Umgang mit "schwierigen" Schülern

Von folgender Situation höre ich häufiger:

Ein Schüler verhält sich im Unterricht nicht angemessen. Der Lehrer nimmt ihn nach dem Unterricht beiseite und redet mit ihm. Danach sagt der Lehrer zum Klassenlehrer, dass der Schüler ja in Wahrheit sehr nett sei, wenn man allein mit ihm redet. Im Unterricht aber sei er sehr schwierig.

Dabei bleibt es gewöhnlich. Der Schüler bleibt auch weiterhin mehr oder weniger schwierig zu unterrichten. Der Lehrer denkt, es läge am Schüler. Dabei muss man aus dem geschilderten Zusammenhang eine ganz andere "Lehre" ziehen:

Der Lehrer verhält sich im Unterricht nämlich ganz anders als in dem vertraulichen Privatgespräch. Der Schüler bleibt dabei im Grunde immer der gleiche. Die Aufgabe besteht in Wirklichkeit für den Lehrer darin, sich im Unterricht genauso direkt, nah, liebevoll, menschlich jedem einzelnen Schüler zuzuwenden, wie er das im "Privatgespräch" mit einem Schüler tut. Der Lehrer schlüpft normalerweise im Unterricht in eine Rolle, die nicht sein ganzes Menschentum ausdrückt: Er ist an erster Stelle Lehrer und an zweiter Stelle Mensch. Es sollte anders sein, er sollte immerzu ganz Mensch sein, sich in jedem Moment hauptsächlich menschlich verhalten, dann öffnen sich die Seelen der Kinder und werden in jeder Situation immer netter.

Man mag einwenden, dass man in einer großen Klasse doch nicht allen Schülern so nah sein könne. Aber dem ist nicht so. Wenn man einem Schüler wirklich ganz von Herzen nah ist, dann ist man es bald auch dem zweiten und bald allen. Nähe kann schon ein liebevoller, interessierter Blick mitten im laufenden Unterricht sein. Eine Sekunde - aber eine ganz erfüllte, warme Sekunde.

Die Lösung liegt also darin: Verhalte dich als Lehrer im Unterricht so, wie im vertraulichen Privatgespräch!

Schielen nach Anerkennung

"Wenn die Welt uns lobt, dann müssen wir uns fragen, was wir falsch gemacht haben"

Immer mehr Projekte finden in den Waldorfunterricht Eingang, die mit Waldorfpädagogik nichts zu tun haben. Die Motivation dafür ist häufig, dass man es besonders nett und originell findet dieses oder jenes zu tun, ohne auf eine pädagogische Begründung zu achten. Man meint, man lockert den Unterricht ein wenig auf, wenn man mit Erstklässlern z.B. schon eine Buchhandlung besucht oder mit Zweitklässlern eine Bibliothek. Wenn man dann mit den Kollegen darüber sprechen will, dann kommt als Antwort: Wenn es vielleicht auch nicht ganz pädagogisch begründbar ist, so wird es den Kindern schon nicht schaden.

Meist sind die Eltern auch ganz begeistert von solchen Vorhaben. Und oft tragen auch Eltern etwas in den Elternabend, was sie von anderen Schulen oder Einrichtungen kennen: "Kleine Wissensforscher Projekte" oder "Zeitung in der Schule". Solche Projekte haben mit Menschenkunde überhaupt nichts zu tun, sondern widersprechen normalerweise sogar menschenkundlichen Überlegungen.

Im Kollegium meint man dann, dass das für die Waldorfschule ein positives öffentliches Echo bedeutet: Wir kommen dann auch in die Zeitung! Wir sind dabei!

Das Selbstbewusstsein solcher Kollegien ist schwach. Die innere Begeisterung und Überzeugung bezüglich des eigenen Tuns hat gelitten. Man schielt nach Anerkennung durch eine äußere Welt, die aber gar kein Verständnis für Waldorfpädagogik hat.

Wirkliche Waldorfpädagogik ist in jedem Moment originell. Je konsequenter man Waldorfpädagogik im Unterricht verwirklicht, desto weniger kann das von der Welt verstanden werden. Unterrichtsmethoden, die aus der Menschenkunde heraus entwickelt werden, sind sogar den eigenen Eltern gegenüber oft kaum voll vermittelbar. Die Eltern können immer nur die Wirkung an ihren Kindern spüren: entwickeln sie sich gut oder nicht.

Oft muss man sogar einen Weg beschreiten, der völlig konträr ist dem, was man in der Welt für richtig hält. Wenn man die menschenkundlichen Äußerungen Steiners zum"Lesen" studiert und vielleicht sogar verstanden hat, weiß man, warum es so wichtig ist, dass die Kinder sich viel Zeit lassen dürfen beim Lesenlernen. Dann wird man sich schon dem Wahn der Welt, was das Lesen angeht, geschickt entgegenzustellen wissen. Und man wird auch den Besuch von Buchhandlungen und Bibliotheken - wenn überhaupt - so weit wie möglich in die Zukunft verschieben.

