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Die Finanzierung eines freien Geisteslebens

Im folgenden finden sich grundlegende Zitate von Rudolf Steiner. Daneben gibt es im Internet mehrere ausführlichere Zitate und ganze Vorträge, insbesondere auf www.dreigliederung.de.

Nicht der ist wirklich auf dem Boden einer Geist-Erkenntnis, der immer nur redet: Geist, Geist, Geist -, sondern der, der den Geist so in sich aufnimmt, daß der Geist wirklich auch die Probleme des Lebens zu lösen vermag. Darauf kommt es an. (...) Wichtig ist es, daß man sich heute anstrengt, den Geist in sich tätig und lebendig zu machen. Aber das haben die Menschen nach und nach verlernt, indem ihnen gerade der Staat zu etwas geworden ist - ja, zu was denn? Im "Faust" steht, allerdings als Mädchenunterricht, und die Philosophen haben es nur mißverstanden, haben darin eine große Tiefe gesucht: Der Allumfasser, der Allerhalter, erhält er nicht dich, mich, sich selbst?
Aber so redeten allmählich, besonders während der Kriegszeit, die Leute vom Staate. Der Allumfasser, der Allerhalter, erhält er nicht mich, dich, sich selbst? (...) Aber die innere Aktivität, das ganze Dabeisein bei dem Weltprozeß, was der Nerv der Geisteswissenschaft ist, wo war das? Es lag darin, daß die Leute sagten: Ich will vom Staate mein Gehalt beziehen bis zu gewissen Jahren, dann aber meine sichere Pension haben (...)
Rudolf Steiner, 21.4.1919, GA 192, S. 34f.

Ein sozialer Organismus, der im Lichte der hier dargestellten Vorstellungsart sich gestaltet, wird durch eine Übereinkunft zwischen den Leitern des Rechtslebens und denen des Wirtschaftslebens die Abgaben regeln können, welche für das Rechtsleben notwendig sind. Und alles, was zum Unterhalte der geistigen Organisation nötig ist, wird dieser zufließen durch die aus freiem Verständnis für sie erfolgende Vergütung der Einzelpersonen, die am sozialen Organismus beteiligt sind.
Rudolf Steiner, 1919, GA 23, S. 127.

Das müßte wie ein Lauffeuer durch die Welt gehen: Ein Weltschulverein muß entstehen zur Beschaffung der materiellen Mittel für die Geisteskultur, die hier gemeint ist.
Rudolf Steiner, 17.10.1920, GA 200, S. 29.

[Es] handelt sich darum, daß man wirklich in großem Maßstab auf eine wirkliche Befreiung des Geistes- beziehungsweise des Schullebens hinarbeitet. Dazu ist so etwas notwendig wie eine Art Weltschulverein. Es muß möglich werden, daß gar nicht mehr die Frage aufzuwerfen ist, ob denn in den verschiedensten Ländern Schulen wie die Waldorfschule errichtet werden können, sondern es muß eben durch die Kraft der Überzeugung einer genügend großen Anzahl von Menschen diese Möglichkeit überall geschaffen werden. (...) Eine große Bewegung müßte entstehen, bei der eigentlich jeder Mensch, der nachdenkt über die Aufgaben der Zeit, Mitglied werden müßte, damit durch die Macht eines solchen Weltbundes dasjenige herbeigeführt würde, was solche Schulen überall zur Entstehung führen könnte.
Rudolf Steiner, 24.2.1921, GA 297a, S. 41f.

Es geht ja heute durch die Lande der Ruf: Unentgeltlichkeit des Schulwesens. Ja, was soll denn das überhaupt heißen? Es könnte doch nur der Ruf durch die Lande gehen: Wie sozialisiert man, damit ein jeder die Möglichkeit hat, seinen gerechten Beitrag zum Schulwesen zu schaffen? Unentgeltlichkeit des Schulwesens ist ja nichts weiter als eine soziale Lüge, denn (...) man streut allen Sand in die Augen, damit sie nur ja nicht wissen, daß unter den Pfennigen, die sie aus dem Portemonnaie nehmen, auch diejenigen sein müssen, von denen die Schulen unterhalten werden.
Rudolf Steiner, 1.6.1919, GA 192, S. 144f.

