Ergebnisse der Pädagogischen Forschung

Hier finden Sie wichtige Ergebnisse der Pädagogischen Forschung.


Inhalt
Chancengleichheit und Unterschiede
Dreigliedriges Schulsystem | Vererbung und soziales Milieu | Integration | - Legasthenie | Jungen und Mädchen | Ausländer
Grundlagen und Methoden
Elementare Prozesse des Lehrens und Lernens: Lernen und Gedächtnis | Erklären | Klassenführung (Regeln und Motivation)
Lernarrangements gestalten: Direkte Instruktion | Gruppenarbeit | Handlungsorientierter Unterricht / Projektarbeit
Streitfragen
Zensuren | Leistungen, Tests, Standards | Hausaufgaben | Klassengröße

Quellen (Bsp.: [2-270] = Wellenreuter, S. 270).
[1] Hans Brügelmann: Schule verstehen und gestalten. Libelle, 2005 (395 S.).
[2] Martin Wellenreuther: Lehren und Lernen – aber wie? Empirisch-experimentelle Forschungen zum Lehren und Lernen im Unterricht. Schneider Verlag Hohengehren, 2008 (518 S.).


Chancengleichheit und Unterschiede


Falsche pädagogische Leitbilder führen zu falschem pädagogischem Handeln und oft zu „sich selbst erfüllenden Prophezeiungen“. Beispiele für falsche Leitbilder sind: „Kinder mit kognitivem Rückstand müssen „geschont“ werden“ (> der Rückstand vergrößert sich!). „Fähigkeiten sind weitgehend vererbt“ (> äußere Leistungsdifferenzierung, Unterschiede vergrößern sich!). Die ständige Tendenz zur äußeren Differenzierung führt zur Demotivation. Lehrer, die von einem Schüler „kaum etwas erwarten“ lähmen seinen Lernwillen. Wer das „offene Lernen“ betont, übersieht, dass Kinder die meisten Dinge ohne direkte Instruktion niemals in einer angemessenen Zeit „selbst entdecken“ könnten. Zudem braucht es vor dem eigenen Entdecken (Kombinieren etc.) stabile Grundlagen, auf deren Basis Neues überhaupt sinnvoll eingeordnet werden kann. Wer diese Basis nicht hat, wird immer weiter abgehängt („Matthäus-Effekt“: Wer hat, dem wird gegeben). [2-59ff]

Dreigliedriges Schulsystem

1962 hatten über zwei Drittel der Jugendlichen höchstens einen Hauptschulabschluss, 1983 besuchten schon 70% eine höhere Schulstufe. 1960-1994 stieg der Anteil der mittleren Reife von 15% auf 44%, der Abiturienten von 6% auf 27%. Die Jahrgänge 1906-10 hatten zu 58% eine Berufsausbildung, 1952/53 zu 75%, 1992/93 zu über 90%.
> Block, B / Klemm K (1997): Lohnt sich Schule? Rowohlt. [1-254]

Äußere Leistungsdifferenzierung stellt keine wirksame Methode der Förderung dar. Die frühe Verteilung auf verschiedene Schulformen enthält viele Fehlentscheidungen. Nach der Fähigkeit in Mathematik z.B. gehören 4% der Haupt- und 40% der Realschüler auf das Gymnasium.
> Rossbach HG / Wellenreuther M (2002): Empirische Forschungen zur Wirksamkeit von Methoden der Leistungsdifferenzierung in der Grundschule. In: Heinzel F / Prengel A (Hg.): Heterogenität, Integration und Differenzierung in der Primarstufe. Opladen. 44-57. [2-11]
> Mosteller F / Light RJ / Sachs JA (1996): Sustained Inquiry in Education: Lessons from Skill Grouping and Class Size. Harvard Educ. Review, Vol. 66, No. 4, 797-845. [2-62]

In der PISA-Studie schneiden beim Lesen 20-40% der Realschüler besser ab als die unteren 25% des Gymnasiums.
> Baumert J et al. (2003): Grundlegende Entwicklungen und Strukturprobleme im allgemein bildenden Schulwesen. In: Cortina KS et al.: Das Bildungswesen in der Bundesrepublik Deutschland. Ein Bericht des Max‑Planck‑Instituts für Bildungsforschung. Rowohlt. S.65. [1-32]

Bei gleichen kognitiven Grundfähigkeiten und sozioökonomischen Status ist die Leistung eines Gymnasiasten bei PISA um 49 Punkte höher als die eines Hauptschülers.
> Baumert J et al. (Hg.) (2001): PISA 2000 – Ba­siskompetenzen von Schülerinnen und Schülern im internationalen Vergleich. Leske + Budrich. [1-222]

Vererbung und soziales Milieu

Korrelation zwischen den IQs / den Schulleistungen bei eineiigen Zwillingen bzw. nicht verwandten Kindern, die jeweils gemeinsam bzw. getrennt aufwachsen: 1) Zwillinge: gemeinsam 0,92 / 0,90; getrennt 0,84 / 0,68. 2) Nicht-Verwandte: gemeinsam: 0,25 / 0,54; getrennt 0 / 0.
> Weinert RE (Hg.) (2001): Leistungsmessun­gen in Schulen. Beltz. [1-89]

Ein hoher sozio-ökonomischer Status der leiblichen / der Adoptiveltern korreliert mit einem um 12-16 Punkte höheren IQ von Adoptivkindern als ein niedriger: +/+ 120; +/- 107; -/+ 104; -/- 92 Punkte.
> Capron C / Duyme M (1989): Assessment of ef­fects of socio‑economic status on IQ in a full cross‑fostering study. Nature, Vol. 340, 17 Au­gust 1989, 552‑554. [1-89]

Ein neurologisches Geburts-Handicap ist in der unteren Sozialschicht deutlich schwerwiegender: Förderbedarf im Leseunterricht bei Unter- / Oberschicht-Kindern mit 1) niedrigem Geburtsgewicht: 32% / 9%; 2) Hirnschädigung: 46% / 18%.
> Gamby G et al. (1989): Special education in Den­mark – with particular emphasis on reading dis­abilities. The Danish Institute for Educational Re­search / Ministry of Education, Kopenhagen. [1-101]

Mit Eltern aus der oberen Dienstklasse bzw. der un-/angelernten Arbeiterschicht besuchten 15-jährige Schüler laut PISA 2000 1) das Gymnasium: 52% / 11%; 2) die Hauptschule: 13% / 41%.
> Geißler R. (2004): Bildung für wen? Die Be­nachteiligten der Bildungsexpansion. Sozial­wissenschaften, 33. Jg., H. 2, 12‑22. [1-126]
> Geißler R. (2004): Die Illusion der Chancen­gleichheit im Bildungssystem – von PISA gestört. Zeitschrift für Soziologie der Erziehung und Sozialisation, 24. Jg., H. 4, 362‑380. [1-128]

Aus Beamten- / Arbeiter-Familien besuchten 13/14-jährige Schüler 1989 (1972): 1) das Gymnasium: 58% / 11% (46/6); 2) die Hauptschule: 13% / 58% (29/73).
> Block, B / Klemm K (1997): Lohnt sich Schule? Rowohlt. [1-127]

Je höher der sozio-ökonomische Status der Eltern, desto... 1) vielfältiger die Lernmöglichkeiten schon vor der Grundschule (Geißler); 2) besser der Lernerfolg in derselben weiterführenden Schule (Baumert); 3) häufiger eine Empfehlung für das Gymnasium (Lehmann), das nochmals den besten Lernerfolg bietet.
> Geißler B (2002): Die Sozialstruktur Deutsch­lands. Die gesellschaftliche Entwicklung vor und nach der Vereinigung. Hg. Bundeszent­rale für politische Bildung. Westdeutscher Verlag, Wiesbaden. S.355. [1-128].
> Baumert J et al. (Hg.) (2001): PISA 2000 – Ba­siskompetenzen von Schülerinnen und Schülern im internationalen Vergleich. Leske + Budrich. S. 182. [1-128].
> Lehmann RH et al. (1997): Aspekte der Lern­ausgangslage von Schülerinnen und Schülern der fünften Klassen an Hamburger Schulen. Behörde für Schule, Jugend und Berufsbildung, Hamburg. S. 89ff. [1-128].

