18.05.2010

Reden über das Christuswirken im Ätherischen – und die Wirklichkeit?

Zu einem Gespräch zwischen Thomas Stöckli und Heinz Zimmermann. 

Gedanken zu: Mitwirken am Wirken des 'Ich-Bin' im Goetheanum Nr. 20 vom 14.5.2010.


Im Goetheanum Nr. 20 vom 14. Mai stellt Thomas Stöckli Heinz Zimmermann Fragen zum Wirken des Christus im Ätherischen. Dies ist bemerkenswert, weil ich gerade in meinem letzten Aufsatz die Frage hatte, wie Stöckli wohl öffentlich über Christus sprechen würde. Nun stellt er zwar im wesentlichen Fragen, aber sowohl diese, als auch Zimmermanns Antworten sind ebenso bemerkenswert.

Ein Gespräch über das Christuswirken im Ätherischen liest sich, wenn man spürt, dass es nicht ganz und gar bloße Rederei ist, sehr schnell sehr "schön". Jeder Mensch hat eine Ahnung von dem, worum es hier geht – oder kann sie haben. Man spürt, wie anfänglich auch immer, die Wirklichkeit, von der Rudolf Steiner gesprochen hat. Und es geschieht dann schnell, dass sich die Wahrnehmung dieser Wirklichkeit mit der Wahrnehmung eines solchen Gespräches verbindet, das Menschen "darüber" führen. Dann bekommt auch das Gespräch scheinbar den Glanz dieser Wirklichkeit – weil man nicht unterscheidet. Man muss unterscheiden ... worüber gesprochen wird, wie gesprochen wird und was man selbst an Empfindungen in seine Wahrnehmung hineinträgt.

Ein Wort von Stöckli und seine "Deckung"...

Einleitend schreibt bzw. sagt Stöckli sicher sehr richtig:

"Verwendet man jedoch die Begriffe 'Ätherischer Christus' oder 'Verchristlichung' ungedeckt in jedem möglichen Zusammenhang, breitet sich ein Schleier über das Wesen, um das es eigentlich geht."


Doch schon hier entsteht eine Frage. "Ungedeckt"... Kann man empfinden, wie es einem mit diesem Wort geht? Mit diesem Satz, in dem dieses Wort so vorkommt? Es ist ein merkwürdig sachlich-pragmatischer Ausdruck. Was ich sage, muss von meinen persönlichen Erfahrungen „gedeckt“ sein... Wenn die Begriffe "gedeckt" sind, dann – ja, was dann? Wann sind sie "gedeckt"? Und natürlich behauptet Stöckli gleichzeitig, indem er von "ungedeckt in jedem möglichen Zusammenhang" spricht, dass sein Sprechen und sein Verständnis "gedeckt" seien...

Dieses kleine Wörtchen "ungedeckt" ist nur ein winziges Beispiel für das, worauf man aufmerksam werden kann und müsste. Aber das Drama ist leider unendlich viel größer.

Ich kann nicht verschweigen, dass meine Wahrnehmung einiger Texte, die Stöckli in der letzten Zeit veröffentlicht hat, mich unmittelbar erleben lassen, dass diese "Deckung" gar nicht existieren kann. Er wendet sich nämlich schamlos und furchtbar spottend gegen ein Buch, das Wege zu einem wirklichen Verständnis des Kindes weisen will, zu einer wirklichen Verchristlichung der Waldorfpädagogik, ja zu einer Verbindung mit dem Wirken und Wesen des Christus selbst. Er wendet sich spottend und ohne jedes Verständnis gegen eine Autorin, die von ihrer Verbindung mit dem Christuswirken im Ätherischen in ihrem Buch "Der Heilige Gral" ein zutiefst berührendes Zeugnis abgelegt hat – nicht, um sich hervorzutun, sondern um jeden Menschen darauf hinzuweisen, dass eine solche Verbindung heute möglich ist, wenn man den von Rudolf Steiner gewiesenen Weg geht!

Es gibt keinen Menschen, der eine größere Deckung dessen hat, wovon er spricht... Bei Mieke Mosmuller gewinnt sogar dieses Wort seine ursprüngliche Bedeutung zurück: Was sie sagt und schreibt, das deckt sich ganz und gar mit ihrer Erfahrung, ist vollkommen eins damit. Es gibt nicht erst eine Erfahrung und dann das "Schreiben über", das "Reden über" – sondern man spürt, dass hier eine Erfahrung gegenwärtig ist ... wenn man es überhaupt spüren kann...

