Vom Wesen der Waldorfpädagogik
Von der Notwendigkeit und dem Wesen des reinen Denkens
aus: Rudolf Steiner, GA 217, "Pädagogischer Jugendkurs". Die Zahlen in Klammern bezeichnen die Vorträge des Zyklus. Überschriften eingefügt. | PDF
Inhalt
Der Mensch steht dem Nichts gegenüber
Moralische Intuitionen
Reines Denken – reiner Wille
Stärkste innere Aktivität
Künstlerische Verfassung...
...erweckt den wahren Erzieher
Der Mensch steht dem Nichts gegenüber
(1) Seit dem fünfzehnten Jahrhundert steht der Mensch vis-á-vis dem Nichts. [...] Zunächst hat man vom Vater auf den Sohn durch Tradition fortgeerbt, was man früher auf andere Weise fortgeerbt hat, so daß vom fünfzehnten Jahrhundert bis in das neunzehnte Jahrhundert hinein immer noch Tradition da war. Aber es ist allmählich immer schlimmer geworden mit der Tradition. [...] So trat man ins zwanzigste Jahrhundert hinein, und da wurde das Gefühl immer ärger: Man steht gegenüber dem Nichts, und man muß aus dem Menschen heraus etwas finden. [...]
(2) Es ist ja richtig: im Intellekt sind die Menschen seit dem fünfzehnten Jahrhundert furchtbar weit gekommen. Dieser Intellekt hat etwas schauderhaft Verführerisches, denn im Intellekt halten sich alle Menschen für wach. Aber der Intellekt lehrt uns gar nichts über die Welt. [...] Man steht durch den Intellekt in keiner objektiven Verbindung mehr mit der Welt. Der Intellekt ist das automatische Fortdenken, nachdem man von der Welt längst abgeschnürt ist. [...]
Nur dann kommen wir weiter, wenn wir uns diese tragische Gestalt des Weltgeschehens in unserer Zeit klarmachen: daß wir eigentlich gegenüber dem Nichts stehen, an das wir in der Erdenentwickelung notwendigerweise einmal herankommen mußten zur Begründung der menschlichen Freiheit. Und gegenüber dem Nichts brauchen wir das Aufwecken im Geiste. [...]
(3) Das heutige Denken ist ein Produkt des Gehirns! Das ist gerade das Geheimnis, daß das heutige Denken ein Produkt des Gehirns ist. In bezug auf das heutige Denken hat der Materialismus ganz recht. [...] Mit theoretischen Widerlegungen ist heute weder nach der einen, noch nach der anderen Richtung etwas getan, sondern darauf kommt es an, daß man in der ganzen Art, wie man die Welt betrachtet, wiederum Geist hat. [...]
Die Leute kämpfen heute kontra Anthroposophie – und manchmal auch pro – recht materialistisch, das heißt geistlos, während es sich darum handelt, daß man mit dem Erleben des Geistes ernst macht. [...] Das muß der Blitz werden, der in unser totes Kulturleben hereinschlagen muß, um es wiederum zum Leben zu entzünden. [...]
Moralische Intuitionen
(5) Ich wollte durch meine "Philosophie der Freiheit" zeigen, daß in der Menschheitsentwickelung die Zeit gekommen ist, in welcher die Sittlichkeit auf keine andere Weise fortgeführt werden kann, als daß in bezug auf sittliche Impulse an dasjenige appelliert wird, was der Mensch aus dem Innersten seines Wesens, ganz individuell, als moralische Impulse heraufholen kann. [...]
Als [...] mit dem ersten Drittel des fünfzehnten Jahrhunderts die Anschauungsfähigkeit für das Göttlich-Geistige im alten Sinne versiegt war, da versiegte auch die unmittelbare Anschauung für das Sittliche und es blieb nur das traditionell Dogmatische vom Sittlichen übrig, das die Menschen dann so deuteten, daß sie es "Gewissen" nannten. Aber sie meinten damit immer etwas höchst Unbestimmtes. Und als es dann am Ende des neunzehnten Jahrhunderts hieß, alles Reden über moralische Intuitionen müsse mundtot gemacht werden, so war das nur die letzte Konsequenz der historischen Entwickelung. [...]
