13.03.2016

Über die Macht, die auch die Kinderseelen besitzen will

Gedanken und Hilfen für Eltern. 


Inhalt
Von Märchenbildern und Animation
Serien und Filme mit Seele
Das seelenlose Gegenbild
„Humor“ ohne Seele
Ein furchtbarer Blick in die Zukunft
Das Nicht-mehr-Empfinden
Die tiefste Sehnsucht ... und Rettung der Seele


Von Märchenbildern und Animation

Wir leben in einer Zeit, in der fast alles darauf ausgerichtet ist, den Menschen die Seele zu nehmen. Wenn man mit Menschen spricht, wissen die meisten schon gar nicht mehr, was mit diesem Wort gemeint sein könnte – und dass es eine Realität sein könnte, dass der Mensch eine Seele hat. Aber wie wollen Eltern ihre Kinder erziehen und in ihrer Entwicklung begleiten, die Entwicklung ihrer Seele hüten und nähren, wenn sie selbst nicht mehr wissen, was das überhaupt ist?

Auf alles verwendet der Mensch heute Mühe und Zeit – aber nicht auf das Leben und die Unschuld seiner Seele... Beides hat der Mensch heute verloren, und er weiß es nicht einmal – weiß nicht einmal, was er verloren hat.

In meinen Büchern versuche ich, dafür wieder ein Empfinden zu wecken. Das Empfindenkönnen, mit der Seele, mit einem wirklichen Gefühl – das nicht sofort wieder von Flachheit und Abstraktion gelähmt und getötet wird –, würde einen Weg bedeuten, diese Seele wiederzufinden.

In diesem Aufsatz möchte ich erlebbar machen, wie diese Fähigkeit des Empfindens schon bei den Kindern gelähmt und vernichtet wird.

Die Gefühle sind der Mittelpunkt der Seele. Die Seele eines Menschen lebt, wenn er tiefe Empfindungen haben kann, wenn sein Herz berührt werden kann, wenn es moralische Realitäten empfinden kann und es von diesen wirklich berührt wird. Je tiefer die Seele berührt werden kann, desto tiefer ist ihr Leben...

Kleine Kinder haben eine tiefe Sehnsucht nach der Realität des Moralischen. Sie glauben bedingungslos an das Gute, und sie tragen es in aller Tiefe in ihrer eigenen Seele. Alles, was ihnen lebendige Bilder des Guten entgegenträgt, ist wirkliche Nahrung für ihre Seele. Das ist der Grund, warum Märchen eine so unendliche Bedeutung haben. In ihnen lebt mehr, als unser abstrakter Verstand je ersinnen könnte.

Wenn die Kinder dann in das Alter kommen, wo sie – auch durch Mitschüler – eine Lust nach Medienbildern entwickeln, sind die Eltern schnell überfordert. Dann werden die Kinder schutzlos der Flut der Bilder ausgesetzt, die zum größten Teil völlig seelenlos sind, und all dies wird früher und immer früher angeschaut und aufgesaugt. Als Generation der Eltern kennt man noch den Unterschied zwischen Zeichentrick und Animation, und schon hier kann man diesen Unterschied tief erleben. Glatt und seelenlos wirkt die Animation gegenüber dem Zeichentrick. Glatt und seelenlos wirken aber auch die meisten der modernen Inhalte gegenüber den früheren.

Serien und Filme mit Seele

Ein Beispiel für dieses Frühere ist die Serie „Pinocchio“ in der japanischen Fassung von 1976. Wenn man sich etwa die Folge „Pinocchios lange Nase“ anschaut, wo die kleine Holzpuppe krank ist und von der Fee gepflegt wird, kann man den Seelen-Gehalt dieser alten Serie noch sehr gut miterleben – wenn man noch ein Empfinden dafür hat, also sich in der eigenen Seele davon berühren lässt. Das Seelenvolle beginnt übrigens schon mit der Titel-Musik, mit der diese alten Serien noch begannen.

Ein weiteres Beispiele für diese alten Serien ist „Heidi“ (1974, Japan).

Weniger bekannt ist die Serie „Niklaas – ein Junge aus Flandern“ (1975, Japan). In der ersten Folge begegnet Niklaas in der Mitte dem armen Hund Patrasch. Diese Szene ist herzzerreißend – auch für Erwachsene, die noch eine Seele haben. Und man kann gerade an eine solchen Szene tief empfinden, was es für Kinder bedeutet, wenn sie solche Serien sehen können und mit tiefstem Gefühl mit allem mitleben können – und nicht anderes sehen, was die zarte seelische Entwicklung gerade mit brutaler Flachheit abtötet.