Rudolf Steiner war in diesen Dingen ungeheuer ernsthaft und konsequent: "Wenn die Welt uns lobt, dann müssen wir uns fragen, was wir falsch gemacht haben", sagte er einmal in einem Vortrag.

In jedem Moment für die Schüler da sein...

Steiner lehnte sogar die Führung eines Klassenbuches ab, mit der Begründung, dass der Lehrer dann ja wieder einige Momente von der Klasse abgelenkt sei.

Bei uns verkündeten Mitglieder der Schulführung freudig nach den letzten Sommerferien, dass man zur Verstärkung des Gemeinschaftsgefühls der Klassenlehrer beschlossen habe, jeden Morgen um halb acht in einem kleinen Raum gemeinsam den Wochenspruch zu lesen. Diese Uhrzeit war noch einigermaßen akzeptabel, da noch nicht so viele Schüler da sind. Minuten später beginnen die Schülerscharen schon zu strömen. Ich war aber zugleich überrascht über dieses Vorhaben, da die Kollegen bisher immer erst ziemlich knapp vor Unterrichtsbeginn erschienen.

Als ich am nächsten Morgen zur verabredeten Zeit den genannten Raum aufsuchte, war nur ein Klassenlehrer da, aber schon recht viele Kinder. Enttäuscht, dass der Beschluss nicht eingehalten wurde - aber erleichtert, dass ich sofort wieder bei meinen Kindern sein konnte - ging ich zurück in mein Klassenzimmer.

Später bemerkte ich dann, dass sich die anderen Klassenlehrer ganz kurz vor Unterrichtsbeginn trotz quirlender Schülerscharen noch schnell in den Raum zum Spruch begaben.

In jedem kleinsten Moment, vom Betreten bis zum Verlassen des Schulgeländes soll das Bewusstsein des Lehrers sich auf die Schüler richten. Er wird immer nur die allernötigsten, zwingenden, anderen Dinge tun, wenn sie ihn davon abhalten.

Freude am Unterricht - Unterricht aus Pflichtgefühl

Die Eurythmie als Kulturfaktor?

Schüler müssen den Unterricht, den sie besuchen auch wollen - "wollen" heißt nicht "mögen". Es ist natürlich ein Ideal, dass Kinder mit Freude und Begeisterung an einem Unterricht teilnehmen.

So erlebe ich es, dass eine Klasse selbst in einem Unterrichtsfach, das sie aus irgendeinem Grunde gar nicht mag, relativ brav mitarbeitet - meist handelt es sich dabei um Englisch oder Französisch.

Schwierig wird es in höheren Klassen immer wieder im Fach Eurythmie. Man konnte in den letzten Jahren verstärkt Äußerungen ehemaliger Schüler hören oder lesen, dass ihre Abneigung gegen dieses Fach ihnen die ganze Waldorfschulzeit im Rückblick verdirbt. Auch bei uns kommt es immer wieder zu individuellen oder zu kleineren Gruppen-Revolten gegen dieses Fach, obwohl es von sehr erfahrenen Pädagoginnen unterrichtet wird.

Wir haben hier im Vergleich zu anderen Fächern das Problem, dass keine gesellschaftliche Anerkennung dieses Faches vorliegt. Wenn beispielsweise den Kindern die Mathematik nicht gefällt, dann sagen alle Leute: Das muss man doch lernen! Und schon geben die Kinder Ruhe und fügen sich widerwillig ihrem Schicksal. Keiner würde wagen, gegen das Fach als solches zu revoltieren.

Bei der Eurythmie aber heißt es: Wofür braucht man das schon, das ist doch nicht so wichtig! Und in der Welt gibt es gar überwiegend verächtliche, spöttische Äußerungen darüber, dass die Waldorfschüler das machen (müssen). Unsere Schüler müssen in der Welt deshalb immer häufiger als Witzfiguren herhalten. Die Medien transportieren dieses Urteil mehr und mehr.

Steiner warnte schon vor fast 90 Jahren: Wenn die Eurythmie nicht in den nächsten Jahren zum Kulturfaktor wird, dann können wir sie in den Schulen nicht mehr unterrichten!

Somit ist die Lage klar: Der Eurythmieunterricht kann heute sogar zum Schaden der Waldorfschulen werden. Man muss also sehr wach verfolgen, wie die Schüler einer Klasse den Unterricht aufnehmen. Es wird wohl immer unterschiedlich sein. Regt sich zu starker Widerwillen, wird man den Unterricht wohl aussetzen müssen. Man wird besonders unwilligen Schülern Brücken bauen müssen, damit die Situation nicht eskaliert. In den höchsten Klassen wäre dringend eine Walhfreiheit für den Eurythmieunterricht zu erwägen. Oder ein Wahl-Pflicht-System: Man stellt z.B. drei Fächer (Musik, Eurythmie, Kunst) nebeneinander und die Schüler können sich für eine der Künste entscheiden.

Es hilft nicht, sich auf eine starre Haltung festzulegen und zu denken, man müsse eine Tradition möglichst lange pflegen.

