19.09.2007

Wie kommt man zu Schulen für das 21. Jahrhundert?

Verfasst für die und veröffentlicht auf der Homepage der Freunde der Erziehungskunst Rudolf Steiners. | PDF

Die EU-Kommission hat in einem "Arbeitspapier der Kommissionsdienststellen Schulen für das 21. Jahrhundert" vom 11.7.2007 allgemein öffentlich aufgefordert, auf acht spezifische Fragen zu antworten, damit diese Antworten in Vorschläge für eine Neugestaltungen des Bildungswesens einfließen können. Die "Freunde der Erziehungskunst" haben folgende Stellungnahme verfaßt:


1. Schlüsselkompetenzen für alle
2. Die europäischen Schüler auf das lebenslange Lernen vorbereiten
3. Zum nachhaltigen Wirtschaftswachstum beitragen
4. Herausforderungen in unserer Gesellschaft bewältigen
5. Eine Schule für alle
6. In den jungen Europäern aktiven Bürgersinn wecken
7. Lehrkräfte Schlüsselakteure für den Wandel
8. Die Entwicklung der Schulgemeinschaften unterstützen

1. Schlüsselkompetenzen für alle

Wie können die Schulen so organisiert werden, dass sie den Schülern das gesamte Spektrum der Schlüsselkompetenzen vermitteln?

Bei dieser Frage geht es neben einer sachgemäßen Vermittlung der eher fachspezifischen Kompetenzen (Sprachen, Mathematik, Naturwissenschaft, Digitaltechnik) vor allem um jene übergreifenden Kompetenzen, die den Menschen zu einem lebenslang lernenden, sozialen, engagierten, initiativen und kreativen Individuum überhaupt machen. Schulen und Bildungssysteme, die ihre Aufgabe auf die Vermittlung eines Fächer- oder auch fächerbezogenen Kompetenz-Kanons beschränkt sehen, müssen angesichts dieser Herausforderung versagen.

Im Hinblick auf die Erziehung junger Menschen wirkt nichts so sehr und so tief wie das lebendige Vorbild. In jüngeren Jahren handelt es sich um das direkte Vorbild des Lehrers und seines Handelns. In späteren Jahren, wenn die Jugendlichen zu wirklich eigener Urteilsfähigkeit heranreifen, handelt es sich um die am Lehrer wahrgenommene Wahrhaftigkeit: Inwieweit bemüht er sich selbst, seine umfassenden Kompetenzen, die zum modernen Menschsein gehören, immer weiter zu entwickeln und auch aus diesem vollen Menschsein heraus (nicht nur abstrakt) zu unterrichten?

Damit aber kommt man sofort zu einer nur scheinbar abseitig liegenden, tatsächlich aber grund-legenden Frage: Welches Umfeld braucht der Lehrer dazu? Wie müssen Schulen organisiert werden, damit der Lehrer in dieser Herausforderung unterstützt und gefördert wird?

Die eigentliche Aufgabe des Lehrers ist es, Vorbild zu sein Vorbild in der Beherrschung seines Faches, auch in seiner Liebe zum Fach, aber auch in der Beherrschung übergreifender Kompetenzen. Der Lehrer selbst muss als stets strebender, sozialer, initiativer und kreativer Mensch im Leben stehen und aus dem Leben heraus unterrichten. Er muss seinen Beruf lieben. Dies alles kann er am besten, wenn er aus seinen ureigensten Impulsen heraus unterrichten kann und nicht zur Verwirklichung definierter Lehrplan-Inhalte verpflichtet ist. Jede inhaltliche Vorgabe behindert die aus grundsätzlichen Überlegungen heraus notwendige Autonomie des Pädagogen. Der Schritt von formalen Vorgaben hin zu Kompetenz-Zielen kann daher nur begrüßt werden.

Lernkompetenz, Initiativ- und Unternehmergeist können geweckt und gefördert werden, wenn die Selbständigkeit älterer Schüler gefördert wird durch Projekte, Praktika, Jahresarbeiten etc. Künstlerische Projekte wie Theaterspiele, Zirkuspädagogik etc. fördern zusätzlich kulturelle Kompetenzen. Die Förderung dieser übergeordneten Kompetenzen braucht Zeit die Früchte werden nicht sofort sichtbar, sind auch nicht unmittelbar "abrufbar", sie zeigen sich aber schließlich, wenn der erwachsen werdende Mensch mit umfassenden Kompetenzen, mit Selbstvertrauen und Initiative ins Leben entlassen wird.