Vor diesem Hintergrund müsste man das Gespräch zwischen Stöckli und Zimmermann wahrnehmen können...

Was ist die Wirklichkeit des Auferstandenen?

Stöcklis erste Frage lautet dann:

"Wie würden Sie das Wesen, um das es bei der Wahl der Bezeichnung 'ätherischer Christus' geht, bezeichnen?"


Ich finde, schon diese Frage ist furchtbar abstrakt gestellt. Das Wesen des Christus wird gleichsam durch drei oder vier Passiva gezogen, bis von ihm nichts mehr übrig ist... Dieses Wesen erhält eine Bezeichnung, man wählt eine Bezeichnung – es könnte auch eine andere gewählt werden –, bei der Wahl der Bezeichnung "geht es" um dieses Wesen, und letztlich soll Zimmermann noch sagen, wie er dieses Wesen bezeichnen würde...

Wieder macht sich hier eigentlich eine "anthroposophische" Krankheit bemerkbar. Man beginnt scheinbar "tastend", "voraussetzungslos" – und doch weiß jeder, dass ganz viele Voraussetzungen da sind. Man kommt sich vor wie ein Kind, dem der Lehrer dumme Fragen stellt, obwohl er alles schon weiß... Dieses scheinbare Tasten ist im Grunde eine große Lüge, eine Unwahrhaftigkeit. Entweder Stöckli verleugnet in dieser Frage seine eigene Beziehung zum Christus – oder er empfindet wirklich so abstrakt.

Zimmermann verweist in seiner Antwort auf das "Ich-Bin" und spricht von dem Ich, das zugleich das Individuellste und auch das Allgemein-Menschliche ist, offen für das höhere Ich, "Christus in mir". "Es ist also nicht ein Wesen außerhalb von mir, über das ich in der dritten Person spreche."

Auch hier scheint mir die volle Wirklichkeit des Christus zu verschwinden. Ja, das Wesen des Christus ist nur in Richtung auf dieses "Ich-Bin" zu erfassen, aber – solange und insoweit man das Wesen des Christus noch nicht erlebt, ist er natürlich ein Wesen außerhalb von mir! Und selbst wenn man das Wesen des Christus mehr und mehr erleben kann, ganz innig nah dem eigenen Wesen, wird es immer auch das Erleben bleiben, dass dieses Christuswesen nicht ich selbst bin, auch wenn es mir so innig nahe ist wie das eigene Ich...

Auch das höhere Ich eines Menschen ist nicht der Christus – es bekommt seine ganze Kraft aus dem Wesen des Christus, aber es ist nicht Er... "Christus in mir" – das sind zwei Wesen. Gerade darum ist das Ich ja ganz und gar individuell – weil es in jedem Menschen vollkommen einzigartig ist, auch wenn es sein wahres Leben erst in der Kommunion mit dem Christuswesen erfährt...

Zimmermann sagt dann, "dass wir die Wirklichkeit des Christus selbst erschaffen müssen, denn er ist in unsere Welt hinein gestorben - und seine Auferstehung geschieht durch uns, 'in uns', durch Christus im 'Ich-Bin'."

Auch das ist nicht nur missverständlich, es ist doch wirklich nur eine halbe Wahrheit und damit keine Wahrheit. Christus ist in unsere Welt hinein gestorben, er ist als Gottessohn und Menschensohn auf Erden gestorben, aber er ist dann in unsere Welt hinein auferstanden. Unsere ganze Welt hat durch Ihn eine Auferstehung erfahren! Nicht seine Auferstehung geschieht durch uns, sondern unsere Auferstehung geschieht durch Ihn! Der Auferstandene ist da, sein Reich ist das Ätherische, er lebt – und er wartet auf jeden Menschen...

Wir müssen seine Wirklichkeit in uns lebendig machen, das heißt aber nichts anderes, als dass wir uns zu seiner lebendigen Wirklichkeit erheben müssen. Er ist immer schon lebendig, er ist ja das Leben selbst! Er ist nicht in unsere Welt hinein gestorben, unsere Welt ist in ihm auferstanden und lebendig geworden! Nur wir sind es noch nicht... Seit der Zeitenwende gibt es eine neue Sphäre, eine Wirklichkeit, zu der man sich erheben kann.