In den Ferien erzielen (nur) Schüler mit hohem sozio-ökonomischen Status weitere Lernfortschritte.
> Alexander KL / Entwistle DR (1996): Schools and children at risk. In: Booth A / Dunn JJ (Hg.): Family‑school links. Lawrence Erlbaum, Majaw, NJ. 67-88. [1-223]
> Cooper H et al. (1997): The effects of summer vacation on achievement test scores: A narrative and metaanalytic review. Review of Educatio­nal Research, Vol. 66, 227‑268. [1-223]

Zwei Drittel aller Grundschullehrer gehören zum „intellektuell-liberalen“ Milieu (Lebensziele/-stile u.a. soziale Gerechtigkeit, Weltoffenheit, Toleranz, Selbstverwirklichung, differenzierte Genussfähigkeit), jedoch nur 10% der Gesamtbevölkerung und auch nur 27% aller Akademiker.
> Schumacher E (2000): Soziale Milieus von Grundschulpädagoginnen und Grundschulpäda­gogen. In: Jaumann‑Graumann / Köhnlein (Hg.): Lehrerprofessionalität – Lehrerprofessio­nalisierung. Jahrbuch Grundschulforschung, Bd. 3. Klinkhardt, 110-121. [1-129]

Bei einer Vorschulförderung für 5-Jährige erreichten Unterschichtkinder in der Schule ähnliche Leistungen wie Mittelschichtkinder ohne Förderung. Im 4. Schuljahr fanden sich bei Mittelschichtkindern mit/ohne Vorschulförderung keine Unterschiede mehr, bei Unterschichtkindern noch immer.
> Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes NRW (Hg.) (1977): Modellversuch 1970‑1975. Abschlußbericht. Informationen für jeden, H. 12. Düsseldorf. [1-138]

Über den Berufserfolg entscheiden noch ganz andere Faktoren als die Schulbildung, u.a. Selbstbewusstsein, Umgangsformen, Status, Beziehungen... Die Abiturnote korreliert schon mit der Studienabschlussnote nur mit 0,3 bis 0,5, mit dem Berufserfolg nur mit 0,1.
> Hartmann M. (2002): Der Mythos von den Leis­tungseliten. Spitzenkarrieren und soziale Her­kunft in Wirtschaft, Politik, Justiz und Wissen­schaft. Campus. [1-294]
> Schuler H (1998): Noten und Studien‑ und Be­rufserfolg. In: Rost, Handwörterbuch Pä­dagogische Psychologie, 370‑374. [1-294]

Integration

2002 wurden von 495.000 Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf nur 66.000 integrativ unterrichtet.
> KMK-Dokumentation Nr. 170: Neue Daten zur Entwicklung der sonderpädagogischen Förderung in Schulen in den Jahren 1993 bis 2002. [1-175] www.kmk.org/aktuell/pm040203.htm

Leistungen lernbehinderter Schüler sind bei Integration deutlich besser als in einer Sonderschule. Bei einem Modellversuch im Saarland (Hildeschmidt 1996) erreichten Schüler mit besonderem Förderbedarf im gemeinsamen Unterricht zu 33% / 11% / 3% einen Haupt- / Realschulabschluss / Abitur, in der Sonderschule nur zu 20% / 2% / 0,2%.
> Haeberlin U (1991): Die Integration von leis­tungsschwachen Schülern. Ein Überblick über empirische Forschungsergebnisse. Zeit­schrift für Pädagogik, 37. Jg., H. 2, 167‑189. [1-175]
> Haeberlin U (2002): Schulschwache und Immig­rantenkinder in der Primarstufe – Forschungen zu Separation und Integration. In: Heinzel/Pren­gel (Hg.): Heterogenität, Integration und Differenzierung in der Primarstufe. Jahrbuch Grundschulforschung 6. Leske + Budrich. 93‑106. [1-175]
> Wocken H (2000): Leistung, Intelligenz und Soziallage von Schülern mit Lernbehinderungen. Zeitschrift für Heilpädagogik, 51. Jg., H. 12, 492-503. [1-175]
> Hildeschmidt A (1996): Bericht zum Schulab­schluß behinderter Jugendlicher im Saarland und zum Übergang von der Schule in den Beruf. Vervielf. Ms. FB 6.1 der Universität Saarbrücken. [1-175].

Leistungsstarke Schüler werden durch Integration nicht gebremst, erreichen (durch den notwendigerweise anderen Unterricht) zum Teil sogar bessere Ergebnisse.
> Benkmann R / Pieringer G (1991): Gemeinsame Erziehung behinderter und nichtbehinderter Kinder und Jugendlicher in der allgemeinen Schule. Entwicklungsstand und Forschung im In- und Ausland. Pädagogisches Zentrum, Berlin. [1-177]

Diskriminierung „schlechter“ Schüler: Kern (1997) stellte in einer Klasse von 20 lernbehinderten Schülern fest, dass die Lehrer bei „schlechten“ Schülern häufiger kritisieren, für richtige Antworten seltener loben, auf Antworten oft kein Feedback geben, seltener aufrufen, weniger Zeit zum Antworten geben, bei falschen Antworten schneller andere Schüler drannehmen, oft weniger Leistung verlangen.
> Kern HJ (1997): Einzelfallforschung. Eine Einführung für Studierende und Praktiker. Beltz. S.28f. [1-62]

Jungen und Mädchen

Im Durchschnitt werden Jungen im Unterricht häufiger drangenommen – selbst von Lehrern, die sich ausdrücklich um Gleichbehandlung bemühen.
> Wagner AC et al. (1981): Unterrichtspsycho­gramme. Was Lehrern und Schülern während des Unterrichts durch den Kopf geht. Rowohlt. [1-325]

Bei schwachen Leistungen wird Mädchen / Jungen eher signalisiert, dass es an mangelnder Fähigkeit / Anstrengung liegt. Mädchen unterschätzen dadurch ihre Begabungen und Leistungen häufiger.
> Richter S (1996): Unterschiede in den Schulleistungen von Mädchen und Jungen. Geschlechts­spezifische Aspekte des Schriftspracherwerbs und ihre Berücksichtigung im Unterricht. S. Ro­derer, Regensburg. [Viele der herangezogenen Studien sind allerdings schon 20-30 Jahre alt] [1-182]

Mädchen lesen lieber, häufiger und besser als Jungen (vgl. PISA und IGLU). Sie schneiden auch bei anderen sprachlichen Aktivitäten besser ab, Jungen dagegen meist in mathematisch-naturwissenschaftlichen Aufgaben (bei PISA aber auch hier in einigen Ländern die Mädchen).
> Bos W et al. (Hg.) (2003): Erste Ergebnisse aus IGLU. Schülerleistungen am Ende der vierten Jahrgangsstufe im internationalen Vergleich. Waxmann. [1-183]
> Stanat P / Kunter M (2001): Geschlechterunter­schiede in Basiskompetenzen. In: Baumert J et al. (Hg.): PISA 2000 – Ba­siskompetenzen von Schülerinnen und Schülern im internationalen Vergleich. Leske + Budrich, 249‑269. [1-183]
> Stanat P / Kunter M (2002): Geschlechterspezi­fische Leistungsunterschiede von Fünfzehnjähri­gen im internationalen Vergleich. Zeitschrift für Erziehungswissenschaft, 1. Jg., 28-48. [1-183]

Mädchen sind besser im Rechnen, Jungen in Textaufgaben. Mädchen fallen bei Tests unter Zeitdruck ab.
> Waelbroeck O (1993): Geschlechtsunterschiede bei mathematischen Testleistungen: eine meta­analytische Integration von Forschungsarbeiten. Psych. Diplomarbeit. Universität Bonn. [1-183]
> Ratzka N (2003): Mathematische Fähigkeiten und Fertigkeiten am Ende der Grundschulzeit – Empirische Studien im Anschluss an TIMSS. Dissertation, Universität Siegen. [1-183]

Mädchen lernen Physik besser an Inhalten mit Alltagsbezug.
> Häußler P / Hoffmann L (1995): Physikunterricht – an den Interessen von Mädchen und Jungen orientiert. In: Unterrichtswissenschaft, 23. Jg., H. 2, 107-126.