Die Tatsache, daß die Schulzeit "ökonomisch" genutzt werden muss, wirft die Frage auf, wie zwischen den konkurrierenden Zielen abzuwägen ist: Zwischen einem Maximum an Wissen und einem "unsicheren", weil nicht sogleich mess- und evaluierbarem Optimum an neuen Unterrichtsformen, die ganz dezidiert der Ausbildung der neuartigen Kompetenzen dienen. Dies ist ein weiterer Grund, den Schritt weg von festgelegten Lehrplanvorgaben, die in der Realität ohnehin keine Schule erfüllen kann, zu wagen.

Um gerade im Bildungswesen den freien Wettbewerb einzuführen, sollten die Schulen die größtmögliche Autonomie erhalten. Dadurch können nicht nur die einzelnen Pädagogen ihre volle Initiativkraft und berufs-notwendige Kreativität entfalten, sondern auch die einzelnen Schulen jeweils ihr ganz besonderes Profil ausbilden. Im Zuge eines solchen Wettbewerbes um pädagogisch wirklich wertvolle Profile wird sich dann auch am effektivsten zeigen, welche pädagogischen Ansätze zukunftsweisend sind, und welche wissenschaftstheoretische Strohfeuer und Irrtümer darstellen.

Die Eltern und Erziehungsberechtigten haben das unmittelbarste Interesse an einer guten Bildung für ihre Kinder und sie haben mehrheitlich ein feines Gespür für die Qualität einer Schule im Hinblick auf die heute notwendigen Schlüsselkompetenzen. Über eine freie Schulwahl der Erziehungsberechtigten unterliegen die einzelnen Schulen einem steten Veränderungsdruck bzw. der steten Notwendigkeit einer gezielten Qualitätsentwicklung. Eine unbedingte Voraussetzung dafür ist, daß in den einzelnen Ländern die freien Schulen gleiche ökonomische Voraussetzungen wie die vom Staat betriebenen Schulen erhalten. Erst durch eine wirklich gleichberechtigte Konkurrenz seitens der freien Schulen, die oft die innovativsten Ansätze erproben und verwirklichen, geraten auch die staatlichen Schulen unter jenen Veränderungsdruck, auf den es unbedingt ankommt.

Fazit: Die freie Schulwahl in Verbindung mit einer wirklichen Autonomie der einzelnen Schulen und einer nicht-diskriminierenden staatlichen pro-Kopf-Finanzierung der Schulen unabhängig vom Schulträger (frei/staatlich) ist gerade ohne äußere Vorgaben die beste Garantie für ein sich fortwährend und effektiv modernisierendes, an den heute notwendigen Schlüsselkompetenzen und Herausforderungen ausrichtendes Bildungssystem.

2. Die europäischen Schüler auf das lebenslange Lernen vorbereiten

Wie können die Schulen den jungen Menschen die erforderlichen Kompetenzen und die notwendige Motivation vermitteln, damit das Lernen zu einer lebenslangen Aktivität wird?

Auch hier gilt wieder: Die tiefgreifendste Wirkung geht von der Lehrerpersönlichkeit aus. Wenn er den Schülern jenseits erdrückender Vorgaben und jenseits von Prüfungsdruck und "Learning to the test" seine Liebe zum Fach nahebringen kann, ist die beste Grundlage für die eigene Motivation der Schüler gelegt. Dieses Vorbild wirkt untergründig über die Fächergrenzen hinaus die Schüler müssen nicht einmal das spezielle Fach mögen.

Sobald eine weitgehende Autonomie der Schulen gewährleistet wäre und äußere Vorgaben von Lehrplaninhalten und jahrgangsspezifischen Lernzielen wegfallen würden, wären die Schulen unmittelbar aufgerufen, ihre eigenen Ansätze zu entwickeln, ihre Profile zu schärfen, die modernsten und sachgemäßesten Unterrichtsmethoden zu entdecken und zu erproben. Dabei könnten sich die Kollegen (und Kollegien verschiedener Schulen) gegenseitig unterstützen und fördern, ohne bürokratisch zu bevormunden. Die Suche nach der besten Pädagogik in einem von Direktiven befreiten Raum bietet eine ungleich bessere Gewähr für ein sich aus eigenen Kräften modernisierendes Bildungswesen als alle Reformversuche eines regulierten und kontrollierten Schulsystems.

Eine ganz wichtige Unterstützung dieses Prozesses wären alle Maßnahmen, die die Fortbildung und den Wissensaustausch fördern könnten etwa gemeinnützige Akademien mit Multiplikator-Wirkung für "Best Practice" Projekte oder auch die besondere Förderung von Schulen mit offenbar überdurchschnittlich erfolgreichen Ansätzen auf pädagogischem Gebiet, die "Modellschulen" zur überregionalen Beratung,, Fort- und Weiterbildung werden könnten.