Keiner wird wohl in Erwägung ziehen, dass die Eurythmie eine positive Wirkung auf Seele und Leib haben kann, wenn sie von negativen Gefühlen begleitet wird. Ihre stärkste Wirkung entfaltet sie noch eher unbewusst vor dem 14. Lebensjahr. Und vielen Eurythmie-Lehrerinnen und -Lehrern kann es heute noch gelingen, die Klassen mehr oder weniger harmonisch und konfliktfrei bis ins achte Schuljahr hinein zu führen. Danach muss die Eurythmie von einem sie liebenden Bewusstsein begleitet sein, um noch in Wahrheit wirken zu können.

Es muss alles ohne Zwang und Härte geschehen. Gerade in diesem besonderen Fach. Sonst wird das Gute zum Schlechten.

Medienkompetenz - mehr Kompetenz bei den Machern der Medien

Dieses Wort und die damit verbundene Ideologie sind eine der vielen sonderbaren Erfindungen der Wissenschaftler unserer Zeit. Mit klugen Worten macht sie sich zum Diener der Medien-Industrie, um die Eltern dazu zu bewegen, die Kinder vor den Fernsehapparat zu bringen. Alles, was in diesem Zusammenhang geäußert wird, ist theoretisch ausgedacht, nichts stimmt mit der alltäglichen Realität überein.

Kein Kind hat eine "Medien-Kompetenz" oder kann sie jemals haben. Es wäre schon viel verlangt, wenn sich Erwachsene zu einem vernünftigen Umgang mit einem Medium erziehen könnten.

Die Macht hat immer zuerst der Apparat, der Mensch ist ihm ausgeliefert. Am zunehmenden Schwachsinn, der sich in den Medien ausbreitet, kann man die Kompetenz der Zuschauer, die ja diese Inhalte anschalten und aufnehmen, deutlich bemessen.

Man kann ein Kind zu einem vernünftigen, freiheitsliebenden, willensstarken Menschen erziehen, der dann selber entscheiden lernen muss, was er in diesem oder jenem Moment in seinem Leben tut: Ob er ein Buch liest oder lieber einen Apparat anschaltet. Ob er ein Problem selber löst oder sich eine Lösung einkauft. Ob er zum Arzt geht oder selber auf seine GEsundheit achtet.

"Erziehung zu Medienkompetenz" ist eine rein abstrakte intellektuelle Erfindung völlig lebensferner Gelehrter, die nur immer weiter die Menschen in die Hände der Medienindustrie treibt und der damit verbundenen Werbeindustrie.

"Mehr Medienkompetenz" ist eine Forderung, die man in Wirklichkeit und Wahrheit an eine ganz andere Menschengruppe richten müsste: Eingreifen müsste man in die Inhalte der Medienindustrie. Es bräuchte eine ästhetische und moralische Kompetenz bei den Machern in diesem großen Geschäft. Würde man sie so erziehen oder schulen, dass die Inhalte der Apparate dem Wohle der Menschheit dienen könnten, dass der Mensch durch das Medium den Weg zum Geiste finden könnte, dann hätte man eine wahrhaftige und vernünftige Forderung gestellt.

Das Vordergründige und das Hintergründige

In meiner Schule ist es geplant, dass angeregt durch eine von außen kommende Beraterin eine Umfrage über Internet durchgeführt werden soll, wie die Eltern und Oberstufenschüler die Schule und den Unterricht beurteilen.

Das Kollegium sagt, dass es nicht weiß, was die Eltern über diese beiden Bereiche denken.

Als Mitarbeiter dieser Schule und dann auch als Vertrauenslehrer habe ich immer besorgt den Kollegen gegenüber geäußert, dass man doch viel offener auf die Eltern eingehen müsse, dass man jede auch noch so unbequeme Äußerung ernst nehmen müsse. Auch versuchte ich lange Zeit als Mitglied des Verwaltungsrates immer wieder die verantwortlichen Kollegen davon zu überzeugen, dass eine Eltern-Lehrer-Konferenz - wenn auch mit viel Aufwand am Leben erhalten werden müsse. Denn Eltern gegenüber müsse wie in jedem Dienstleistungsbetrieb gelten: "Der Kunde ist König!" Solche Äußerungen meinerseits in der Konferenz wurden mehr als humoristische Einlage aufgenommen.

Nun weiß man keinen anderen Ausweg mehr, als eine anonyme Umfrage durchzuführen.

Rudolf Steiner äußerte einmal sinngemäß, dass wir uns fragen müssten, was wir falsch gemacht hätten, wenn man uns von außen lobt. In abgeschwächter Weise gilt dies auch für unsere Elternschaft. Wohl sind sie die besten Freunde unserer Bemühung, dennoch müssen wir davon ausgehen, dass auch sie die eigentlichen Inhalte der Waldorfpädagogik nicht verstehen können. Was wir wirklich aus der geistigen Bemühung um die Menschenkunde an Unterrichtsmethoden entwickeln, können sie gar nicht verstehen, aber sie erleben die Früchte unserer Bemühungen in den Kindern.