Bereits in den 60er Jahren hatten die Mädchen durchgängig bessere Schulnoten, aber erst in der Bildungsexpansion der 70er Jahre erhöhte sich ihr Anteil in den höheren Schularten. Heute stellen Mädchen in vielen Bundesländern die Mehrheit im Gymnasium und bei den Studienanfängern.

Ausländer

Ausländische (deutsche) Jugendliche verlassen zu 20% (8%) die Schule ohne Abschluss und erreichen zu 10% (26%) einen Hochschulabschluss. Der Ausländeranteil in Nordrhein-Westfalen betrug 1998 in Hauptschulen 23%, in Sonderschulen 21%, in Gymnasien  5% (Deutsche 13%) [Landesamt NRW].
> Herwartz‑Emden L (2003): Einwandererkinder im deutschen Bildungswesen. In: Cortina KS et al.: Das Bildungswesen in der Bundesrepublik Deutschland. Rowohlt. 661‑709. [1-189]

Grundschüler mit türkischer Muttersprache zeigen besonders große Leistungsrückstände. Hier spielt offenbar auch die kulturelle Wertung schulischer Bildung eine entscheidende Rolle.
> Holtappels HG (2004): IGLU‑Zusatzstudie „Schul­qualität Bremer Grundschulen“. Zusammenfas­sung der Forschungsergebnisse zum Systemver­gleich zwischen Vollen Halbtagsgrundschulen (VHGS) und Verlässlichen Grundschulen (VGS). Institut für Schulentwicklungsforschung, Uni­versität Dortmund. 1-189

Ein Migrantenanteil bis 40% hat keinen Einfluss auf die Leseleistung deutschsprachiger Kinder.
> Brügelmann H (2003): Grundlegende Leseleistungen und der „Karawanen-Effekt“ in der Grundschule. Zentrale Befunde aus dem Projekt LUST an der Universität Siegen. In: Grundschulverband aktuell Nr. 84, 19-25. [1-199]

Soziale Herkunft und Geschlecht sind gewichtigere Faktoren als der Migrationshintergrund: Die Chancen, ein Gymnasium zu besuchen liegt für deutsche Schüler gegenüber Migrantenkindern bei 1,8:1 / für Mädchen gegenüber Jungen bei 2:1 / für Kinder aus dem oberen gegenüber dem unteren sozioökonomischen Viertel bei 3,7:1.
> Behnken L et al. (2005): Lernen, Bildung, Partizi­pation. Die Perspektive der Kinder und Jugendli­chen. Befragung zum 8. Kinder- und Jugendbe­richt des Landes NRW. Siegener Zentrum für Kindheits‑, Jugend‑ und Biografie­forschung der  Universität (SIZE). Pro­ Kids. [1-199]

Elementare Prozesse des Lehrens und Lernens

Lernen und Gedächtnis

Aufgabe der Schule ist es, den Schülern Fertigkeiten und Kompetenzen zu vermitteln. Dabei müssen Basiskompetenzen flüssig beherrscht werden, bevor komplexere erlernt werden können. Beim Lernen sind drei Phasen zu unterscheiden: Erste Aneignung, Konsolidierung, Verflüssigung (“Automatisierung“). Bevor Gelerntes ins Langzeitgedächtnis übergehen kann, findet die erste Aneignung mit Hilfe des „Arbeitsgedächtnis“ statt, dessen Kapazität sehr begrenzt ist. Es können nicht viele Aspekte zugleich neu gelernt werden. Erst recht gilt: Wer mit dem Lesen bzw. den Grundrechenarten noch Mühe hat, kann tiefergehende Lernleistungen (z.B. Erfassen der Bedeutung eines Textes, Nachvollziehen von Rechenschritten) überhaupt nicht realisieren! Man versetze sich in die Lage eines Fahranfängers, der bei seiner ersten Fahrstunde schon in einer recht ruhigen Straße ebenfalls völlig überfordert ist... [2-76ff]

Erste Lernphase: Wichtige Effekte im Zusammenhang mit der Aufnahmekapazität

- Zielfreiheit: Oft sind offene Aufgaben ohne genaue Zielvorgabe sinnvoll („berechne so viele Variablen wie du kannst“). Das „Arbeitsgedächtnis“ wird entlastet, später können dann exakte Aufgaben deutlich besser gelöst werden.
> Bobis J et al. (1994): Cognitive Load Effects in a Primary School Geometry Task. Learning and Instruction, Vol. 3, 1-21. [2-91]

- Lösungsbeispiele: Oft ist es sinnvoll, nach komplexen Erklärungen zunächst Lösungsbeispiele zu geben. Der Schüler kann sich beim Studium der Lösungen jeweils auf die Aspekte konzentrieren, die er noch nicht richtig verstanden hat.
> Paas FG / Van Merrienboer JG (1994): Variability of Worked Examples and Transfer of Geometrical Problem-Solving Skills: A Cognitive Load Approach. Journal of Educ. Psychology, Vol. 86, No. 1, 122-133. [2-92]
Zwei Gruppen von Studenten, die nach anfänglicher Erklärung Geometrie-Themen an gelösten bzw. ungelösten Aufgaben (Untergruppen: ähnliche/variable Aufgaben) übten, lösten anschließend von den Testaufgaben 48/62% bzw. nur 29/28% richtig. Das Üben an den gelösten Aufgaben dauerte sogar nur die halbe Zeit – also Zeitersparnis größerer Lerneffekt!

- Aufgabenergänzung: Teilweise Vorgabe des Lösungsweges.

- Aufmerksamkeitsteilung: Grafische Darstellungen und erläuternde Texte können oft nur sehr schwer miteinander verbunden werden. Wesentlich wirksamer ist es, soviel Information wie möglich in eine Grafik zu integrieren.

- Modalitätseffekte: Es ist günstig, Bilder zusätzlich sprachlich zu kommentieren (und umgekehrt). Da visuelle und auditive Eindrücke relativ unabhängig voneinander verarbeitet werden können, wird das Arbeitsgedächtnis nicht überlastet, sondern der Lernprozess unterstützt.
> Mayer RE (1997): Multimedia learning: Are we asking the right questions. Educational Psychologist, Vol. 32, No. 1, 1-19. [2-109]

- Redundanzen: Überflüssige Erläuterungen behindern das Lernen (etwa Texterläuterung von Sachverhalten, die aus einer Grafik bereits deutlich genug hervorgehen; Vorlesen von Power-Point-Texten...).
> Mayer RE et al. (2001): Cognitive Constraints on Multimedia Learning: When Presenting More Material Results in Less Understanding. Journal of Educ. Psychology, Vol. 93, No. 1, 187-198. [2-101]

- Variabilität: Höhere Variabilität der Aufgaben erleichtert spätere Transferleistungen, falls das Arbeitsgedächtnis nicht überlastet wurde (siehe o.g. Experiment unter „Lösungsbeispiele“).