Fazit: Schulen, in denen die Lehrer frei von äußeren Vorgaben und Zwängen nach den jeweils besten Lehrmethoden streben können, vermitteln den Schülern mit der größten Wahrscheinlichkeit die erforderliche Kompetenz und vor allem auch die entscheidende Motivation für eigenes lebenslanges Lernen.

3. Zum nachhaltigen Wirtschaftswachstum beitragen

Wie können die Schulsysteme ein langfristiges, nachhaltiges Wirtschaftswachstum in Europa unterstützen?

Die Frage, wie Schulen zu einem nachhaltigen Wirtschaftswachstum beitragen können, stellt sich im Rahmen der bisherigen Betrachtungen nicht als eigene Frage. Wenn es darum geht, den pädagogischen Herausforderungen unserer Zeit besser zu begegnen und damit auch den Herausforderungen, die das heutige Leben, insbesondere das wirtschaftliche Leben, den Menschen stellt , dann ist jede Verbesserung der Bildungssysteme selbst auch eine Förderung dieses Wirtschaftslebens (wie es ja auch der statistische Zusammenhang belegt).

4. Herausforderungen in unserer Gesellschaft bewältigen

Wie können die Schulsysteme am besten auf die Erfordernisse reagieren, für mehr Gerechtigkeit zu sorgen, die kulturelle Vielfalt zu berücksichtigen und die Zahl der Schulabbrecher zu verringern?

Tatsächlich sollte ein modernes Bildungssystem die Kinder möglichst spät oder überhaupt nicht auf verschiedene Schultypen aufteilen, um die Unterschiede aufgrund sozialer Herkunft nicht noch zu verschärfen. Daß gerade ein "Gesamtschul-Ansatz" auch heute noch für alle Beteiligten zu besten Ergebnissen führen kann, zeigen wiederum die freien Schulen und würden es noch deutlicher zeigen können, wenn ihre Finanzierung denen der staatlich geführten Schulen entspräche.

Auch vor dem Hintergrund dieser Frage gilt, daß Schulen mit deutlich verstärkter Autonomie die Herausforderungen am besten bewältigen können. Autonomie als Voraussetzung der wirklichen Entfaltung pädagogischer Initiativkraft und ebensolchen Engagements ist eine Garantie für eine wirkliche Förderung und auch Motivation von Kindern jeder sozialen Herkunft also gerade auch Kindern aus schwierigen Verhältnissen. Die ungeheuren Probleme, die oft mit einem Migrations-Hintergrund verbunden sind, können die Bildungssysteme nicht allein lösen. Hier braucht es viel weitergehende Lösungsansätze und flankierende Maßnahmen in wirtschaftlicher, politischer und kultureller Hinsicht. Die genannten Aspekte aber würden dafür sorgen, daß die Schulen ihren Beitrag zur Bewältigung der Herausforderungen leisten können und leisten würden.

5. Eine Schule für alle

Was kann auf Ebene der Lehrpläne, der Schulorganisation und der Rolle der Lehrer getan werden, damit die Schulen auf die Lernbedürfnisse der einzelnen Schüler eingehen können?

Diese Frage ist ebenfalls mit einem Stichwort zu beantworten: Weitgehende Autonomie der Lehrer und der Schulen ohne äußere Vorgaben. Schüler mit besonderen Bedürfnissen zeichnen sich noch mehr als die übrigen Schüler durch die absolute Besonderheit ihrer Situation aus. Der Lehrer kann ihnen und seinen übrigen Schülern nur gerecht werden, wenn er aus eigener pädagogischer Vernunft und Intuition handeln kann und darf – aus dem täglichen Erleben der Besonderheiten heraus.

Die Autonomie der Schulen würde dazu führen, daß die Kollegien sich für ihre jeweilige Schule voll verantwortlich fühlen. Kollegiale Beratung, regelmäßige Konferenzen und andere Maßnahmen der Selbstverwaltung würden bestmöglich sicherstellen, daß der einzelne Lehrer die nötigen Hilfen erhält, um auf die Bedürfnisse der einzelnen Schüler eingehen zu können. Unabdingbar ist daneben eine bessere finanzielle Ausstattung der Schulen. Eine wirkliche Förderung durch Integration ist heute nur durch erprobte Ansätze wie Team-Unterricht, spezielle Förderstunden etc. möglich.