Ebenfalls wenig bekannt ist auch die wunderbare Serie „Perrine“ (1978, Japan). Auch hier bekommt man schon in der ersten Folge einen Eindruck davon, dass es in all diesen Serien nicht um Action und schnelle Bildwechsel geht, sondern um die Seele...

Eine unglaublich berührende Serie ist „Die kleine Prinzessin Sara“ (1985, Japan, 46 Folgen) – ein modernes Aschenputtel, spielend in London um 1885. In Folge 21 hilft Sara erst ihrer Freundin Becky und lässt sich an deren Stelle von der stolzen Lavinia demütigen. In der zweiten Hälfte muss sie dann bei strömendem Regen Kartoffeln kaufen, obwohl alle Märkte schon geschlossen haben. Wenn man nicht die ganze Folge sehen kann, sollte man sich zumindest diese zehn Minuten (ab 11:10) ansehen. In diesen Minuten kann man mitempfinden, was dieses Mädchen zu erdulden hat. Und sein gutes Herz erträgt dies alles, behält in sich selbst die Liebe und hat selbst Mitleid mit den Mäusen auf seinem Zimmer...

Dies sind Inhalte, die die Seelen auch älterer Kinder (10-12 Jahre) berühren können und ihre Fähigkeit, tief zu empfinden, hüten und beschützen können.

Als letztes möchte ich die Filme des legendären Studio Ghibli erwähnen, zuletzt Ende 2015 der grandiose Film „Erinnerungen an Marnie“. Diese Filme sind, vor allem gemessen an fast allem anderen, sozusagen durch und durch Seele.

Auf meiner Webseite „Wesen der Pädagogik“ habe ich eine Vielzahl schöner Filme für alle Altersstufen zusammengestellt und versuche dies auch für schöne Musik...

Das seelenlose Gegenbild

Aber nun kann man sich fragen, was geschieht, wenn Kinder nicht mit solchen Inhalten aufwachsen dürfen – sondern mit völlig seelenlosen Inhalten. Was ist, wenn die Kinder stattdessen auf einem Handy Spiele wie „Minecraft“ oder „Clash of Clans“ spielen?

Schon der erste Eindruck in diesen kleinen Youtube-Videos zeigt, was hier geschieht. Man findet hier nichts von Seele, nicht das Geringste. Aber das bedeutet, dass den Kindern ihre eigene Seele regelrecht ausgetrieben wird – denn diese Inhalte setzen sich in ihnen fest. Diese Spiele entwickeln ja einen Suchtfaktor, denn man kann am Bildschirm etwas manipulieren und scheinbar bestimmen, was geschieht. Dass man dann letztlich auf einen Bildschirm starrt, um virtuelle Grafiken zu beeinflussen, ist dem Kind ja nicht klar – und was mit seiner Seele dadurch geschieht, erst recht nicht. Es geschieht aber dennoch...

Ein weiteres Beispiel betrifft die Bücher, die heute „auf dem Markt“ sind. Immer mehr geht es nur noch um Action und billige Spannung, die immer seelenloser wird. Die Autoren meinen, nah bei den Teenagern zu sein, aber sie schreiben cool und seelenlos – und die Kindern nehmen dies dann auf. Spannung allein ist nicht Seele, Spannung ist nur Sensation, die Seele bleibt dabei tot. Sie bleibt auch bei Coolness tot – Coolness ist gerade Seelenkälte.

In einer vor einigen Jahren erschienenen Reihe, die „Top Secret“ heißt, werden Kinder (!) zu Agenten der dem britischen Geheimdienst unterstehenden Organisation „Cherub“ ausgebildet. Und dann liest man massenhaft Szenen wie diese:

„Vier gegen einen konnte er nicht riskieren, daher musste er wenigstens einen seiner Gegner unschädlich machen. Er zog den Arm des Jungen gerade und drückte dann mit der Handfläche auf den Ellbogen, dass die Sehnen rissen und die Knochen knackten. In seiner Ausbildung hatte James diesen Griff Hunderte Male geübt, aber der Unterschied zwischen dem üben im Training und dem Geräusch, den das Gelenk tatsächlich von sich gab, war ekelerregend. James fühlte sich etwas merkwürdig, als der bärtige Teenager vor Schmerz aufschrie. Es war eine Mischung aus Ekel und Ehrfurcht vor der außerordentlichen Kraft, die er sich in den vielen Kampftrainingsstunden angeeignet hatte. Zehn Monate zuvor hatte er einen Mann erschossen, aber das hätte jeder tun können. Das Gefühl, einem Menschen mühelos mit bloßen Händen die Knochen brechen zu können, war viel furchterregender, auch wenn die Konsequenzen nicht ganz so endgültig waren.“ (Bd. 4, S. 143).