Konsolidierung und „Verflüssigung“

Ohne Wiederholung und vertieftes Aufbereiten wird Gelerntes nach kurzer Zeit wieder vergessen. Der „Informationsaufnahme“ (dem ersten Verstehen) müssen weitere Prozesse folgen: Erinnern, Differenzieren und Vertiefen, Herstellen von Verbindungen, Üben, Anwenden... Halbgelerntes ist zwar im Langzeitgedächtnis vorhanden, kann aber durch ungenügende Vernetzung nicht erinnert werden.

Darüber hinaus gibt es verschiedene Wissensformen: Faktenwissen, „automatisierte“ Fertigkeiten, komplexe Problemlösungsfähigkeiten. Oft bauen diese aufeinander auf: Für die Lösung komplexer Probleme sind Faktenwissen und verschiedene Fertigkeiten wichtige . Das Lernen und Üben hat unzählige Facetten: Sogar das Lernen selbst und seine Methodik muss gelernt werden!

Wichtig für die Verarbeitung und Verankerung ist immer auch der persönliche Bezug: Warum ist das zu Lernende wichtig? Kann es mit eigenen Erfahrungen verknüpft werden? Weiterhin wird Gelerntes breiter verarbeitet, wenn möglichst viele Sinne beteiligt sind. Ebenso wichtig ist die Verständnistiefe. Gut strukturierte, sachgemäß hierarchisch gegliederte Inhalte werden weitaus am besten behalten! Dazu gehört auch das Herstellen von Zusammenhängen, Querbezügen und Abgrenzungen (z.B.: „Ein Wal ist kein Fisch“, aber auch Umfang-/Flächenberechung). Verschiedene Arbeitstechniken fördern eine Vertiefung: Fragen zum Text; Rückschau und Wiederholung der Kerngedanken; Unterstreichungen; Zusammenfassungen und Exzerpte; Suche nach zusätzlichen Beispielen, Gegenbeispielen, passenden Bildern, anderen Literaturstellen etc.

Das Wiederholen beginnt mit dem Übertragen des Tafelanschriebs in das Schulheft und dem Zusammenfassen des Wesentlichen in folgenden Stunden durch den Lehrer und die Schüler. Für das Einprägen elementarer Grundlagen, die dann flüssig verfügbar sein sollen (Rechenverfahren, Vokabeln etc.), ist ein häufiges und regelmäßiges Wiederholen besonders wichtig. Die Lernzeit, die bis zum zunächst sicheren Reproduzieren gebraucht wurde, sollte nochmals um etwa 50% überschritten werden („Überlernen“). Natürlich ist diese Lernzeit sinnvoll zu verteilen: Wenn „der Kopf raucht“, steigert dies den Lerneffekt nicht. [2-115]

Auch bei komplexeren Themen ist das Wiederholen und Üben wichtig. Oft werden zunächst Einzelheiten aufgenommen, und erst beim dritten, vierten Mal werden immer mehr Zusammenhänge und übergeordnete Ideen klar. In Fächern wie Mathematik und Deutsch bauen fast alle Inhalte aufeinander auf und müssen daher flüssig beherrscht werden. Schwächere Schüler brauchen Binnendifferenzierung und zusätzliche frühzeitige, individuelle Förderung!

Eigenständige Transferleistungen sind erst möglich, wenn eine ausreichende Übungspraxis vorausgegangen ist. (> Cooper G / Sweller J (1987): The effects of schema acquisition and rule automation on mathematical problem-solving transfer. Journal of Educational Psychology, Vol. 79, 347-362. [2-112])

Bevor man Unlust der Schüler angesichts „häufigen Übens“ fürchtet, sollte man sich klarmachen, dass Unlust, Frust und Verzweiflung gerade dann entstehen, wenn plötzlich Fähigkeiten und Kenntnisse erwartet werden, die gar nicht da sind!

Übungen sollten sich natürlich von leicht nach schwer steigern, interessant und lebensnah sein, die Arbeitsschritte sollten überschaubar strukturiert sein (z.B. mit Wochenplan), die Schüler jeweils eine schnelle Rückmeldung erhalten. Nicht nur prozedurale Fertigkeiten sollten geübt werden, sondern auch das Verständnis selbst (z.B. durch gegenseitiges Erklären in Partnerarbeit, statt ausschließlich Einzelarbeit an Übaufgaben). Komplexe Fertigkeiten erfordern komplexes Lernen und Üben, d.h. angeleitete und reflektierte Praxis. Aufsatzschreiben zum Beispiel lernt man nicht durch „blinde Praxis“, sondern indem man zunächst gute Aufsätze analysiert und bei den eigenen ersten Entwürfen möglichst konkrete Hilfen zur Verbesserung bekommt.

Es ist generell wichtig zu wissen, was man wirklich verstanden hat und kann. In diesem Sinne haben unbenotete „informelle“ Tests eine wichtige Aufgabe (auch als Hausaufgabe möglich).

Manche „moderne“ Methode wie der „Werkstattunterricht“ (Stationenlernen) hat vor diesem Hintergrund gravierende Mängel: Trotz hohen Aufwands für Planung und Durchführung fehlt völlig der wichtige Aspekt der (lehrerzentrierten) Strukturierung und Vertiefung. Die Lerneffekte sind oft schwer zu überblicken, schwächere Schüler werden noch mehr benachteiligt, der Lehrer gibt regelrecht die Verantwortung ab, denn der Schüler soll ja nach diesem Modell „das Lernen selbst organisieren“... In Wirklichkeit sind Beteiligung, Interesse und Selbstwirksamkeits-Gefühl der Schüler in einem klaren, strukturierten Unterricht meist höher als bei „selbstgesteuertem Lernen“ [2-151].

Erklären

Mündliches Erklären
Bei einem Text kann man an schwierigen Stellen länger verweilen oder auch noch einmal nachlesen. Damit beim mündlichen Erklären niemand „aussteigen“ muss, sind einige Methoden hilfreich: Zunächst Sammeln von Lösungsvorschläge (auch Gruppenarbeit möglich), Ziehen von Verbindungen zu schon Gelerntem, Wiederholungen, Tafelanschrieb, offene Rückfragen. Danach kann das Verständnis z.B. in Partnerarbeit gesichert werden.

Schriftliches Erklären
Das „Hamburger Verständlichkeitskonzept“ (Schulz von Thun u.a. 1974) unterscheidet vier Dimensionen guter Texte:
- Einfachheit: Keine unnötigen Fremdwörter oder komplizierte Satzstrukturen.
- Gliederung/Ordnung: Überschriften, Abschnitte, Einleitung, Zusammenfassung, Übersichten, Querbezüge etc.; die einzelnen Teile sind bis in die Satzfolge sinnvoll und bruchlos aufeinander bezogen.
- Prägnanz: Keine weitschweifig-redundanten Ausführungen.
- zusätzliche Stimulanz: Lebensnähe, direkte Rede usw.

Wissensstrukturierung

Eine gute Wissensstrukturierung ist vielleicht der wichtigste Faktor eines guten, motivierenden Unterrichts.

Zur Makrostruktur gehören folgende Fragen:
- Wird der Schüler am Anfang über die Ziele, ihre Bedeutung und geplante Schritte des Unterrichts informiert?
- Bauen die Phasen so aufeinander auf, dass sie viele Schüler in ihrer „Zone der nächsten Entwicklung“ fördern?
- Wird vor Übungen das Wesentliche herausgearbeitet und wiederholt und erfolgt die nötige Binnendifferenzierung?
- Ist in der Einzel-/Gruppenarbeit ausreichend Möglichkeit, das neue Wissen aktiv mit vorhandenem zu verknüpfen?
- Wird am Ende der Stunde das Wesentliche durch den Lehrer oder die Schüler zusammengefasst?