Einfach das Bourgeois-Sein entwickelt antisoziale Impulse, weil das Bourgeois-Sein im Wesentlichen darin besteht, sich eine solche Sphäre des Lebens zu schaffen, wie es einem passt, so dass man in ihr beruhigt sein kann. Wenn man dieses eigentümliche Streben des Bourgeois untersucht, so besteht es darin, dass er sich nach den Eigentümlichkeiten unseres gegenwärtigen Zeitraumes auf ökonomischer Grundlage eine Lebensinsel schaffen will, auf welcher er mit Bezug auf alle Verhältnisse schlafen kann, mit Ausnahme irgendeiner besonderen Lebensgewohnheit, die er je nach seinen subjektiven Antipathien oder Sympathien entwickelt. (...) Besitz schläfert ein; Notwendigkeit im Leben zu kämpfen, weckt auf.
Rudolf Steiner, 6.12.1918, GA 186, S. 102. 

Hat diese Anthroposophische Gesellschaft in irgendeinem Staate je eine Staatssubvention gehabt? Sind ihre Lehrer von einem Staate angestellt? Ist nicht alles erfüllt gerade in dieser Anthroposophischen Gesellschaft, was nur zu erlangen ist von den äußeren Geistesorganisationen? Ist sie nicht in bezug darauf geradezu das praktischte Ideal? (...) Nicht das kann unsre Aufgabe sein, hier das freie Geistesleben hereinzutragen, sondern das kann die Aufgabe sein, dass Sie dasjenige, was hier als freies Geistesleben immer existiert hat, dass Sie das in die andere Welt hinaustragen, den Menschen klarmachen, dass alles Geistesleben von dieser Art sein muss, von dieser Art von Verfassung sein muss.
Rudolf Steiner, 21.3.1919, GA 190, S. 212.

Es könnte höchstens Bedenken erregen: wenn nicht mehr der Staat durch seine Gewaltmaßregeln in die Börse des Lehrers hinein dasjenige befördert, was nun auch darinnen sein muss, dann wird es ja sehr schlimm mit dem Lehrerstande stehen. Nun, der Lehrer wird einer Wirtschaftskooperation angehören, wie es andere Wirtschaftskooperationen gibt. Neben dem, dass er Lehrer ist, wird er dem dritten Gliede des dreigliedrigen sozialen Organismus, dem wirtschaftlichen, gegenüberstehen und von diesem selbständigen Wirtschaftskörper seinen Unterhalt bekommen. Denn der dreigliedrige soziale Organismus wird einen selbständigen Wirtschaftskörper haben, wie er einen selbständigen Staatskörper hat, wo das Recht auf demokratischer Grundlage zu pflegen ist, und wie er ein eigenes freies Geistesleben haben wird. Und es wird dasjenige, was heute indirekt auf dem Wege der Steuer in die Börse des Lehrers kommt, dann direkt aus dem Wirtschaftsleben kommen, und außerdem wird durch das auf sich selbst gestellte Geistesleben erst die richtige Atmosphäre für Schule und Unterricht erzeugt werden.
(...) Aber von dem, was eigentlich der Lehrer leistet für die heranwachsende Generation, darf in einem gesunden sozialen Organismus gar nicht die Ansicht herrschen, daß es "bezahlt" werden könne. Das ist ein Geschenk, das der Lehrer aus der geistigen Welt an die Menschen vermitteln wird! Diese Gesinnung muß den gesunden sozialen Organismus ergreifen, daß der Lehrer das Medium ist, durch das die Fähigkeiten des Menschen, die individuellen Eigenschaften des Menschen heraufgeholt werden aus ihren dunklen Untergründen, wie sie veranlagt sind in der Menschennatur. (...) Was der Wirtschaftskörper des gesunden dreigliedrigen sozialen Organismus wird zu leisten haben, das wird nur das sein, daß er dem Lehrer die Möglichkeit bietet, so zu leben, wie alle anderen Menschen leben.
Rudolf Steiner, 19.6.1919, GA 330, S. 316. 