Nun müssen wir uns einmal die alten moralischen Intuitionen anschauen. [...] Geht man [...] in der Zeit zurück und schaut sich an, was als moralische Intuition damals angesprochen worden ist, so findet man, das war nicht etwas, das innerlich von der Menschenseele erarbeitet worden war. [...] Und je mehr man zurückgeht, desto mehr findet man, daß der Mensch das, was er beim Anschauen des Sittlichen schaute, als ein inneres Geschenk eines außer ihm lebenden Göttlichen fühlte. Also als göttliches Gebot, und zwar nicht in übertragenem, nicht in symbolischem Sinn, sondern in ganz eigentlichem Sinne wurden damals die moralischen Intuitionen angesehen. [...]
Die Menschen verloren die Fähigkeit, sich dieser Uroffenbarung bewußt zu sein. Und der Kulminationspunkt in diesem Verlieren ist im ersten Drittel des fünfzehnten Jahrhunderts gelegen. Die Menschen nahmen nichts mehr wahr, wenn sie nach innen schauten. Sie bewahrten nur noch die Tradition dessen, was sie früher geschaut hatten. Dieser Tradition bemächtigten sich allmählich die äußeren Bekenntnisgesellschaften und formten den äußerlich gewordenen, bloß traditionellen Inhalt zu Dogmen, an die man nur glauben sollte, während man sie früher in lebendiger Weise, aber als außermenschlich erlebt hatte. [...]
Wäre man konsequent gewesen, so hätte man schon damals eine Art Spengler werden und sagen müssen: Moralische Intuitionen gibt es nicht, folglich kann die Menschheit eigentlich nichts tun, als in Zukunft langsam vertrocknen. [...] Das Geistige geht allmählich ins Seelische, das Seelische ins Physische und nach Jahrzehnten würde die Seele nur noch antiquarische Impulse über Moralität aufstöbern können [...]. Das war die eine Alternative.
Reines Denken – reiner Wille
Die andere war die, daß man sich unmittelbar bewußt wurde: Wir stehen mit dem Verluste der alten Intuitionen dem Nichts gegenüber. – Also was tun? In diesem Nichts das All suchen! Aus diesem Nichts heraus etwas suchen, was einem nicht gegeben wird, was man erarbeiten muß. Und erarbeiten konnte man nicht mehr mit den passiven Kräften, die da waren, sondern nur noch mit den stärksten Erkenntniskräften, die in diesem Zeitalter dem Menschen zur Verfügung standen: mit den Erkenntniskräften des reinen Denkens. Denn beim reinen Denken geht das Denken unmittelbar in den Willen über.
Beobachten und denken können Sie, ohne Ihren Willen sehr anzustrengen. Experimentieren und Denken geht nicht in den Willen über; aber reines Denken, also elementare, ursprüngliche Aktivität entfalten, dazu gehört Energie. Da muß der Blitz des Willens unmittelbar in das Denken selber einschlagen. Da muß der Blitz des Willens aber auch aus der ganz singulären menschlichen Individualität herauskommen. Und da mußte man schon einmal den Mut haben, an dieses reine Denken zu appellieren, das auch zum reinen Willen wird. Dieser wird aber zu einer neuen Fähigkeit: der Fähigkeit, aus der unmittelbaren menschlichen Individualität heraus moralische Impulse zu gewinnen, die nun erarbeitet werden müssen, die nicht mehr wie die alten gegeben sind. An Intuitionen mußte appelliert werden, die erarbeitet werden! [...]
Man muß an eine innerliche Lebendigkeit appellieren, und so muß man erst richtig anfangen zu suchen. Das Göttliche liegt gerade im Appell an die ursprünglichen moralischen geistigen Intuitionen. Hat man aber das Geistige erfaßt, dann kann man auch die Kräfte entfalten, um von da ausgehend das Geistige in den weiteren Gebieten des Weltendaseins zu erfassen. Und das ist der gerade Weg von den moralischen Intuitionen zu den anderen geistigen Inhalten.