Zur Mikrostruktur gehören folgende Fragen:
- Wird den Schülern eine kohärente, verständliche Erklärungsgrundlage an die Hand gegeben, mit der sich selbständig Aufgabenlösungen kontrollieren können?
- Sind die Äußerungen des Lehrers kohärent aufeinander bezogen, ohne Abschweifungen etc.?
- Gibt es Integrationshilfen, um Fakten zusammenfassen und ordnen zu können? Kommen wesentliche Punkte ins Heft?
- Werden Verbindungen zwischen Schüler- und Lehreräußerungen, vorhandenem und neuem Wissen hergestellt?

Partner- und Tutorenarbeit ist sehr wirksam, gerade auch bei Lernschwierigkeiten. Eine neuere Auswertung der Forschung (Walter) zeigt, dass sich die Leistungen durchschnittlicher Schüler (Tutor/Tutand) auf einen Prozentrang von über 70 verbessern. Allerdings muss die Methode systematisch geübt und begleitend kontrolliert werden [2-176]. Die Schüler müssen z.B. verschiedene Arten von Fragen und Rückmeldungen gebrauchen lernen (offene „Erkundungsfragen“, Hinweisfragen, Denkfragen, genaue Rückmeldungen, Ermutigung etc.). Zunächst kann der Lehrer solche Fragen vorbereiten. Mit Hilfe solcher Arbeitsmethoden lernen die Schüler zugleich den Lernprozess selbst bewusster kennen.
> Cohen PA et al. (1982): Educational outcomes of tutoring: A meta-analysis of findings. American Educational Research Journal, Vol. 19, 237‑248. [1-170]
> Slavin RE et al. (1993): Preventing Early School Failure: What Works? Educational Leadership, Bd. 50, No. 4, 10-18. [2-176].
> Walter J (2002): „Einer flog übers Kuckucksnest“ oder welche Interventionsformen erbringen im sonderpädagogischen Feld welche Effekte? Er­gebnisse ausgewählter US‑amerikanischer Meta­- und Mega‑Analysen. Zeitschrift für Heilpäda­gogik, H. 11/2002, 442‑450. [1-171]
> Wasik B (1998): Volunteer tutoring programs in reading: A review. Reading Research Quarterly. Vol. 33, No. 3, 266-292. [2-176].

Klassenführung – Regeln und Motivation

Wichtige Faktoren der Klassenführung:

- „Allgegenwärtigkeit“: Den Schülern zeigen, dass man alles mitbekommt und auf verschiedene Bedürfnisse eingeht.
- Reibungslosigkeit / Schwung: Vermeiden von Leerlauf, Sprüngen, Weitschweifigkeit, Überproblematisierungen etc.
- Gruppenaktivierung / Überprüfung: Klassenfokus bewahren, Vermeiden von Leerlauf, Kontrolle von Aufgaben etc.
- Abwechslung, Sachmotivierung: Didaktische und methodische Variation.

Neben diesen vier Faktoren nach Kounin (Techniken der Klassenführung. Stuttgart, 1976 [2-270]) aber auch weitere [2-298ff]:
- Regeln, Konsequenzen, Konfliktlösung
- Transparente Unterrichtsplanung, verständnisabhängiges Fortschreiten (s.u., Leistungsdiagnostik).
- Klare Vereinbarungen: Nachvollziehbare Erwartungen und Standards, Arbeitspläne, Nahziele etc.
- Gute Wissensstrukturierung, Fördern des Interesses, geeignete Aufgaben (Lebensbezug etc.)...
- Motivierende Fragen bzw. Antworten; Lernklima, in dem Fehlversuche kein Versagen bedeuten.
- Belohnungen
- Individuelle Förderung bei Lernschwierigkeiten.

Schüler wollen lernen, wenn ihnen gute Chancen gegeben werden, Dinge zu verstehen und Kompetenzen zu entwickeln. Ein gut strukturierter Unterricht ist oft die beste Motivation für die Schüler. Dem entspricht ein Erziehungsstil mit klaren, einsichtigen Regeln für eine gute Lernatmosphäre und entsprechender Konsequenz. Wahrgenommene Schwächen nutzen Schüler sehr bald aus: Wer sich keinen Respekt verschaffen kann, verdient auch keinen... Schnell merken sie, wie sie sich Forderungen widersetzen und das Anspruchsniveau senken können.

Wie wichtig Regeln und ein gutes Klassenmanagement von Anfang an sind, zeigen u.g. Studien: Lehrer, die nach dem ersten Halbjahr mit ihrer 1. Klasse Probleme hatten und ein Training erhielten, agierten danach viel professioneller, was aber nicht mehr zu deutlichen Verhaltensänderungen der Schüler führte.
> Evertson CM et al. (1983): Improving Classroom Management: An Experiment in Elementary School Classrooms. The Elementary School Journal, Vol. 84, No. 2, 173-188.
> Evertson CM / Harris AH (1999): Support for Managing Learning-Centered Classrooms: The Classroom Organization and Management Program. In: Freiberg HJ (ed.): Beyond Behaviorism. Changing the Classroom Management Paradigm. Allyn & Bacon, Boston, 59-74.

Bei Strafen ist es wichtig, den Bezug zur verletzten Regel deutlich zu machen und dass es nicht um die Person geht. Sie sollten sofort und konsequent angewendet werden. Dabei sollten der rote Faden des Unterrichts, das Klassenklima und die Motivation der übrigen Schüler nicht beeinträchtigt werden. Im Vordergrund sollte Wiedergutmachung stehen (z.B. eine Aufgabe, die den Unterricht unterstützt, etwa ein Referat). Wenn das Augenmerk zu sehr auf das Schülerverhalten und dessen Kontrolle abgleitet, sinkt die Motivation rapide. Häufige Strafen führen außerdem zu Gewöhnungseffekten. Besonders schwierig wird es, wenn Störungen und erhaltene Strafen in Schülercliquen als Beweis von Stärke betrachtet werden! Bei schulmüden Schülern sind entsprechende Förderprogramme notwendig.

Eine gute Leistungsdiagnostik ist wichtig für effektives pädagogisches Handeln. Dabei sollte man absolute Bezugsrahmen verwenden (keine sozialen Vergleiche), was natürlich die Entwicklung detaillierter Unterrichtsziele erfordert. Tests sollen nicht der Selektion dienen, sondern der Orientierung für den folgenden Unterricht, die Binnendifferenzierung usw. – Wenn 20% der Schüler maximal gerade ausreichende Leistungen erbracht haben, müssen unbedingt die Wissenslücken geschlossen werden, bevor weiterer Stoff behandelt wird.

Der Lehrer sollte am Anfang des Schuljahres bekannt geben, welche Inhalte in diesem Jahr vermittelt werden sollen und wann Klassenarbeiten und vorbereitende informelle Kurztests geschrieben werden. Aufgetretene Fehler werden korrigiert und besprochen. Dann erhöhen solche Tests als Lernhilfe das Leistungsniveau einer Klasse.
> Dempster FN (1992): Using tests to promote learning. A neglected classroom resource. Journal of Research and Development in Education, Vol. 25, No. 4, 213-217. [2-293]

Die Wichtigkeit von Nahzielen zeigt u.g. Studie: 40 Kinder bekamen 42 Seiten mit 258 Aufgaben zur schriftlichen Subtraktion. In drei verschiedenen Gruppen sollten sie sich folgendes vornehmen: 1) „für jede Sitzung 6 Seiten“; 2) „alles innerhalb von 7 Sitzungen“; 3) „so viele Seiten wie möglich“. Beim abschließenden Test mit 25 Aufgaben (davon 17 komplexer als die Übungen) löste Gruppe 1 über 80%, die Gruppen 2 und 3 nur etwa 50%. Gruppe 1 löste danach sogar freiwillig weitere Aufgaben.
> Bandura A / Schunk DH (1981): Self-Effiacy and Intrinsic Interest Through Proximal Self-Motivation. Journal of Personality and Social Psychology, Vol. 41, No. 3, 586-598. [2-317]
Wichtig sind auch selbst gesetzte Ziele, z.B.: „beim nächsten Test so viel richtig gelöste Aufgaben“.