Vergleichsweise kann man sagen, dass es Menschen gibt, die nicht wissen, wie ein Computer im Detail aufgebaut ist und wie er hergestellt wird, aber sie finden die praktischen Möglichkeiten dieses Apparates befürwortenswert. Es würden ihnen sich die Haare sträuben, wenn sie manche Details des Herstellungsprozesses kennen würden.

Nun ist es bei der Erziehung so, dass jeder Mensch meint, er wüsste etwas darüber und könne auch fachkundig mitreden. So meinen Eltern oft auch, sie könnten die Unterrichtsmethoden eines Waldorflehrers beurteilen, obwohl sie kaum mehrere Jahre die Menschenkunde studiert haben.

So sträuben sich auch manchen Eltern die Haare, wenn ich beim Elternabend manchmal methodische Details darstelle. Nur nehmen die meisten das hin, weil sie wiederum auf einer anderen Ebene des Bewusstseins wissen, dass ich wohl schon meine Gründe habe, dieses oder jenes so oder so zu machen. Andere wiederum melden dann bald ihre Kinder ab. Aber niemals wird man verlangen können, dass ich nur solche Dinge mache, die von allen in vordergründiger Weise akzeptiert werden.

Vor einem Ausflug stelle ich den Eltern dar, dass wir alles gut im Unterricht vorbereitet haben, und dass ich dann unterwegs gar nichts mehr erkläre oder intellektuell darstelle. Die Kinder sollen nur die schönen Dinge genießen und sich der Welt erfreuen. Unterrichtliches gehöre nur in die Schule. Der Ausflug in die Welt ist mehr wie ein Fest, eine Feier der Wunder in dieser Welt. Das innere Seelenauge muss in der Schule geöffnet worden sein, damit es dann frei in der Welt wahrnehmen kann. Und wofür die Kinderseele kein Interesse in der Welt hat, so muss ich das hinnehmen.

Am unpädagogischsten sind nachträgliche Aufsätze über Ausflüge. Denn ein Ausflug ist schon der allerletzte Abschluss eines Prozesses. Geradezu unmöglich ist es, die Kinder mit Zettel und Stift in die Welt zu schicken.

Nun gab es ein Elternteil, das innerlich diesen Gesichtspunkten widersprach, weil es anderes gelernt hatte oder gewohnt war, aber äußerlich schwieg es. Doch dann erlebte es die Kinder auf einem solchen Ausflug und war überrascht über die Stimmung der Kinder und ihr offenes Interesse an so vielen Dingen.

So wird man in einer Einrichtung, die aus der Geisteswissenschaft heraus arbeitet, immer mit diesen beiden Ebenen in der Beurteilung rechnen müssen: Ein vordergründiges Alltagsbewusstsein und ein hintergründiges übergeordnetes Bewusstsein, was oft erst im Nachhinein oder an den Wirkungen versteht, was das eigentliche Anliegen war.

Die Brücke zwischen allem und allen bildet die Kraft des Vertrauens. Ist es nicht da, so gibt es keine Verbindung und keine gemeinsame Zukunft.

Mit dieser von außen initiierten Fragebogen-Aktion mischt sich etwas Fremdes in den sensiblen Prozess zwischen Eltern und Lehrern ein, da in Wahrheit in jeder einzelnen Begegnung zwischen Eltern und Lehrern die Frage besteht, ob wir zueinander Vertrauen haben oder nicht. Hören wir einander zu oder nicht. Gibt es eine Reaktion auf mein Anliegen oder nicht? Kommunizieren wir auf der Stufe unseres Alltagsbewusstseins miteinander (kritisieren, klagen oder schimpfen) oder auf einer höheren Stufe (Klarheit, Verständnis, Zuversicht, Vertrauen)?

In einem menschlichen Prozess muss im Bewusstseins des Lehrers im Hintergrund immer eine "Fragebogen-Aktion" ablaufen: Habe ich die Eltern verstanden oder habe ich mich nur verteidigt? Habe ich das getan, was besprochen wurde? Habe ich im Sinne der Menschenkunde gehandelt? usw.

Die "Anbiederung" - ein größeres Lehrerproblem

Die Dichterin Ulla Hahn hat ihren zweiten autobiographischen Roman "Aufbruch" veröffentlicht. Darin macht die Hauptfigur das Abitur. In Mathematik lautet eine Aufgabe folgendermaßen:

    "Jedes Spiel ein Treffer!...Auf einem Schulfest wird ein Glücksrad aufgestellt, wobei die zu gewinnenden Preise... "

    Und nun der Kommentar zu dieser Aufgabe von der Abiturientin: "Niederschmetternd war das! Schlimmer als alles, was Meyer (der Lehrer) je zuvor an Geschichten aufgetischt hatte. Glücksspiel! ... Und dann diese Anbiederung an das gewöhnliche Leben. Glücksrad und Schulfest...." (S.365)

Es gehört zu den größten pädagogischen Fehlern, wenn der Lehrer meint, er müsse durch den Inhalt der Aufgabenstellung den Schülern entgegenkommen. So erfindet man Rechenaufgaben mit Bonbons und Schokoküssen usw. Oder man beginnt eine Bruchrechen-Epoche mit einem Kuchen.