Es ist also gerade eine Verschleierung, wenn man sagt, seine Auferstehung geschehe durch uns. Auf Erden, für andere Menschen, kann das Christliche nur sichtbar werden, wenn Menschen die Christuskraft in sich tragen, in ihren Worte und Taten leben lassen. Das kann man als "Auferstehung des Christlichen im Irdischen" bezeichnen. Dies ist aber nur möglich, wenn Menschen durch Ihn auferstehen, nicht umgekehrt...

Der missachtete Weg zu Ihm...

Stöckli fragt dann:

"Können Sie noch etwas konkreter auf die 'Wiedererscheinung des Christus im Ätherischen' eingehen? Welche Wege sehen Sie da, im eigenen Leben daran zu arbeiten?"


Auch dies ist wieder die gleiche Stoßrichtung. Es scheint, als müsse man im eigenen Leben "daran" arbeiten, dass Christus im Ätherischen wiedererscheinen kann – aber das ist nicht wahr. Er ist erschienen, er ist da, fortwährend. Man kann immer nur daran arbeiten, sich zu dieser Wirklichkeit zu erheben.

Zimmermann verweist dann auf den Weg der Meditation, auf "ein inneres Aufwachen in der Welt des Ätherischen, der Welt des Wachsens und Vergehens, wie dies im Schulungsbuch 'Wie erlangt man Erkenntnisse der höheren Welten?' beschrieben ist."

Es ist wirklich bezeichnend, wie hier nur der eine Weg in die übersinnliche Welt erwähnt wird – jener, den Rudolf Steiner als weniger sicher bezeichnet hat... Noch immer scheint kein Verständnis für den anderen Weg da zu sein. Warum wird der Weg, der auf dem reinen Denken aufbaut, völlig verschwiegen? Warum wird nicht erkannt, dass die volle Wirklichkeit des Christus – Christus im Ätherischen–“ gerade hier gefunden werden kann? In allen ihren Büchern seit "Der Heilige Gral" hat Mieke Mosmuller dies in immer wieder anderen Ansätzen beschrieben, so deutlich wie nur möglich!

Wenn aber der Christus nicht gefunden wird – und er wird ohne diesen nicht erwähnten Weg noch nicht wirklich gefunden –, dann entsteht das, was Stöckli dann erwähnt:

"Ein großes Problem ist heute das Feld des Sozialen, Konflikte im Zwischenmenschlichen."


Zimmermann weist dann auf Rudolf Steiners Hinweise über den Gedanken- und den Willensweg zu Christus hin:

"Der Gedankenweg soll helfen, dass ich die Einseitigkeit der eigenen Vorurteile überwinde, indem ich die Gedanken des anderen Menschen ganz in mich aufnehme und soziales Interesse habe für dasjenige, was in der Seele des Mitmenschen vorgeht."


Ja, aber wo geschieht denn das? Wo werden denn die Gedanken von Mieke Mosmuller aufgenommen, die wirklich den Weg zum Erleben des Christus weist? Wo ist denn das lebendige Interesse (nicht das "soziale", Interesse ist immer sozial) – das lebendige Interesse für das, was in der Seele dieser wahren Anthroposophin lebt? Ich glaube, heute könnte Rudolf Steiner selbst wieder herumgehen, oder Christus selbst könnte auf den Weg zu ihm hinweisen – und man würde weiterhin von dem "Gedankenweg zu Christus" sprechen und gar nicht sehen, fühlen und erleben, was geschieht!

...und die unverwandelte Realität

Stöckli betont ein zweites Mal:

"Und doch ist gerade das sehr schwierig, auch in anthroposophischen Gremien."


Ja, es geschieht eben nicht, es gibt kein lebendiges Interesse am anderen Menschen – und vor allem kein lebendiges Interesse am wirklichen Wesen der Anthroposophie...

Und dann sagt Stöckli sogar noch ein drittes Mal:

"Aber es gibt doch immer wieder ganz schwierige Probleme und Konflikte – das weiß auch jeder Waldorflehrer, der an Konferenzen teilnimmt und in einer Schulführung mitarbeitet."


Er spricht damit selbst die Wirklichkeit der "Waldorfbewegung" aus: Sie ist keine Waldorfbewegung, denn wenn die Menschen, die "Waldorflehrer", diese Pädagogik ernst nähmen, dann müssten sie allem voran eines ernst nehmen, ein einziges: Die Selbsterziehung. Ohne dass die Selbsterziehung ganz und gar im Zentrum allen Bemühens steht, bleibt die Waldorfschule eine Phrase, und die Löcher werden so groß, dass man darauf nicht mehr stehen kann... Stöckli erwähnt einen Aspekt dieser riesigen Löcher, und es gibt unzählige andere...