Reibungslosigkeit durch Strukturierung: Arbeitsschritte vorab klären, Lösungsbögen aushängen, Zusatzaufgaben für schnelle Schüler etc.
Motivierende Sprache: „Lasst uns...“, „Was brauchen wir...“, „Erkläre deine Strategie...“, „Das mag schwierig aussehen, aber...“, „Habt ihr bemerkt...“

Belohnungen: Bei konzentrierter Mitarbeit darf man am Ende schon mit den Hausarbeiten beginnen o.a. – eine „gelungene Stunde“ wiederum gibt den Schülern eine positive Kompetenzerfahrung und motiviert für die Zukunft. Wichtig ist auch das Wertschätzen der individuellen Leistungsmöglichkeiten; gute Schüler werden oft gerade durch einen „Tadel“ bei zu geringer Anstrengung motiviert! Auf soziale Vergleiche (z.B. die übliche Zensurengebung) sollte man verzichten.

Rückmeldungen (auch Belohnungen!), die als Fremdeinfluss oder Kontrolle erlebt werden, mindern die Bereitschaft zu eigener Aktivität.
> Deci EL / Ryan RM (1993): Die Selbstbestimmungstheorie der Motivation und ihre Bedeutung für die Pädagogik. Zeitschrift für Pädagogik, 39. Jg., H.2, 223-238. [1-64]

Autoritäre Erziehungsstile und starker Leistungsdruck korrelieren mit mehr Verhaltensproblemen und schlechteren Leistungen.
> Fend H (1977): Schulklima. Soziale Einflusspro­zesse in der Schule. Soziologie der Schule, Bd. III/1. Beltz. [1-45]

Erziehungsstile, die die Autonomie und Verantwortung von Kindern für ihre eigene Arbeit stärken, wirken positiv auf die Schulleistungen.
> Grolnick WS / Ryan RM (1987): Autonomy in children’s learning: An experimental and individual difference investigation. Journal of Educational Psychology, Vol. 81, 143-154. [1-45]

Man sollte aber nicht schon deshalb Motivation erwarten, weil Schüler Unterrichtsthemen und Projekte „mitbestimmen“ dürfen. Solche „erkaufte“ Motivation erlahmt schnell – und dann neue Grenzen abzustecken, ist kaum noch möglich.
> Evertson CM et al. (1983): Improving Classroom Management: An Experiment in Elementary School Classrooms. The Elementary School Journal, Vol. 84, No. 2, 173-188. [2-247]).

Lernarrangements gestalten

Direkte Instruktion

Dies ist keineswegs monotoner Frontalunterricht und dennoch sehr stark durch den Lehrer gesteuert: Er gibt die Ziele vor, zerlegt den Stoff in überschaubare Einheiten, vermittelt das notwendige Wissen, stellt Fragen unterschiedlicher Schwierigkeit, sorgt für Übung, kombiniert Klassen, Gruppen- und Einzelarbeit, kontrolliert die Lernfortschritte und hilft bei Lernschwierigkeiten. [2-332]

Wichtige Phasen: Aktivierung des Vorwissens; erste Darstellung der neuen Wissenselemente; Gestaltung vielfältiger, aufeinander bezogener Übungen bis hin zur Konsolidierung und Abgrenzung des neuen Wissens von anderen Inhalten. [2-333]

In einer  Untersuchung von Helmke zu effektivem Klassenunterricht zeigte sich, dass in den „Optimalklassen“ der Unterricht effektiv genutzt und zugleich am besten auf individuelle Lernprobleme eingegangen wurde: Schaffung geeigneter Lernformen (z.B. häufige Kleingruppen); Variation der Schwierigkeit (auch viele anspruchsvolle Fragen, von denen die Schüler sich jedoch weniger als in anderen Klassen überfordert fühlen); Hauptsorge gilt den schwächeren Schülern. Der Lehrer hat eine hohe diagnostische Sensibilität (z.B. bzgl. der Motivation der Schüler) und eine gute Schüler-Beziehung (versteht Spaß usw.) [2-346f]. In den u.g. Studien waren nur 20% bzw. 10% der Lehrer zu einer effizienten direkten Instruktion ohne zusätzliches Training imstande. [2-365]
> Helmke, A (1988): Leistungssteigerung und Ausgleich von Leistungsunterschieden in Schulklassen: unvereinbare Ziele? Z Entw.psych. u. Pädag. Psych., Bd. 20, Heft 1, 45-76. [2-346f]
Evertson fand, dass effektive Lehrer in einer Unterrichtsstunde fast die Hälfte der Zeit der Entwicklung, Einführung und Erklärung der Inhalte widmeten (die ineffektiven Lehrer nur ein Viertel).
> Evertson CM et al. (1980): Predictors of effective Teaching in Junior High Mathematics Classrooms. J Res Math Ed, 167-168. [2-349]

Methoden “entdeckenden Lernens” sind erst dann sinnvoll, wenn der Aufbau grundlegender Schemata abgeschlossen ist.
> Tuovinen JE & Sweller J (1999): A Comparison of Cognitive Load associated with discovery learning and working examples. J Ed Psych, Vol. 91, No. 2, 334-341. [2-366]

In vielen Bundesländern erhalten Grundschullehrer im Studium keine mathematik-didaktische Grundausbildung. [2-13]

Die mathematisch(-didaktisch)en Kenntnisse asiatischer Lehrer liegen weiter über denen aus Deutschland und den USA. Ihre Erklärung eines Problems (z.B. schriftliche Subtraktion mit Übertrag) orientiert sich häufiger an wirklichem Verständnis und bietet oft auch mehrere Lösungswege. Schon das Wissen chinesischer 9.-Klässler übersteigt das eines Grundschullehrers in den USA (Ma, S. 125ff).
> Ma, Lipping (1999): Knowing and Teaching elementary Mathematics. Teachers’ Understanding of Fundamental Mathematics in China and the United States. Mahwah, New Jersey. [2-12,17]

Gruppenarbeit

Voraussetzungen:

- Schüler müssen Methoden erst lernen (Ziele spezifizieren, Vorgehen planen, Alternativen diskutieren, Ausreden lassen, verständlich erklären usw.) erst lernen.
- Die Schwierigkeit der Aufgabe muss angemessen sein (auch für die schwächeren Schüler).
- Rückbindung an den normalen Unterricht durch Sicherung und Kontrolle der Ergebnisse.

Häufige Fehler der Lehrer sind: Verzicht auf Verständnissicherung des Gruppenauftrages; zu häufige Einmischung; mangelhafte Ergebnissicherung.
> Haag L et al. (2000): Lehrervariablen erfolgreichen Gruppenunterrichts. Psych. in Erz. u. Unt., Vol. 47, 266-279. [2-370]

Es ist wichtig, dass sich alle Gruppenmitglieder interessieren und beteiligen und den Lerneffekt erzielen (ggf. individuelle Tests, Teilaufträge, gruppenweise Belohnung der individuellen Leistungen). Mehrere Studien zeigen, dass stärkere und schwächere Schüler gleichermaßen von Gruppenarbeit profitieren. [2-391]

Gruppenrallye: Vor allem für Nachbereitung. Die heterogen zusammengesetzten Gruppen bereiten ihre Mitglieder kooperativ möglichst gut auf einen Leistungstest vor. Bewertet werden in diesem die individuellen Leistungs (die höchsten am höchsten). Rückmeldung der Ergebnisse und der Kooperation z.B. durch Wandzeitung. Nach sechs Wochen die Gruppen verändern.
> Slavin RE (1995): Cooperative Learning. Theory, Research and Practice. Allyn & Bacon, Boston.

