreißen ließen, an diesen Hindernissen mitzuwirken, statt sie zu beseitigen.

Begeisterung und Zusammenarbeit – zwei Seiten von ein- und derselben Realität, die wir zur Realität machen sollen!

Innere Vertiefung und der Impuls zur Selbsterziehung

Ich habe nun die ganze Zeit nicht explizit von der spezifisch pädagogischen Vertiefungsarbeit gesprochen, die ein Kollegium von Waldorflehrern zu leisten hätte, damit eine Waldorfschule wirklich eine Waldorfschule werden könnte. Auch diese wahrhaftige Vertiefungsarbeit findet heute nirgendwo statt. Oft findet fast überhaupt kaum eine pädagogische Arbeit statt, die über technischere Fragen wesentlich hinausginge. Das ist die Haupt-Katastrophe der Waldorfschulen – und es ist etwas, an dem auch viele Lehrer leiden.

Viele sagen: Auch damit muss man sich abfinden. Auch das ist heute eine Realität. Das Interesse an der Anthroposophie ist so „verschieden“ (euphemistisch gesagt), dass eine Grundlagenarbeit – in welcher Form und Qualität auch immer – schon an sich oft unmöglich erscheint.

Und man gibt sogar zu: Ja, in dem Sinne sind Waldorfschulen heute eben keine Waldorfschulen, man kann immer nur schauen, welche Möglichkeiten es gibt, hier und da doch Waldorfschule zu werden.

Das Problem ist also bekannt, auch wenn es verschwiegen wird. Ich sehe darin eine große Unwahrhaftigkeit der Bewegung insgesamt. Ich bin überzeugt, dass bereits der mutige Schritt, sich die gegenwärtige Lage und Katastrophe ohne Beschönigung kompromisslos einzugestehen, neue Kräfte entbinden würde, etwas zur Rettung aus dieser Katastrophe zu tun. Ohne diese offene Selbsterkenntnis jedoch wird die Waldorfbewegung völlig veräußerlichen. Man wird weiterhin vieles vom Lehrplan verwirklichen, aber das wird alles sein, es wird nichts mehr geben, was darüber hinausgeht. Es werden immer mehr Lehrer fehlen, die vorhandenen Lehrer werden immer weniger inneres Verständnis haben und so weiter...

Ich sage: Wenn man sich damit abfindet, hat man schon verloren. Man hat schon dann verloren, wenn man sich damit abfindet, dass man heute nur „hier und da“ etwas verändern kann. Auch hier gilt, dass wir unser eigenes Ideal nicht ernst genug nehmen! Fort mit diesem resignativen „hier und da“! Wer sagt uns denn, dass wir nur „hier und da“ etwas ändern können!?

Die tägliche Erfahrung? Ganz richtig. Aber die tägliche Erfahrung besteht auch darin, dass wir unser eigenes Ideal nicht mehr lebendig und brennend genug in uns tragen. Denn resignieren und von einem angeblich realistischen „hier und jetzt“ sprechen kann man nur, wenn man das eigene Ideal in sich schon hat absterben oder noch gar nicht richtig aufleben lassen – ob man das wahrhaben will oder nicht!

Fort also mit dem halbherzigen „hier und da“! Ob es tatsächlich nur hier und da Fortschritte geben wird, ist die eine Sache. Ob ich das glaube (schon jetzt), ist eine ganz andere Sache. Es darf mich gar nicht interessieren, welche „realistischen“ Aussichten für irgendwelche Wandlungen zu bestehen scheinen, denn all diese scheinbaren „Aussichten“ lähmen bereits jene innere Kraft, die vollkommen rein brennen muss, damit sich etwas ändern kann...

Diese drei Aspekte: Innere Vertiefungsarbeit, Zusammenarbeit (Begegnung) und Begeisterung – es sind alles drei Aspekte ein- und derselben Realität. Unsere wunderbare Aufgabe besteht darin, diese Realität wahrzumachen – immer mehr...

Zum Abschluss

Die Waldorfbewegung kann dem Schicksal einer immer mehr zunehmenden Veräußerlichung (mit allen zwischenmenschlichen Problemen und sich fortsetzendem Qualitätsverlust) nur entgehen, wenn sie ihre bewusste Kraft ganz auf das Lebendigmachen des Ideals richtet. Nicht durch irgendwelche noch immer abstrakte Betrachtungen, Tagungen, geschäftige Bemühungen um sekundäre Fragen usw., sondern ganz wahrhaftig und unmittelbar seelisch-geistig. Das Geistig-Seelische selbst muss in den Blick kommen, nicht irgendwelche Themen. Die primäre Frage muss in den Blick kommen, das Ideal selbst.

Nur durch ein lebendiges Streben nach einem wirklichen Erfassen und Erleben des Ideals kann die wahre Begeisterung für den Impuls der Selbsterziehung erwachen. Ohne diese Begeisterung und ohne diesen Impuls bleibt das Ideal immer noch eine Illusion. Man sollte nicht meinen, das Ideal der Waldorfpädagogik könnte ohne ernsthafte Selbsterziehung und einen inneren Schulungsweg verwirklicht werden. Am Impuls der Selbsterziehung offenbart sich, wie ernst jemand es mit dem Ideal wirklich meint, wie wahrhaftig er es erfasst.

Solange wir das Ideal der Waldorfpädagogik nicht so lebendig erfassen, haben wir unsere eigene Sehnsucht noch nicht verstanden...