Zimmermann antwortet ihm:

"Mir half dabei immer zu erkennen, dass wir eine Willensgemeinschaft sind: Wir haben eine Intention. Waldorflehrer haben die Intention, eine gute Schule für die Kinder zu ermöglichen, da geht es nie darum, ob wir uns sympathisch sind. Oft ist eher das Gegenteil der Fall: Man arbeitet für die Sache zusammen und würde diese Gemeinschaft nicht aus einem persönlichen Grund aufsuchen. Konflikte sind dann auch nicht im direkten Gespräch lösbar, sondern indem ich mich verändere, ändern sich die Konstellationen, und neue Öffnungen werden möglich."


Auch das ist wieder eine Halbwahrheit, die als solche furchtbar zu empfinden ist... In all den Worten klingt durch, wie wenig die Selbsterziehung beachtet wird. Es klingt durch, dass noch immer all die Sympathien und Antipathien walten, obwohl es scheinbar "um die Sache" geht. Natürlich geht es um die Sache, aber die Antipathien bleiben, werden vielleicht sogar noch stärker. Und das ist der falsche Weg! Man ist nur dann auf dem richtigen Weg, wenn die Antipathien ganz und gar nebensächlich werden, wenn sie regelrecht verschwinden, wenn sich inmitten der früheren Antipathien ein warmes Interesse geltend macht, immer mehr... Aber das ist nicht die Realität. Man tut so, als wäre man bereits auf dem richtigen Weg, aber es stimmt einfach nicht.

"Neue Öffnungen werden möglich" – das klingt und ist absolut armselig, wenn man erlebt, worauf es ankäme! Und das Wort von der "Willensgemeinschaft" ist in diesem Zusammenhang eine ungeheure Illusion. Denn Rudolf Steiner sagte schon in Bezug auf die ersten Waldorflehrer, die ungeheuer engagiert und begeistert waren: Der wirkliche Wille ist gar nicht da... Das ist die Realität. Man kann noch so viel von "Willensgemeinschaft" und "gemeinsamer Intention" und so weiter reden – wenn der wirkliche, tiefe Wille nicht da ist, dann ist gar nichts da. Dann ist nur das da, was heute eben da ist: Engagement, viel Gutes, aber auch Schwierigkeiten, Probleme, Konflikte, Antipathien, und mit wachsender Tendenz.

Konflikte entstehen, wo man sich nicht wirklich verwandeln will. Wo man nicht wirklich Interesse am anderen Menschen hat. Und das ist die Regel. Es ist auch in "anthroposophischen Gremien" und natürlich in der "Waldorfbewegung" die Regel. 

Es geht auch nicht nur um die Intentionen, sondern auch um die Wahrhaftigkeit untereinander. Schon hierfür fehlt der Wille – und der Mut, sich offen auszusprechen. Konflikte schwelen, und man spricht nicht darüber. Man hat Antipathien, aber man spricht nicht darüber – und unter der Oberfläche wirken sie nur um so stärker...

Rudolf Steiner sagte:

Das ist, um was ich Sie bitte, einmal ernsthaft anzufangen, wenigstens hier, an der Stätte der Waldorfschule wenigstens aufrechtzuhalten, daß wir nicht über Disharmonien einfach in eine Atmosphäre von Augen-Zudrücken übergehen, daß wir uns ehrlich aussprechen. Ist es denn unmöglich, daß sich die Leute sagen, ich habe dies und jenes auf dem Herzen gegen dich, und man leidet sich deshalb nicht weniger gern, und arbeitet deshalb nicht weniger gern zusammen? Warum soll man sich nicht die Wahrheit unter die Augen sagen und trotzdem sich schätzen und achten?
31.1.1923, GA 300b, S. 246.


Und auch das ist keine Realität. Zimmermann spricht im Grunde von einem schlimmen Zustand, der in einer Waldorfschule nie eintreten dürfte. Rudolf Steiner spricht davon, dass man gern zusammenarbeitet! Die Realität ist aber oft, dass man überhaupt nicht zusammenarbeitet – und natürlich auch an der inneren Vertiefung überhaupt nicht arbeitet. Die sogenannte gemeinsame "Intention" ist dann nur noch eine völlig veräußerlichte Klammer, die etwas zusammenhält, was innerlich überhaupt nicht wahrgemacht wird...