Gruppenpuzzle: Vor allem für unstrukturiert-offene Probleme. Expertengruppen erarbeiten 20min ihr Thema und geben ihr Wissen dann an ihre Stammgruppe weiter, danach gibt es einen kurzen Test mit Auswertung.

Man kann auch Gruppenarbeit und Kleingruppenunterricht kombinieren: Die stärkeren Schüler bekommen Gruppenaufträge, mit den schwächeren geht der Lehrer ein Thema intensiv durch.

Handlungsorientierter Unterricht und Projektarbeit

Es besteht kein Widerspruch zu wirksamer direkter Instruktion! Bei reiner Projektarbeit haben manche Kinder Schwierigkeiten sich einzubringen und können z.B. resignieren.

Eine Studie fand, dass Schüler nach einer Exkursion 12 Wochen später noch 90% statt 58% reproduzieren können, wenn sie vieles selbst machen und erfahren konnten.
> MacKenzie AA & White RT (1982): Fieldwork in Geography and Long-term Memory Structures. Am Ed Res J, Vol. 19, No. 4, 623-632. [2-406]

Wichtig ist vor allem, dass die Schüler eine ausreichende Erfahrungsgrundlage für die Bildung, Abgrenzung und Konsolidierung abstrakter Begriffe bekommen. An die eigentliche Projektarbeit muss eine Phase der Festigung anschließen.

Theaterarbeit kann u.a. leseschwache Schüler motivieren und fördern.
> Worthy J & Prater K (2002): The Intermediate Grades. “I thought about it all night”: Readers Theatre for reading fluency and motivation. The Reading Teacher, Vol. 56, No. 3, 294-297. [2-428]

Schüler müssen die Fähigkeit “selbstständig zu lernen” erst lernen – etwa durch direkte Instruktion, indem der Lehrer die metakognitiven Fähigkeiten durch „lautes Denken“ mehrfach vorführt.

Offener Unterricht

Offener gegenüber lehrerzentriertem Unterricht schneidet bei den Fachleistungen geringfügig schwächer, bei sozialer und Persönlichkeitsentwicklung deutlich besser ab – allerdings bei starker Streuung der Ergebnisse. In einer gründlichen Fallstudie mit seiner Klasse belegte Peschel, dass mit offenem Unterricht die Fachleistungen nicht leiden und auch schwache Schüler damit zurecht kommen.
> Brügelmann H (1998): Öffnung des Unterrichts – Befunde und Probleme der empirischen Forschung. In: Brügelmann et al. 1998, 8-42. [1-309]
> Peschel F (2002): Offener Unterricht – Idee – Realität – Perspektive und ein praxiserprobtes Konzept zur Diskussion. Schneider Verlag Hohengehren. [1-309]
> Peschel F (2003): Offener Unterricht – Idee, Rea­lität, Perspektive und ein praxiserprobtes Kon­zept in der Evaluation. Dissertation, Universität Siegen / Schneider Verlag Hohengehren. [1-309]

Offene „kindzentrierte“ Methoden, die sich auf Piaget und Montessori berufen, versagen bei Kindern, die wirksamer Förderung am meisten bedürfen.
> Grossen B (1988): Child directed Teaching Methods: A Discriminatory Practice of Western Education. University of Oregon. darkwing.uoregon.edu/~adiep/ft/grossen.htm  [2-344]

Streitfragen

Zensuren

Zensuren sind nicht im geringsten objektiv. Birkel und Schröter belegen z.B. die ganze Spanne von 1-6 für denselben Aufsatz. In einer Studie von Weiss bewerteten 92 / 155 Lehrer die Rechtschreibung desselben Aufsatzes / dieselbe Mathematikarbeit mit 1-5. Angaben zur sozialen Schicht beeinflussten die Zensurengebung weiter (s.a. Ulich zu diesen und anderen Verzerrungen). Dicker ließ dieselbe Mathematikarbeit von 24 Hauptschullehrern zweimal im Abstand von drei Monaten bewerten: Nur 8 gaben dieselbe Note, auch die Rangfolge verschob sich deutlich.
> Birkel R (2003): Aufsatzbeurteilung – ein altes Problem neu untersucht. Didaktik Deutsch, Nr. 15, 46‑63. [1-327]
> Schröter G (1981): Zensuren? Zensuren! Allgemeine und fachspezifische Probleme. Burgbücherei Schneider, Baltmannsweiler. [1-327]
> Dicker H (1973): Untersuchung zur Beurteilung von Mathematikaufgaben. Unveröff. Diplomarbeit an der Erz.wiss. Hochschule Rheinland-Pfalz, Landau. [1-329]
> Ulich K (2001): Einführung in die Sozialpsychologie der Schule. Beltz. [1-327]
> Weiss R (1965): Zensur und Zeugnis. Haslinger, Linz. [1-327]

PISA und andere Studien zeigen, dass Länder, die bis Klasse 8 oder 10 keine Noten geben, oft wesentlich besser abscheiden. Dasselbe gilt für Länder ohne zentrale Abschlussprüfungen. Theiler fand für die Schweiz, dass nach einem Notenverzicht kein Leistungsabfall eintrat.
> Theiler P et al. (1992): Beurteilen und Fördern. Bericht des Projektleitungsstabs „Ganzheitlich Beurteilen und Fördern“. Erziehungsdeparte­ment des Kantons Luzern. [1-335]

Nur Entwicklungsberichte können individuelle Fortschritte bewerten, da der Maßstab nicht mehr der allgemeine Klassen- oder Altersgruppendurchschnitt ist. [1-336]
> Döpp W et al. (2002): Lernberichte statt Zensu­ren. Erfahrungen von Schülern, Lehrern und El­tern. Klinkhardt. [1-335]

Zensuren schädigen Motivation und Identität. Schüler, die nur Kommentare erhalten, zeigen bessere Leistungen als Schüler, die Noten (mit oder ohne Kommentar) bekommen.
> Butler R (1988): Enhancing and undermining intrinsic motivation: the effects of task-involving and ego-involving evaluation on interest and performance. Brit J Educ Psych, 58, 1-14.

Nur 20% der Betriebe finden Berufsschulnoten „sehr wichtig“, 90% dagegen den Eindruck im Einstellungsgespräch.
> Bundesinstitut für Berufsbildung (1998): Aussage­kraft von Prüfungen. Referenz‑Betriebs‑System. Information Nr. 12. Bundesinstitut für Berufsbil­dung, Bonn. [1-335]

Sitzenbleiben

Sitzenbleiber gehören spätestens nach zwei Jahren wiederum zu den schlechtesten Schülern der Klasse.

> Ingenkamp K (1969): Zur Problematik der Jahrgangsklasse. Eine empirische Untersuchung. Beltz. [1-166]
> Kemmler L (1976): Schulerfolg und Schulversagen. Hogrefe, Göttingen. [1-166]
> Belser H / Küsel G (1976): Zum Sitzenbleiberproblem an Volksschulen. In: Biermann (Hg.): Schulische Selektion in der Diskussion. Klinkhardt. S.101-115. [1-166]

In 44 Studien in den USA entwickelten sich die Leistungen jener Schüler besser, die bei gleichen Leistungsproblemen trotzdem versetzt wurden. Nur eine von 18 besonders genau kontrollierten Studien zeigte Vorteile für Sitzenbleiber, die hier aber individuell besonders gefördert wurden. [1-166]

Leistungen, Tests, Standards

Kinder lernen z.B. die Rechtschreibung über mehrere Jahre zeitversetzt (Karawaneneffekt). Die obersten 25% konnten „Blätter“ Ende der 2. Klasse richtig schreiben, die Mehrzahl Mitte der 3. Klasse, die untersten 5% Ende der 4. Klasse. Die meisten Kinder lernten es nicht zu dem Zeitpunkt, als es im Unterricht Thema war.
> May P (1995): Kinder lernen rechtschreiben: Ge­meinsamkeiten und Unterschiede guter und schwacher Lerner. In: Balhorn H / Brügelmann H (Hg.): Rät­sel des Schriftspracherwerbs. Libelle-Verlag Lengwil. [1-73]