Die Schülerseele wird wohl äußerlich oft positiv darauf reagieren, es aber auf einer tieferen Ebene verachten.

Es gibt eine Welt, die gehört nicht für pädagogische Zwecke in die Schule gezerrt. Verwendet der Lehrer etwas, das aus der Privatsphäre des Kindes stammt, aus seinem Spiel- oder Festbereich, dann fühlt sich die Kinderseele zutiefst beleidigt. Sie muss das verachten. Sie verachtet auch den Lehrer, der es nötig hat solche Inhalte zu verwenden, der es locken, verführen, bestechen will.

Das Kind will in die große Welt geführt werden, in eine Welt, die es noch nicht kennt. Es will nicht, dass der Lehrer seine schönsten Dinge - dazu gehören auch die Süßigkeiten - in den Unterricht trägt.

Man kann ihm dadurch das Schönste verleiden. Ulla Hahn nennt dies "Anbiederung".

Nie werde ich vergessen, wie mir der "Werther" schon dadurch verleidet wurde, dass der Lehrer im Hinterkopf den Gedanken hegte, dieser Stoff wäre etwas, was wir in unserem Alter gerne lesen würden.

Die Phrase vom "Frontalunterricht"

In der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift "Das Goetheanum", Nr.44- 2009, wird von der 90-Jahr-Feier der Waldorfschule in Stuttgart berichtet. Dabei soll Herr Riehtmüller in seinem Einleitungsvortrag davon gesprochen haben, dass es Schulformen oder Traditionen gäbe, die als überholt anzusehen seien, "etwa der Frontalunterricht".

Sicher hat er damit gemeint, dass das professorenhafte Dozieren eines Lehrers vor der Klasse noch nie einen wirklich pädagogisch sinnvollen Unterricht darstellte. Wenn er aber damit das Stehen des Lehrers vor der Klasse meinte und seine wohlüberlegte Führung des Lernprozesses der Schüler, dann ist er damit einem gewaltigen Vorurteil - oder gar neuem Dogma - auf den Leim gegangen und er sprach nur die Phrasen nach, denen man heute überall begegnet.

Keiner konnte mir bisher überzeugend verdeutlichen, wie und warum ein Kind in der Schule etwas für es völlig Neues ohne einen Lehrer lernen solle.

Die negativ belegte Phrase vom "Frontalunterricht" gehört zu den größten Angriffen gegen die berechtigte Autorität des Lehrers, gegen die Lehrerschaft generell und damit gegen das Prinzip der Autorität, welches gerade im zweiten Jahrsiebt, eine wahrhaftige Berechtigung und Notwendigkeit darstellt.

Sie - diese Phrase - negiert das Prinzip, dass das Lernen einen Prozess von Mensch zu Mensch darstellt. Dass da etwas Besonderes webt zwischen Lehrer und Schüler. Und sobald er ein Kind unterrichtet, geht es nur im Gegenüber, eben nur frontal. Der eine Mensch (Lehrer) steht dem anderen Menschen (Kind) gegenüber, er sorgt für es, er sorgt sich um es, er versucht ihm zu helfen, es zu fördern. Das muss überhaupt nicht kaschiert werden. Das ist berechtigt und sinnvoll. Lehren und lernen sind zunächst keine partnerschaftlichen Prozesse.

Dass der Lehrer sich dabei mit ganzem Herzen und ganzer Seele an seine Kinder hingibt und sich mit ihnen verbindet, steht über jeglicher Unterrichtsform und hat zunächst mit ihr gar nichts zu tun.

Fremdkörper in den Waldorfschulen

Inzwischen kann man es auch an Waldorfschulen erleben, dass es im Kollegium "Rechenschaftsberichte" gibt. Bisher war das nur in Mitgliederversammlungen von Vereinen üblich, weil eben die Mitglieder häufig nur wenig oder selten Kontakt mit Vorstand und Geschäftsführung haben.

Immer häufiger überträgt man Elemente aus anderen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens in unsere Einrichtungen des freien Geisteslebens. Diese Entwicklung geht einher mit den immer mehr werdenden "Beratern", die von Schule zu Schule ziehen, ohne dass sie am Geist und Leben dieser Gemeinschaften verantwortlich beteiligt sind.

Wenn nun schon in Lehrerkollegien untereinander Rechenschaftsberichte abgegeben werden, dann wird damit demonstriert, dass man das Niveau eines Vereins erreicht hat. Da wo Menschen in wirklichen Lebensbeziehungen stehen, wo sie sich fast täglich begegnen, wo Vertrauen herrscht, da wird man keine Rechenschaftsberichte brauchen.

Wenn man dann einmal so einen Vorgang eines Rechenschaftsberichtes erlebt hat, dann spürte man die ganze Formalisierung, die nun eingezogen ist. Alles tendiert zu Äußerlichkeit, die wirklich dringenden Lebensprobleme kommen gar nicht zur Sprache. Die werden dann wieder anderswo besprochen, wo das Kollegium nicht anwesend ist.