Die Menschen (...) wollen sich nicht aufschwingen zu Vorstellungen von einer wirklichen Neugestaltung; und dann fragen sie einen: Ja, sage mir einmal, wie wird sich das, was ich als das Alte gewohnt bin, in der Neuordnung ausnehmen? - In einer solchen Frage liegt eigentlich nichts Geringeres, als die Forderung: Wie revolutionieren wir die Welt so, dass alles beim alten bleibt? Und wenn man keine Antwort gibt auf die Frage: Wie wird sich das Alte in der Neuordnung ausnehmen? dann sagen die Leute: Was du da sagst, das ist mir ganz unverständlich! So ungefähr ist es auch, wenn nun diejenigen, die im Erziehungs- und Unterrichtswesen beschäftigt sind, ihre große Sorge darin haben, wie sich ihre wirtschaftliche Position gestalten soll. (...) Und genau ebenso, wie ein Betrieb von Fabrikarbeitern selbstverständlich weiß, dass ihm aus dem Wirtschaftsleben heraus dasjenige wird, was er braucht, um seine Bedürfnisse zu befriedigen, so wird die Räteschaft des Wirtschaftslebens auch dafür zu sorgen haben, dass in der richtigen Weise ein wirtschaftliches Verhältnis besteht zwischen dem Wirtschaftskörper, der selbständig ist im dreigliedrigen sozialen Organismus, und dem anderen Wirtschaftskörper, der das geistige Leben zu besorgen hat. Und was zwischen drinnen als das dritte Glied des sozialen Organismus bleibt, der Rechtsstaat, der wird dafür zu sorgen haben, dass dasjenige, was im freien Wirtschaftsvertrag geschlossen wird zwischen dem Wirtschaftskörper und dem Geistkörper, dass das auch wirklich ausgeführt werde. Wer wirklich innerlich verstehen will und den Mut hat zum Verstehen, dass das Geistesleben frei werden muss, dass dasjenige, was in ihm geistig ist, auf die eigene Grundlage des Geistes gestellt werden muss, der wird auch sich zum Verständnis aufrufen können, wie das Wirtschaftliche dieses geistigen Teiles des dreigliedrigen sozialen Organismus sich in Zukunft gestaltet.“
Rudolf Steiner, 18.6.1919, GA 330, S. 286f.

Gerade in der Finanzierungsproblematik manifestiert sich eine doppelte Entfremdung: Indem den Leistungen des Bildungswesens kein konkreter Wertzuwachs zuzuordnen ist, bleibt der gesamte Bereich der Wirtschaft in einem unverbindlichen Verhältnis zur Finanzierung des Bildungswesens; der auf seine Weise einspringende Staat kaschiert durch die Schulgeldfreiheit die Zusammenhänge und gewinnt über die Finanzhoheit auch Einfluss auf Lehrpläne, Leistungsanforderungen und -kontrolle und über die Berechtigungen Gestaltungsmacht bis in den innersten Bereich der Pädagogik, der von Freiheit und Einsicht in die menschliche Natur bestimmt zu sein hätte; er entfremdet die Pädagogik ihrer Aufgabe.
Stefan Leber, Die Sozialgestalt der Waldorfschule, 1978, S. 92.

(...) Zwar spürt man nun langsam auch hier, dass sich die Lage zuspitzt, doch wagt man noch kaum den Schritt in echte Selbstverwaltung und -Verantwortung, sondern erliegt zumeist nach wie vor der anachronistischen Denkgewohnheit: "Papa Staat" habe die Aufgabe, das Bildungswesen zu finanzieren. Obwohl die staatliche Subventionspolitik gerade erst wieder durch die BSE-Krise in ihrem - das soziale und natürliche Leben manipulierenden - Charakter zu Tage getreten ist, will man noch kaum erkennen, dass die Bildungsfrage keine "bildungspolitische" (welch Unwort!), sondern die zentrale Aufgabe der "Zivilgesellschaft" ist. (...)
Das Finanzproblem der Waldorfschule ist (...) auch der Ausdruck dafür, dass zu lange gemeint wurde, man hätte einen Anspruch auf "Selbstverwaltung", ohne den großen Zusammenhang des sozialen Lebens zu berücksichtigen. (...) Dass die Waldorfschulbewegung zumeist noch jeglichen Bestrebens zu initiativer wirtschaftlicher Assoziation entbehrt, ist eben nur die Folge ihrer langjährigen hochgradigen staatlichen Subventionierung. (...)
Zwar gibt es einzelne soziologische Betrachtungen, die den manipulativen Charakter staatlicher Finanzierung für das Bildungsleben zur Sprache bringen (...); doch herrscht zumeist noch weitgehende Unklarheit bezüglich der Notwendigkeit, Kultur und Bildung grundsätzlich "individuell" zu finanzieren.
Thomas Brunner, 2002, Was kann "Leitbildarbeit" für die Entwicklung der Waldorfschule bedeuten.