Solche Bücher sind tatsächlich für Teenager geschrieben! Es nützt nichts, sich abstrakt darüber aufzuregen – man sollte tief im Herzen empfinden, was hier wirklich mit den Seelen der Kinder geschieht!

„Humor“ ohne Seele

Die andere Seite des Seelentodes ist ein immer mehr um sich greifender trockener, kalter Humor, der ebenfalls nichts mehr von wirklicher Seele enthält. Es geht bei dieser Art von Humor im Grunde nur noch darum, „Lacher zu produzieren“. Und es gibt nahezu keine Animationsfilme mehr, die nicht „auf dieser Schiene fahren“. Überall müssen diese „Lacher“, diese seelenlose Art von „Humor“ eingebaut werden. Er durchdringt alles und zieht alles auf seine Ebene herab. Und dann geht es um Lacher – nicht mehr um die Seele...

Ein Beispiel sind die letztes Jahr in 33. Auflage erschienenen „Känguru-Chroniken“. Das Buch ist zwar für Erwachsene geschriebenen, macht aber auch unter Kindern die Runde. Das Känguru bezeichnet sich selbst als Kommunisten, und der Autor Marc-Uwe Kling hält tatsächlich in vielerlei Hinsicht unserer heutigen Zeit den Spiegel vor. Aber man lasse einmal die Sprache auf sich wirken (S. 135):

In einer Buchhandlung stehe ich mit einem offenen Buch in der Hand auf einem hohen Stapel Ratgeber und deklamiere:
„Ich liebte sie nicht, weil wir zueinander passten. Ich liebte sie einfach.“
„Was hast’n da?“, fragt das Känguru.
„Liebe dich selbst, und es ist egal, wen du heiratest“, sage ich, steige wieder herab vom Tisch mit den Bestsellern und reiche dem Känguru das Buch.
„Das ist der Titel?“, fragt es skeptisch.
„Jep“, sage ich. „Ein Ehe-Ratgeber. [...]“


Dieser Stil macht in seiner Art des Humors fast schon den Übergang zum absurden Theater. Im Grunde wird alles ins Absurde gezogen – und es ist auf gewisse Weise sogar noch ernst gemeint. Eine andere Stelle (S. 86):

„Grüß Gott“, sagt das Känguru.
„Ja sicher“, sage ich. „Wenn ich ihn das nächste Mal beim unglaublichen Hulk auf einen Kaffee treffe – im Phantasiereich!“
„Glaubste nich mehr an Gott und Jesus und so?“, fragt das Känguru.
„Nee“, sage ich. „Jesus ist für mich gestorben.“
„Nicht nur für dich“, sagt das Känguru. „Für uns alle. Für uns arme Sünder.“
„Seit wann bist du denn gläubig?“, frage ich. „Ich dachte, du glaubst nur an drei Mahlzeiten pro Tag und ‚nen leckeren Nachtisch.“
„Seit gestern“, sagt das Känguru. „Ich hatte einen besonders miesen Tag – ich erspare dir die Details –, aber plötzlich, im Wartesaal des Bürgerbüros, hatte ich eine Erleuchtung. [...] Ich hab was kapiert. Ich dachte immer, es kann unmöglich einen Gott geben, bei all dem Übel in der Welt … Aber vielleicht gibt es die ganzen Übel ja gerade, weil es einen Gott gibt. Ja. Vielleicht, vielleicht nämlich ist Gott einfach nur kein besonders netter Typ. Es könnte doch sein, dass Gott gar kein DJ ist, sondern ein Arschloch“, sagt das Känguru.


Hier wird also selbst das Heiligste – sei es zunächst nur eine Idee oder sei es ein realer Glaube – in den Dreck gezogen. In einen Dreck, wo der abstrakte, nichts mehr empfindende Intellekt, wirklich alles unter sich begraben und mit Füßen treten kann, genüsslich, um sogar daraus noch Humor herauszuquetschen. Es macht keinen Unterschied, ob man bei einem Teenager „die Knochen knacken lässt“ oder ob man Gott als „ein Arschloch“ bezeichnet. In beiden Fällen ist keinerlei Seele mehr vorhanden. Sie wird mit aller Gewalt ausgetrieben. Nicht ein winziger Hauch des Moralischen ist in der Welt mehr vorhanden. Das sind die Inhalte, die heute in millionenfacher Gestalt in die Seelen sickern und sie gleichsam hermetisch versiegeln, mit ihrer giftigen Plastikschicht...