Die Krönung des Ganzen war dann die sogenannte "Entlastung". Menschen, die täglich mit den anderen zusammen sind, erwarten nun in einer formalen Abstimmung im Kollegium eine Abstimmung über ihre Tätigkeit und die Bestätigung ihrer Arbeit im Allgemeinen. Hätte man in dieser Zeit auch nur ein wirklich dringendes Schulproblem sinnvoll besprochen, wäre die ganze Schulgemeinschaft weitergekommen.

Wenn nicht die Geisteswissenschaft ihren nötigen Stellenwert in den Herzen der Lehrerschaft bekommt, dann werden diese Dinge sich immer weiter fortsetzen und ausbreiten. Die Arbeit wird immer übermäßiger und irgendwann kaum mehr zu bewältigen sein. Wir brauchen selbstgeschaffene Sozialformen, die dem Charakter unserer Gemeinschaften entsprechen und, die dem Zeitalter der Bewusstseinsseele angemessen sind. Wir können nicht an allen Ecken und Enden die Vorbilder anderer einfach übernehmen.

Geistesgegenwart in der alltäglichen kollegialen Arbeit wird es so nicht geben. Und der lebendige Quell, aus dem die Ideen auch für das Zusammenwirken der Lehrer sich ergießen, wird weiterhin versiegt bleiben, und wo etwas doch auftritt, wird man es nicht erkennen können.

Man wird dann weiter klagen über mangelnde Transparenz und mangelnden Informationsfluss, obwohl man doch alles tut, um dem entgegenzusteuern. Aber man nährt nur einen unersättlichen Drachen, der immer neue Opfer fordert - neue Einrichtungen, neue Ämter und und...  Die Kollegen werden andererseits nach mehr Gemeinschafterlebnissen rufen, nach Geselligkeit, Festen und Feiern. Und sie werden nie zufrieden sein können, wenn sie nicht den geistigen Weg beschreiten wollen.

Rechenschaftsberichte, Qualitätssicherung und was man noch so alles inzwischen eingeführt hat, es ist dem Wesen der Waldorfpädagogik fremd, bei der alles aus dem Menschen für und mit dem Menschen gestaltet sein will. Wir bekommen "Fremdkörper" in unseren Organismus. Fremdkörper kann man einkapseln, damit sie unschädlich werden. Sie können auch Entzündungen hervorrufen, wenn der Organismus sie bemerkt. Wenn er sie nicht rechtzeitig bemerkt oder zu schwach ist, dann führt es zu Immunschwäche.

Waldorflehrer werden oder sein

Eine äußerst unbequeme Erfahrung ist die, dass man im Laufe der Jahre feststellen muss, dass man den Waldorflehrerberuf nur für längere Zeit gut und sinnvoll ausüben kann, wenn man ein ausreichendes geistiges, religiöses oder spirituelles Fundament besitzt.

Wer nicht daran arbeitet, wird es sich, der Schule, den Eltern und Kindern schwer machen. Die Folge ist unnötiges Leid auf allen Seiten. Man mag sich durch irgendwelche anderen Aktivitäten, Fähigkeiten oder Initiativen eine gewisse Stellung in der Schule verschaffen. Aber für die Entwicklung der Waldorfschulen und der Waldorfpädagogik tritt durch solche Menschen eine Hemmung auf.

Irgendwann treten dann doch Kräfte auf, die diese Lehrerpersönlichkeit aus dem Kollegium hinaustreiben wollen. Häufig sind in diesem Zusammenhang auch Krankheitserscheinungen.

Selbst Menschen mit nicht so herausragenden pädagogischen Fähigkeiten, aber einem sicheren Fundament, haben ihren guten Platz in einer Waldorfschule. Man kann das bei Einstellungen nicht vorab prüfen. Bei jeder Neueinstellung wird man davon ausgehen müssen, dass der Mensch einen positiven Lebens-Entwicklungsweg gehen wird. Dass er sich mehr und mehr in die Menschenkunde einarbeiten wird und schließlich auch eine gute Beziehung zu den geisteswissenschaftlich- anthroposophischen Hintergründen finden wird.

Auch die Lehrerseminare sind in der gleichen Lage: Man baut auf Entwicklungen, nicht nur auf Voraussetzungen.

Man will den Menschen, die vielleicht noch keine Ahnung von Menschenkunde und Anthroposophie haben, wohl nicht sagen, dass sie in ihrem Beruf nur das Ziel erreichen werden, wenn sie sich mit Anthroposophie dauerhaft und gründlich beschäftigen werden. Ist das ein Tabu? Oder kann oder muss man es doch?

Psychologisierende Urteile bei pädagogischen Besprechungen

Heute möchte ich gern auf ein Problem aufmerksam machen , das wir noch gar nicht annähernd erkannt und bearbeitet haben.

Bei einer Klassenbesprechung kürzlich in einer Lehrerkonferenz wurde etwas deutlich, was sich durch fast alle Kinderbesprechungen zieht: die psychologisierende Beurteilung.