In meiner Schrift "Wie erlangt man Erkenntnisse der höheren Welten?" habe ich darzustellen versucht, daß sich aufbaut die Erkenntnis der übersinnlichen Welten aus imaginativem, inspiriertem, intuitivem Erleben, allmählich aufbaut. Schaut man auf die äußere Natur, so kommt man zur Imagination, später zur Inspiration und zuletzt zur Intuition. In der moralischen Welt ist es anders. Kommt man da zur Bildlichkeit, zu Imaginationen überhaupt, so hat man an den Imaginationen zugleich die Fähigkeit entwickelt, moralische Intuitionen zu haben. Schon auf der ersten Stufe erringt man sich das, was dort erst auf der dritten Stufe erlangt wird. In der moralischen Welt folgt auf äußere Wahrnehmung gleich die Intuition. Bei der Natur aber folgen dazwischen noch zwei andere Stufen. So daß man also gar nicht anders kann, wenn man nicht phrasenhaft, sondern in ehrlicher Wahrheit auf moralischem Gebiet von Intuitionen gesprochen hat, als sie als etwas rein Geistiges anzuerkennen. Dann aber muß man fortarbeiten, um auch das andere Geistige zu finden. Denn qualitativ hat man in der moralischen Intuition dasselbe ergriffen, was man dann für die natürliche Entwickelung mit einem Inhalt erfüllt, meinetwillen mit der Geheimwissenschaft. [...]
Man sieht, wie zuerst aus der menschlichen Individualität herausgeholt werden müssen die individuellen moralischen Intuitionen, und man wird sehen, wie als letzte Konsequenz daraus dasjenige hervorgeht, was eine wirkliche Geisteswissenschaft ist, was alle Anthropologie zu einer Anthroposophie macht.
Stärkste innere Aktivität
(8) In dem, was ich anthroposophische Geisteswissenschaft nenne, schon in meinem Vorwort zu der "Philosophie der Freiheit", tritt Ihnen etwas entgegen, was Sie nicht erfassen können, wenn Sie sich nur jenem passiven Denken hingeben, das man heute besonders liebt, jenem gottverlassenen Denken, dem sich die meisten Menschen hingeben, und das schon im vorigen Leben gottverlassen war; sondern Sie können es nur erfassen, wenn Sie in Freiheit den inneren Impuls entwickeln, Aktivität in das Denken hineinzubringen. Sie kommen eben mit demjenigen, was in der Geisteswissenschaft lebt, nicht mit, wenn nicht jener Funke, jener Blitz hineinschlägt, durch den das Denken voller Aktivität wird. Durch diese Aktivität müssen wir uns auch wieder die Göttlichkeit des Denkens erobern.
Da ist die anthroposophische Literatur und macht Anspruch darauf, daß man aktiv denken soll. Die meisten können nur passiv denken und meinen, aktiv zu denken sei nicht möglich. Es läßt sich dabei weder schlafen noch intellektualistisch träumen. Man muß mit, man muß das Denken in Bewegung setzen; in dem Augenblicke, wo man das tut, kommt man mit. Da hört auf dasjenige, was ich modernes Hellsehen nennen möchte, etwas Wunderbares zu sein. Daß das immer noch als etwas besonders Wunderbares erscheint, kommt daher, daß die Menschen noch nicht die Energie entwickeln wollen, Aktivität in das Denken hineinzutragen. Es ist oft zum Verzweifeln in dieser Beziehung. [...]
Ungeheuer viel hängt heute ab von dem guten Willen, von dem energischen Willen, und kein Theoretisches wird dasjenige lösen, was wir heute suchen, sondern einzig und allein der mutige Wille, der starke Wille wird die Lösung bringen. [...]