In bezug auf spezielle pädagogische Fragen müssen die einzelnen Lehrer und Schulen aus der konkreten Situation heraus die besten Lösungen finden. Individuelle Förderung des einzelnen Schülers ist vor allem auch durch solche Maßnahmen möglich, die die übergeordneten Kompetenzen fördern: Projektarbeit, Jahresarbeiten, auch richtig verstandene und begleitete Portfolio-Arbeit. Vorschriften und Lehrplan-Vorgaben würden alle diese modernen Maßnahmen im Ergebnis zunichte machen, weil ihre Fruchtbarkeit davon abhängt, daß der Lehrer sie aus eigenem Engagement und der konkreten Situation angepaßt ergreifen und umsetzen kann und darf.

6. In den jungen Europäern aktiven Bürgersinn wecken

Wie können die Schulgemeinschaften im Einklang mit Grundwerten wie Frieden, Toleranz und Vielfalt einen Beitrag zur Erziehung der jungen Menschen zu verantwortungsvollen Bürgern leisten?

Die Notwendigkeit einer verstärkten Autonomie im Bildungswesen könnte gerade bei dieser Frage ganz besonders offensichtlich werden. Der Begriff der Verantwortung schließt die Idee der Autonomie notwendig mit ein. Ein nicht autonomes Individuum braucht und kann nicht verantwortlich sein. Wie entsteht Verantwortung? Sie wird im jungen Menschen hervor-gerufen, wenn sie (a) erwartet und (b) auch ermöglicht wird sowie (c) auch vorgelebt wird.

Verantwortung lernen junge Menschen am tiefgreifendsten in innovativen, autonomen Schulen, in denen Lehrer (und Eltern) täglich ebenfalls volle Verantwortung für ihr pädagogisches und übriges Handeln übernehmen. In einem solchen Umfeld werden die Pädagogen auch am unmittelbarsten jene Situationen erkennen, wo sie im heranwachsenden jungen Menschen ebenfalls berechtigte Verantwortung fördern und erwarten können und müssen.

Eine in dieser Weise von äußeren Vorgaben freie Schule wird durch die fortwährende "Atmosphäre der Verantwortung", in und aus der sie lebt, von selbst auch eine wirkliche Schulgemeinschaft bilden, in der nicht nur Verantwortung, sondern auch Toleranz, Frieden und aktives soziales Verhalten gelebt werden.

Ergänzend muss man hinzufügen, daß solche Bedingungen vor allem in kleineren, überschaubaren Gemeinschaften gewährleistet sind. Schulen, die die hier berührte Verantwortung erfüllen sollen, sollten einzügig sein. Gerade der heranwachsende Mensch muss sich die sozialen Grundkompetenzen in einem überschaubaren Rahmen aneignen, in dem die einzelnen Menschen als solche erlebbar werden und nicht anonym bleiben.

7. Lehrkräfte Schlüsselakteure für den Wandel

Wie können die Lehrkräfte so geschult und unterstützt werden, dass sie die anstehenden Herausforderungen meistern können?

Entscheidender (im Sinne von grundlegender) als die Frage der Schulung ist zunächst die Bewusstseinsfrage. Nur was als richtig und notwendig erkannt wurde, kann auch umgesetzt werden gerade weil alles auf die Initiative des Lehrers ankommt und Unterricht aus Zwang oder auch nur rein Erlerntem notwendig scheitern muss.

Das Einzige, was dem einzelnen Lehrer angesichts der Fülle der Aufgaben und Herausforderungen helfen kann, ist wirkliche Begeisterung.

Die Aus- und Fortbildung von Lehrern müßte viel stärker durch erfahrene Kollegen erfolgen, die jeweils aus der Praxis kommen und auch wieder in die Praxis zurückkehren. Wie dem eigentlichen Unterricht, so darf auch der Ausbildung nichts Lebensfremdes anhaften. Die Aus- und Fortbildung müßte eine vielfältige Begegnung mit erfahrenen Lehrern beinhalten, die das Ziel hätte, den Erfahrungsaustausch zu fördern.

Die gesamte Erziehungswissenschaft müßte viel stärker auf die Praxis ausgerichtet sein. Theoretische Konzepte werden angesichts der modernen Herausforderungen immer weniger tragfähig. Ein Lehrer kann heute nicht mehr nach Konzept vorgehen. Er muss aus der Situation heraus handeln. Dazu braucht er Intuition, Phantasie, Begeisterung und möglichst viel Praxis-Erfahrung, sei es durch den Austausch mit erfahrenen Kollegen.

Um die Phantasie und Geistesgegenwart der (werdenden) Lehrer zu fördern, müssen in die Ausbildung auch scheinbar abseitige Gebiete wieder verstärkt einbezogen werden, insbesondere der gesamte künstlerische Bereich. Künstlerisches bzw. überhaupt kreatives Handeln und Üben erschließt gerade jene Quellen, aus denen heraus der echte Pädagoge später täglich handeln muss.