Beispiel: Ein Junge macht dies oder jenes, weil er Anführer sein will... Fast in jeder Kinderbesprechung findet man solche Aussagen: Er oder sie macht das, weil zu Hause das und das ist..., weil er so und so ist...

Diese Aussagen wirken, als ob man bereits den Schlüssel für ein Problem gefunden habe. Es hat für alle Zuhörer auch etwas Bestechendes und Erleichterndes, wenn einer solche Schlüsse ziehen kann. Es wirkt wie eine Erkenntnis. Zugleich kann man erleben, dass mit einer solchen Aussage immer etwas schon beendet ist. Man wird als Zuhörender gar nicht angeregt, weiter in eine Kinderseele einzutauchen und sie als ein Rätsel zu empfinden.

Im Grunde haben wir bei psychologischen Rückschlüssen das absolute Gegenteil einer menschenkundlichen Betrachtung vor uns. Die menschenkundliche Betrachtung schildert nur die Phänomene. Wobei unser Blick eben durch unsere menschenkundliche Vorbildung erweitert und vertieft wird. Wir können dadurch bildhafte Bezüge zu vielen unterschiedlichen Ebenen des Menschenwesens herstellen.

Durch die psychologisierende Beurteilung verhindern wir, tiefer in das Wesen eines Menschen einzutauchen. Immer bliebe ja dennoch die Frage offen, warum will einer Anführer sein? Und wenn man dieses wieder auf so einen einfachen Nenner bringen will, so hört man z.B. oft Worte, wie: Sein Vater ist auch so...- Dennoch bliebe die nächste Frage offen: Warum wählte er diese karmische Verbindung?

Niemals kommt man so dem Wesen näher. Man wird förmlich vom Wesen weggeführt, nicht zu ihm hin.

Es geht auch nicht darum, dass einer andere oder bessere kausale Schlussfolgerungen zieht. Also das Problem liegt überhaupt in der Verknüpfung durch das „Weil“, durch die kausale Verbindung der Phänomene. Schon durch das Weglassen dieses „Weils“ und das offenlassende Nebeneinanderstellen der Phänomene ergibt sich eine andere Erkenntnisstimmung, die viel weiter führt.

Formales statt Lebendiges

Waldorfpädagogik sei Ausdruck des absolut Menschlichen. Sie sei ein lebendiges Geschehen, das zwischen Menschen webe, zwischen Kindern und Lehrern.

Alles, was sich dazwischen stellt, was diesen Lebensstrom hemmen will, was diesem Maßstab nicht gerecht wird, versuche man mit heftigster Kraft auszumerzen.

Wo es gilt, eine äußere Form oder Regelung zu erfüllen, stellt sich die ernste Frage, ob man dabei noch dem Kind und auch der Sache wirklich gerecht wird. Sogar manche gut gemeinte Regeln einer Schulordnung neigen im Leben zu Erstarrung.

Mit jeder neuen Schülergeneration verschärft sich die Frage, wie weit jungen Menschen mit ihren weit fortgeschrittenen Bewusstseinskräften starre, traditionelle Regelungen noch zu vermitteln sind. Man mag sich noch einige Zeit auf Gesetze oder Rechte, Vorschriften usw. berufen, aber innerlich errötet die Seele, aus Scham über viele lebensfremde Vorgänge.

Heftigsten Schmerz wird man verspüren, wenn etwas auftaucht, was nicht in Wahrheit dem Kind und seiner Entwicklung dient, was nicht der Liebe zum Kinde entsprossen ist.

Waldorfschule ohne Rudolf Steiner?

Immer wieder liest man in öffentlichen Publikationen, die sich mit der Waldorfschule beschäftigen, inzwischen einerseits viel Positives, was die Unterrichtspraxis und die Entwicklung der Schülerpersönlichkeiten in unseren Schulen angeht.

Negative Äußerungen richten sich im gleichen Kontext oftmals gegen die Verbindung der Waldorfpädagogik oder deren Lehrer mit Rudolf Steiner und der Anthroposophie. Neuerdings auch gegen das Studium geisteswissenschaftlicher Inhalte an den Lehrerausbildungsstätten. Manchmal klingt es so, als stünde der Waldorfpädagogik für ihre allgemeine, öffentliche Anerkennung nur noch Rudolf Steiner im Wege. Würfe sie diesen "alten, überholten Ballast" ab, dann wäre sie eine wirklich akzeptable, zeitgemäße Erziehungspraxis.

Man bemüht sich dann auch, aus dem mehrere zehntausend Seiten umfassenden Gesamtwerk Rudolf Steiners gebetsmühlenartig einige Absätze herauszugreifen, die heute, fast hundert Jahre später in einem ganz anderen Bewusstseinsumfeld verständlicherweise auf heftige Ablehnung stoßen. Vergleichsweise findet man kaum Autoren, die die evangelische Kirche von heute kritisieren oder deshalb ablehnen, weil sich bei Martin Luther Äußerungen finden, die für das heutige Bewusstsein ungeheuerlich klingen. - Doch durch die entsprechenden Zitate aus dem Werk Rudolf Steiners will man dessen Gesamtleistung und Persönlichkeit in negativer Weise charakterisieren und deutlich machen, dass Rudolf Steiner für die Waldorfschulen heute eher schädlich sei.