(10) Wenn ich in meiner "Philosophie der Freiheit" vom reinen Denken spreche, so war diese Bezeichnung für die damaligen Kulturverhältnisse schon deplaciert; denn Eduard von Hartmann sagte mir einmal: "Das gibt es gar nicht; man kann nur an Hand der äußeren Anschauung denken!" Ich konnte ihm darauf nur antworten: "Man muß es probieren; man wird es dann schon lernen und zuletzt auch wirklich können." –
Nehmen Sie also an, Sie könnten Gedanken im reinen Gedankenflusse haben. Dann beginnt für Sie der Moment, wo Sie das Denken bis zu einem Punkte geführt haben, an dem es gar nicht mehr Denken genannt zu werden braucht. Es ist im Handumdrehen – sagen wir im Denkumdrehen – etwas anderes geworden. Es ist nämlich dieses mit Recht "reines Denken" genannte Denken reiner Wille geworden; es ist durch und durch Wollen. Sind Sie im Seelischen so weit gekommen, daß Sie das Denken befreit haben von der äußeren Anschauung, dann ist es damit zugleich reiner Wille geworden. Sie schweben, wenn ich so sagen darf, mit Ihrem Seelischen im reinen Gedankenverlauf. Dieser reine Gedankenverlauf ist ein Willensverlauf. Damit aber beginnt das reine Denken, ja sogar die Anstrengung nach seiner Ausübung, nicht nur eine Denkübung zu sein, sondern eine Willensübung, und zwar eine solche, die bis in das Zentrum des Menschen eingreift. [...]
Und wenn Sie mit innerlichem Anteile so etwas studieren, was mit allen Unvollkommenheiten in die Welt getreten ist – ich will nicht meine "Philosophie der Freiheit" verteidigen –, wenn Sie so etwas auf sich wirken lassen und fühlen, was dieses reine Denken ist, so fühlen Sie, daß ein neuer innerer Mensch in Ihnen geboren ist, der aus dem Geiste heraus Willensentfaltung bringen kann.
Woher weiß denn der Mensch sonst, daß er einen Willen hat? Er "hat" ihn ja nicht! [...] Denn diese "Philosophie der Freiheit" kann nicht so gelesen werden, wie sonst Bücher gelesen werden. Sie muß schon so gelesen werden, daß man das Gefühl hat, sie ist ein Organismus: ein Glied entwickelt sich aus dem anderen und man gerät damit in etwas Lebendiges hinein. Wenn ihnen so etwas zugemutet wird, kriegen die Leute gleich eine Art von Gänsehaut: Da kommt ein gewisses Etwas in mich hinein, was ich nicht haben will; da werde ich ja gerade unfrei! [...]
Man braucht sich also nicht zu wundern – da ja nichts, was über das Intellektualistische hinausgeht, heute unbefangen betrachtet werden kann –, daß die Leute eine Gänsehaut bekommen, wenn man ihnen sagt, ein Buch müsse ganz anders gelesen werden als andere Bücher; es müsse so gelesen werden, daß man dabei etwas erlebt. Und was muß erlebt werden? Das Erwachen des Willens aus dem Geistigen heraus! In dieser Beziehung sollte mein Buch ein Erziehungsmittel sein. Es wollte nicht bloß einen Inhalt vermitteln, sondern es wollte in einer ganz bestimmten Art sprechen, so daß es als Erziehungsmittel hätte wirken können. Daher finden Sie in meiner "Philosophie der Freiheit" eine Auseinandersetzung über Begriffskunst, das heißt eine Schilderung dessen, was im menschlichen Seelenleben vorgeht, wenn man sich mit seinen Begriffen nicht bloß an die äußeren Eindrücke hält, sondern im freien Gedankenstrome leben kann.
Künstlerische Verfassung...
Das aber, meine lieben Freunde, ist eine Tätigkeit, die zwar auf Erkenntnisse in einem viel tieferen Sinne abzielt als die äußere Naturerkenntnis, und die zu gleicher Zeit künstlerisch ist, ganz identisch ist mit der künstlerischen Tätigkeit. In dem Augenblick, wo das reine Denken als Wille erlebt wird, ist der Mensch in künstlerischer Verfassung. Und diese künstlerische Verfassung ist es auch, die der heutige Pädagoge braucht, um die Jugend zu leiten vom Zahnwechsel bis zur Geschlechtsreife, oder sogar darüber hinaus. Es ist dies die Stimmung, die man hat, wenn man aus dem Innerlich-Seelischen heraus zu einem zweiten Menschen gekommen ist, der nicht so erkannt werden kann wie der äußere physische Leib, den man physiologisch oder anatomisch studieren kann, sondern der erlebt werden muß, daher er mit Recht "Lebensleib" oder "Ätherleib" genannt werden kann, wenn man die Ausdrücke nur nicht wieder im alten Sprachgebrauche nimmt.