8. Die Entwicklung der Schulgemeinschaften unterstützen

Wie kann dafür gesorgt werden, dass die Schulgemeinschaften die für den Erfolg benötigte Führung und Motivation erhalten? Wie können sie in die Lage versetzt werden, sich so weiterzuentwickeln, wie es die im Wandel befindlichen Bedürfnisse und Anforderungen erfordern?

Diese Frage ist grundlegend wichtig und steht in direktem Zusammenhang mit den Herausforderungen, denen Schule heute begegnet. Wie schon zuvor mehrfach betont, ist die Wirkung des Vorbildes im weitesten Sinne auf die Schüler (und natürlich auf alle Beteiligten) nicht zu überschätzen. Nichts hat auf das eigene Lernen und die eigene Entwicklung des jungen Menschen eine solche Wirkung wie die lebendige Begegnung mit engagierten, verantwortungsvollen, auch um die richtigen Wege ringenden, authentischen Menschen. Die Schule der Zukunft kann daher nur eine freie, selbstverwaltete Einrichtung mit weitestgehender Autonomie sein.

Die einzelnen Schulen werden die ihnen gemäßen Formen der Verwaltung dann selbst finden die Suche danach und auch die Versuche damit wird ebenfalls positive Auswirkungen auf die Schüler haben. Sie erleben konkret, wie Verantwortung, Demokratie, Kollegialität, Delegation, gegenseitiges Vertrauen und vieles mehr sich "anfühlt".

Selbstverständlich kann eine Zusammenarbeit der Schulen, können vielfältige Formen der internen Evaluation und des gegenseitigen Feedback nur hilfreich sein und müssen in jeder Weise gefördert werden auch finanziell. Der in einem wirklich freien Bildungswesen implizit vorhandene "Wettbewerbsdruck", der jede Schule immer wieder antreibt, ihre Qualität zu sichern und zu verbessern auch mit Hilfe gegenseitiger Zusammenarbeit ist die beste Garantie für ein sich fortwährend an die Herausforderungen anpassendes Bildungssystem.

Jeder Versuch, Qualität (ggf. zusätzlich) durch äußere Kontrollen und erzwungene Evaluierungen zu sichern, muss dagegen wiederum zu vermehrter Bürokratie oder Unfreiheit führen, was nicht nur Kräfte vom eigentlichen pädagogischen Geschehen abzieht, sondern diese Kräfte lähmt, wie die Phänomene des gegenwärtigen Bildungswesens zur Genüge beweisen.

Fazit

Die Autonomie der Schulen ist der Dreh- und Angelpunkt für die Frage nach der künftigen Qualität des Schulwesens und seiner Fähigkeit, den genannten Herausforderungen zu begegnen.

So notwendig, wie der Bildungsprozeß von jeder einzelnen Lehrerpersönlichkeit abhängt, so notwendig muß der Pädagoge in die Lage versetzt werden, aus der konkreten Situation und aus seiner eigenen pädagogischen Erfahrung, Intuition und Verantwortung heraus handeln zu können. Lehrplanvorgaben, Lernziele, Zentralprüfungen und andere direktive Sachzwänge behindern diese Grundvoraussetzung so weitgehend, dass hier die zentrale Ursache der oftmals desolaten Lage im Bildungssystem zu suchen ist. Die Lehrer werden zerrieben zwischen äußeren Vorgaben und den Herausforderungen ihrer täglichen Arbeit, denen sie sich aufgrund der ersteren nicht voll widmen können.

Pädagogen, Schulen und Schulgemeinschaften, die aus einer sachgemäß zugestandenen Autonomie heraus die ihnen anvertrauten Schüler erziehen dürfen, bilden die entscheidende Grundlage dafür, daß die jungen Menschen von, an und mit ihnen die zentralen Schlüsselkompetenzen lernen werden: Von den fachspezifischen Kompetenzen bis zu jenen übergreifenden Kompetenzen, die geradezu den zweck- und kontrollfreien Raum der "neuen Schule" brauchen, um sich allmählich entwickeln zu können: Toleranz, Interesse, Verantwortungsgefühl, Initiative, Kreativität, Freude und Motivation in bezug auf lebenslanges Lernen.

Die jungen, heranwachsenden Menschen übernehmen Schritt für Schritt für sich und für die Welt Verantwortung, wenn sie eine „Schule der Verantwortung“ erfahren. Ein grundlegendes freies Bildungswesen ist dafür die wichtigste Voraussetzung.