Ein furchtbarer Blick in die Zukunft

Wenn man dann wissen will, was die Zukunft dieser Entwicklung sein wird, wenn sie immer so weitergeht – und es braucht gar nicht mehr lange –, dann sollte man sich einmal dieses Video anschauen.

Es handelt sich um eine Werbung des indischen Internet-Anbieters MTS India für das neue „3GPLUS Network“ für superschnelles Internet – mit über dreieinhalb Millionen Zugriffen eines der erfolgreichsten indischen Werbevideos überhaupt.

Die Botschaft ist: Schon das neu geborene Baby braucht Internet – und kann sogar besser damit umgehen als die veralteten Erwachsenen. Internet ist modern – und jeder braucht es. Das ist die Botschaft. Und man beachte die Subtexte: Der Säugling (man musste natürlich doch ein älteres Kind nehmen!) kommandiert die Erwachsen, er bedient spielend ein Handy, er durchtrennt selbst seine Nabelschnur, er macht noch schnell einen Schnappschuss von dem verdutzten Arzt – und verschwindet dann mit Hilfe von GPS in der weiten Welt... Die Eltern oder andere Menschen werden nicht mehr gebraucht, sie sind nur noch Beiwerk. Das Internet, die Technik, der kleine Bildschirm ist alles, was zählt. Damit es nicht ganz seelenlos ist, hat der Säugling am Ende noch einen Luftballon...

Dass diese Werbung geradezu teuflisch ist, muss man empfinden. Wenn man es nicht empfindet, wird man es nicht begreifen. Aber dies ist die Tendenz: Alles ist darauf ausgerichtet, den Köpfen und Herzen immer wieder einzuhämmern: Du bist nichts, das Internet ist alles. Du findest dein „Glück“ nur in dieser Technik. Mit dem Internet bist du erst ein ganzer Mensch oder vielleicht auch ein kleiner Gott. Aber nur die Technik gibt dir dein Menschsein. Sie ist das Maß aller Dinge für den Menschen von morgen – man lerne es von den Säuglingen...

Kann man empfinden, wie teuflisch diese Werbungen (die ja kein Einzelfall sind!) vorgehen? Hoffentlich kann man es noch empfinden. Denn davon hängt das Fortbestehen der Menschheit ab. Eine Menschheit ohne Seele ist keine Menschheit mehr...

Das Nicht-mehr-Empfinden

Ich habe erlebt, wie auf einem Kindergeburtstag (Alter 13 Jahre) „Herr der Ringe“ geguckt wurde, der zweite Teil. Viele kannten ihn da bereits schon – und es wurden ständig Kommentare gemacht. Als dann die Szene kam, wo einer der Gefährten, Boromir, im Kampf stirbt, spielte sich Folgendes ab: Als Boromir, obwohl schon mehrere Pfeile ihn getroffen hatten, noch immer mit letzter Kraft weiterkämpft, gab es nur einen belustigt-verächtlichen Kommentar: „Als ob!“ – Gemeint war damit, dass dies ja wohl schlecht möglich sei.

Nur mit der eigenen Seele wird man überhaupt empfinden können, was hier im Grunde geschehen ist: Auch dieser Film wird im Grunde viel, viel zu früh geschaut. Er ist eigentlich erst für ein Alter gedacht, in dem das moralische Empfinden das unglaubliche Aufeinandertreffen von Gut und Böse wirklich tief empfinden kann, den Mut und die Treue der Gefährten, das Kalte und Brutale der finsteren Mächte – und natürlich auch die Liebe zwischen Aragorn und Arwen. Aber was in unserer Zeit geschieht, das ist, dass die Kinder bereits mit solchen Medieneinflüssen heranwachsen, dass dieses Empfinden gar nicht aufkeimen kann. Es wird praktisch schon im Keim zerstört – noch bevor es tief erwacht, mit vierzehn, fünfzehn, sechzehn Jahren, ist es völlig totgetreten, durch Millionen Bilder und Buchseiten cooler Kommentare, ironischer Sprüche, seelenloser Szenen und gefühlloser Schilderungen.

In einer Szene, wo man tiefes Mitleid mit einem der Helden, der Gefährten (!), haben müsste, da fehlt dieses Mitleid vollkommen – man sitzt kalt und gefühllos, ja belustigt, vor dem Bildschirm und kommentiert das Gesehene ohne jede wirkliche innere Regung. So wächst die Jugend heute heran!