Dieser Lebensleib kann nicht äußerlich angeschaut werden. Er muß innerlich erlebt werden; es muß, um ihn zu erkennen, eine Art künstlerischer Tätigkeit entfaltet werden. Daher ist jene Stimmung in der "Philosophie der Freiheit" – die meisten entdecken sie gar nicht –, die überall an das künstlerische Element anschlägt. Die meisten Menschen bemerken das nicht, weil sie das Künstlerische im Trivialen, Natürlichen suchen und nicht in der freien Betätigung. Erst aus dieser freien Betätigung aber kann man die Pädagogik als Kunst erleben, und der Lehrer kann dadurch zum pädagogischen Künstler werden, daß er sich in diese Stimmung hineinfindet. [...]
Das geht in die Intimitäten der pädagogischen Kunst, was heute gesagt werden muß, wenn man die Jugend gegenüber dem Alter verstehen will. Nicht mit Phrasen, sondern aus einer pädagogischen Kunst heraus, die sich nicht scheut, sich auf wirkliche geisteswissenschaftliche Erkenntnis zu stützen, muß man die Kluft zwischen dem Alter und der Jugend überbrücken. Daher sagte ich vor einigen Tagen: Worauf geht diese Kunst? Sie geht auf ein Erleben des realen Geistigen. [...]
...erweckt den wahren Erzieher
(11) Daher müssen wir aus diesem Denken durch die Entwickelung, die ich gestern angedeutet habe, heraus, indem wir das Denken ganz reinigen und es zum Willen machen, zum Willen gestalten. Wir müssen uns dazu durchringen, unsere Individualität immer kräftiger zu machen, und das erreichen wir nur, wenn wir uns zu diesem reinen Denken durcharbeiten. [...] Wer sich zu einem solchen reinen Denken durcharbeitet, wie ich es in meiner "Philosophie der Freiheit" angedeutet habe, wird finden, daß man es da ganz und gar nicht bringt zu einem Haben von einigen Begriffen, die ein philosophisches System ausmachen, sondern daß es sich um ein Ergreifen der menschlichen Individualität und ihres vorirdischen Daseins handelt. [...]
Es ist wirklich das Hereinziehen des vorirdischen Daseins in das Leben des Menschen, was dadurch bewirkt werden kann, und so ist es die Vorbereitung zu dem Berufe des Lehrers, des Unterrichters, des Erziehers. [...] In jedem Menschen ist ein Erzieher; aber dieser Erzieher schläft, er muß aufgeweckt werden, und das Künstlerische ist das Mittel zum Aufwecken. [...]
[...] weil es nicht auf die Übermittlung von Wissen ankommt, sondern auf die Individualität, auf das Lebendigmachen des vorirdischen Daseins. Dann erzieht sich eigentlich das Kind selber an uns, und das ist auch richtig; denn in Wirklichkeit sind nicht wir es, die erziehen. Wir stören nur die Erziehung, wenn wir unmittelbar zu stark in sie eingreifen. Wir erziehen, indem wir uns so benehmen, daß durch unser Benehmen das Kind sich selber erziehen kann. [...] Deshalb müssen wir uns klar sein: hineinpfropfen können wir in den Menschen nichts durch Unterricht und Erziehung. Aber wir können uns so verhalten, daß der Mensch dazu kommt, als Aufwachsender die in ihm vorhandenen Anlagen hervorzuholen. Das können wir aber nicht durch das, was wir wissen, sondern nur durch das, was auf künstlerische Art in uns regsam ist.