Die Waldorfpädagogik hat sich in den fast 80 Jahren ihres Bestehens ständig weiter entwickelt und entfaltet. Es wurden pädagogische Inhalte und Methoden ausgearbeitet, die praktisch von jedem angewandt werden können, unabhängig von seiner persönlichen Ausbildung oder vom Rahmen des jeweiligen Schulsystems.

Von außen betrachtet, braucht man für die Durchführung von Waldorfpädagogik weder Steiner noch die Anthroposophie, auch kein gründliches Studium der Menschenkunde, die als Studiengrundlage die Pädagogik aus der Anthroposophie hervorgehen lässt.

Der so praktizierende Lehrer könnte einen ausgezeichneten Unterricht machen, seinen Unterricht und damit die ganze Pädagogik aber nicht aus menschenkundlichen Gesichtspunkten heraus erneuern und an die Entwicklung der Schülerindividualitäten anpassen. Dann würden z.B. sehr schnell in die Waldorfpädagogik Methoden einfließen, die ihre Herkunft in anderen Überzeugungen, pädagogischen Richtungen oder Zeitströmungen haben. So kann man es z.B. durchaus schon erleben, dass im Fremdsprachenunterricht staatliche Schulbücher verwendet werden. Die Qualität dieser Bücher sei damit gar nicht gewertet.

Wenn sich dieses einbürgern würde, dann würde man mit der Zeit nicht mehr klar unterscheiden, was ist diejenige Waldorfpädagogik, die aus dem Leben mit der Menschenkunde hervorgegangen ist, und was sind die Elemente, die anderer Herkunft sind. Der eigentliche, innere Waldorfgesichtspunkt müsste verwässern oder sich gar mit der Zeit auflösen. Eine solcher Art arbeitende Schule sähe äußerlich einer Waldorfschule sehr ähnlich, hätte vielleicht keine Zensuren und kein Sitzenbleiben, einen Morgenspruch, eine Faustepoche usw. Sie hätte für eine gewisse Zeit den sichtbaren Rahmen, wie ihn üblicherweise heute noch eine Waldorfschule hat.

Es sei gestattet, dies mit einem Vergleich zu verdeutlichen: Wie ein Menschenleib in der ersten Zeit nach seinem Tode dem lebendigen Menschen noch sehr ähnlich sieht, so ist ihm doch das Leben entschwunden, und es wird nicht lange dauern, dann wird dieser Leib sich in den äußeren irdischen Elementen auflösen.

Aber wie erhält oder behält die Waldorfschule ihr rechtes Leben, ihre rechte Beseeltheit? Auch dies ist vergleichbar dem menschlichen Organismus: Dieser braucht Nahrung und Luft zum Atmen, dann hat er die nötigen Lebenskräfte, um in der Welt zu wirken und zu schaffen. Der Mensch isst und trinkt nicht, um hinterher aus sich heraus wieder Nahrungsmittel in die Welt hinaus zu geben, sondern er isst, um die Nahrung in Kräfte zu verwandeln.

Beim Waldorflehrer heißt das: Er nimmt Menschenkunde oder Anthroposophie auf wie ein Nahrungsmittel und verwandelt sie in die Kräfte, die er für seine Unterrichtspraxis braucht. Er nimmt nicht Geisteswissenschaftliches auf, um es z.B. im Unterricht wiederzugeben, das wäre ein krankhafter und krankmachender Vorgang. Nein, Anthroposophie wird - in rechter Weise verdaut - zu Unterrichts-Kraft. Sie wird zu dem Leben und dem Gefühl, das die Waldorfschulbewegung durchpulst und durchseelt, ihr Kraft gibt und sie auch ständig erneuert. Sie wird zu der Kraft, die im Lehrer aus der Menschenkunde heraus neue Ideen hervorquellen lässt, die in Harmonie zu den momentanen Anforderungen der Schülerpersönlichkeiten stehen. Diese Ideen müssen gar nicht spektakulär sein; es sind z.B. nicht unbedingt großartige Klassenfahrten oder öffentlichkeitswirksame Veranstaltungen. Mehr verborgen und bescheiden keimen sie im Unterrichtsalltag auf. Eine solche Idee ist schon das "richtige Wort im richtigen Moment".

Da die im eigentlichen Sinn "bedeutsamen" Wirkungen der Waldorfpädagogik zunächst eher unauffällig sind, können sie natürlich von außen kaum wahrgenommen werden. Was man aber als Außenstehender erleben kann, das ist die Liebe, mit der die Lehrerpersönlichkeit über die Kinder spricht, ihre Begeisterung, ihr Engagement, die Frische oder Heiterkeit, die in den Umkreis strahlt.

Die Verbindung der Waldorfpädagogik mit Rudolf Steiner belebt, beseelt und begeistert den Schulorganismus in feiner, fast homöopathischer Weise, sie weckt die stärkenden und gesundenden Kräfte.