Ein Film wie „Herr der Ringe“ kann ein allertiefstes moralisches Erleben geben – aber nur dann, wenn die Seele dafür vorbereitet ist, wenn sie dieses Empfinden bereits in sich trägt, wenn sie eine Sehnsucht danach hat, wenn sie bis zu dem Moment, wo sie diesen Film dann sehen darf, bereits genährt wurde, geschützt wurde, um überhaupt noch wirklich empfinden zu können.

Wir geraten in eine Zeit, wo selbst seelenvolle Inhalte die Seele nicht mehr erreichen, weil sie schon so sehr abgestorben ist, dass sie nicht einmal mehr die Unterschiede wirklich empfindet. Und wir wissen doch, dass dies so ist. Dass die Menschen immer weniger in der Lage sind, überhaupt zu empfinden. Sie empfinden selbst bei einem Sonnenuntergang dann nichts mehr – sie wissen nicht mehr, wie sie das machen sollen, sie können es nicht mehr. Sie wissen vielleicht noch, dass sie etwas empfinden sollten, doch sie sind nicht mehr dazu in der Lage. Aber wenn das Handy piept, schauen sie sofort, wer eine SMS geschickt hat...

Was da geschieht, muss man erleben. Nur im Erleben gibt es die Möglichkeit, wirklich zu erkennen, in welch einer Entwicklung wir bereits tief gefangen sind, wie stark diese Kräfte wirken und was sie mit uns vorhaben, mit unserer Seele vorhaben. Das Erleben des wirklichen Wesens dieser Entwicklung ist die einzige Möglichkeit, dem Wirken dieses Wesens etwas entgegenzusetzen. Denn nur im Erleben kann man auch real erkennen, was man innerlich tun muss, um das Leben der Seele zu retten.

Die tiefste Sehnsucht ... und Rettung der Seele

Selbstverständlich hat die Seele im tiefsten Inneren eine Sehnsucht danach, das Gute tief zu fühlen ... und auch zu tun. Aber wie soll die Seele der Kinder die Möglichkeit haben, in dieser Richtung zu wachsen, wenn die Welt der Erwachsenen selbst nicht mehr den Mut hat, das Gute als eine wirkliche Realität zu erkennen, zu lieben und sich voller Aufrichtigkeit dazu zu bekennen ... und die eigene Seele Tag für Tag in einer inneren Entwicklung zu halten? Und wenn die Welt überquillt von Medieneindrücken, die vollkommen seelenlos darauf gerichtet sind, auch in lebendigen Menschenherzen die Seele wirklich auszutreiben? Die Menschen, die dies verantworten, sind sich dessen ja gar nicht bewusst. Hier gilt buchstäblich: Denn sie wissen nicht, was sie tun.

Wo sind die Erwachsenen, die sich einer wirklichen inneren Entwicklung zuwenden? Die mit dem Herzen solche Worte sprechen und auch innerlich verwirklichen können, wie sie Rudolf Steiner in Fülle gab – etwa diese:

Gottes schützender, segnender Strahl
Erfülle meine wachsende Seele
Dass sie ergreifen kann
Stärkende Kräfte allüberall.
Geloben will sie sich,
Der Liebe Macht in sich
Lebensvoll zu erwecken,
Und sehen so Gottes Kraft
Auf ihrem Lebenspfade
Und wirken in Gottes Sinn
Mit allem, was sie hat.

Hier liegt der Quell des realen Moralischen, das eine Wirklichkeit ist. Aber auf Erden wird es nur Wirklichkeit, wenn es von einer Seele ergriffen wird, wenn Seelen sich damit durchdringen.

„Am liebsten würde ich das Herz der anderen Menschen an die Hand nehmen und ihm die ganze Schönheit zeigen. Das Herz müsste sie doch sehen? Aber wo ist es bei den anderen Menschen in einem solchen Augenblick?“ (aus meinem Roman „Tagebuch eines Mädchens“).

Ohne das Empfinden und ohne das erlebende Finden der Realität des Moralischen ist die Seele des Menschen verloren. Wenn wir die Seele retten wollen (die der Menschheit, die unserer Kinder, unsere eigene Seele), dürfen wir nicht dahinleben, ohne dies wirklich zu suchen und eine immer tiefere Sehnsucht danach zu entwickeln. Und wir müssen begreifen, um welche Tiefen es dabei geht. Das wirkliche Menschenwesen ist etwas unglaublich Großes und Heiliges – und es ist unendlich bedroht und schon so sehr verletzt, misshandelt, geschändet, am Sterben...