Auch beim Lesen in der Grundschule hinken die schwächsten 10% den stärksten 10% um 3-4 Schuljahre hinterher. IGLU-Daten zeigen, dass die Streuung in anderen Ländern noch wesentlich höher ist.
> Brügelmann H (2003): Grundlegende Leseleistungen und der „Karawanen-Effekt“ in der Grundschule. Zentrale Befunde aus dem Projekt LUST an der Universität Siegen. In: Grundschulverband aktuell Nr. 84, 19-25. [1-276]

Schulleistungen heute und früher: In allen Industrieländern nahmen in den letzten fünf Jahrzehnten IQ-Testleistungen deutlich zu, was man i.w. verbesserter Bildungsqualität zuschreibt. Eine durchschnittliche Leistung der 50er Jahre entspricht heute nur noch Sonderschulniveau. Nicht die Leistungen sind gesunken (wie oft beklagt wird), sondern die Anforderungen sind gewachsen. [1-254]

Testleistungen im Lesen, Rechtschreiben und Rechnen lagen 1962 im Vergleich zu 1949 in 5. Klassen in Berlin signifikant höher.
> Ingenkamp K (1967): Schulleistungen – damals und heute. Beltz. / Analog für den Raum Nürnberg: Zielinski W (1966): Erfahrungen mit einem Schulleistungstest für das 4. Schuljahr. Schule und Psychologie, H. 1/66, 9‑14. / In Rheinland-Pfalz zeigte sich bei einer landesweiten Rechtschreib-Studie 1984 kein Leistungsabfall gegenüber 1959. [1-144/251]

Die Qualität des Gymnasiums hat sich während der Bildungsexpansion der 60er Jahre nicht verschlechtert.
> Baumert J (1987): Die Leistungen werden schlechter – oder? Bildungsexpansion und Wandel der Schülerschaft. In: Westermanns Pädagogische Beiträge, 39. Jg., H. 9, 22-26. [1-255]

Die pädagogische Effizienz der Bildung leistungshomogener Gruppen ist in der empirischen Forschung höchst umstritten, d.h. bis heute nicht fundiert. Eine Metaanalyse von 1996 kommt zu keinem Ergebnis.
> Mosteller F et al (1996): Sustained Inquiry in Education: Lessons from Skill Grouping and Class Size. Harvard Ed Rev, Vol. 66, No. 5, 797-845. [2-358]

Effektiv war jedoch jahrgangsübergreifende Leistungsdifferenzierung in der Grundschule in einem oder mehreren Fächern (z.B. Lesen).
> Gutiérrez R & Slavin RE (1992): Achievement effects of the Nongraded Elementary School: A best evidence synthesis. Rev Ed Res, Vol. 62, 333-376. [2-359]

Leistungstests und Standards

In den USA sinken Schulleistungen bei hohen Sanktionen (bei Nichterfüllung der Standards): Über dem Durchschnitt liegen 60-70% der Bundesstaaten mit niedrigen, aber nur 10-20% der Staaten mit hohen Sanktionen.
> Sacks P (1999): Standardized minds. The high price of America's testing culture and what we can do to change it. Perseus Publishing, Cambridge, 89‑90. [1-278]

In den USA gaben 80% der Lehrer an, zunehmend mehr Zeit für getestete Fächer und weniger für die anderen aufzuwenden.
> Pedulla JJ et al. (2003): Perceived effects of state‑mandated testing programs on teaching and learning: Findings from a national survey of teachers. National Board on Educational Testing and Public Policy. Lynch School of Education, Boston College. [1-280]

In England beklagt selbst der Leiter der Evaluationsagentur OFSTED (Office for Standards in Education) eine starke Einengung des Curriculums auf Mathematik und Sprache und sinkendes Niveau in Fächern wie Geschichte, Geographie, Kunst und Musik.
> Clare, J (2004): Primary league tables „Failing pubpils“. In: News Telegraph, 5.2.2004.

Klieme E et al (2003): Zur Entwicklung nationa­ler Bildungsstandards. Deutsches Institut für Internationale Pädagogische For­schung, Frankfurt.

Hausaufgaben

Eine gute Hausaufgabenpraxis erfordert [2-152]:

- geeignete Aufgabenstellung (geeignete Aufgaben, Bezug zum Unterricht, verständliche Mitteilung und Verständnissicherung),
- geeignete Betreuung durch die Eltern (bei Bedarf dosierte Hilfe, jedoch nicht zu viel und nicht überwachend...),
- Kontrolle durch den Lehrer (detailliertes Feedback ist die Voraussetzung für Lerneffekte und bleibende Motivation).

Ohne Hausaufgaben ergeben sich bessere Schulleistungen. Wittmann (1964) ließ bei je sechs 3. und 7. Klassen entweder im Rechnen oder Rechtschreiben die Hausaufgaben weg. Er bestätigt damit frühere Untersuchungen im Grundschulbereich aus den USA, wo nur eine von 18 Studien Vorteile von Hausaufgaben zeigte.
> Wittmann B (1964): Vom Sinn und Unsinn der Hausaufgaben. Luchterhand. [1-156]

Hausaufgaben haben geringe positive Effekte. Paschal u.a. (1984) stellten in den USA mehrere neuere Studien zusammen und fanden folgende Effektstärken: für Mittel-/Unterschichtfamilien 0,45 / 0,16; bei schwachen/mittleren Leistungen 0,40 / 0,20; für kommentierte/folgenlose Hausaufgaben 0,80 / 0,23; für tägliche/wöchentliche Aufgaben 0,49 / 0,22; für Lesen/Mathematik 1,03 / 0,23. Farrow und Cooper fanden bei Grundschülern keine Effekte, Cooper in der Sekundarstufe positive Effekte.
> Cooper H (1989): Synthesis of research in homework. Educational Leadership, Vol. 47, No. 3, 85-91 [2-151]
> Cooper H et al. (1998): Relationships among at­titudes about homework, amount of homework assigned and completed, and student achieve­ment. Journal of Educational Psychology, Vol. 90, No. 1, 70‑83. [1-158]
> Farrow S et al. (1999): Homework and attain­ment in primary school. British Educational Research Journal, Vol. 25, 323‑341. [1-158]
> Kohn A (2006): Abusing research. The study of homework and other examples. Online-Dokument.
> Paschal RA et al. (1984): The effects of home­work on learning. A quantitative synthesis. Journal of Educational Research, Vol. 78, No. 2, 97‑104. [1-157]

Regelmäßig gestellte und bearbeitete Hausaufgaben zeigen stärkere Effekte, der zeitliche Umfang macht kaum Unterschiede bzw. bei wachsendem Umfang finden sich sogar negative Effekte. Besonders leistungsförderlich waren Aufgaben, in denen die Schüler neue Fragen zu bearbeiten hatten und ein Interesse des Lehrers an ihren individuellen Lösungsversuchen wahrnahmen.
> Trautwein U et al. (2001): Lieber oft als viel: Hausaufgaben und die Entwicklung von Leistung im Mathematikunterricht der 7. Jahrgangsstufe. Zeitschrift für Pädagogik, 47. Jg., H. 7,703‑724. [1-158]
> Haag L / Mischo C (2002): Hausaufgabenver­halten: Bedingungen und Effekte. Empirische Pädagogik, 16. Jg., 311‑327. [1-158]

Bei positiven Konsequenzen machen mehr Schüler Hausaufgaben, bei entsprechenden Forderungen werden mehr Aufgaben richtig gelöst. Ergebnisse der u.g. Studie in zwei 6. Klassen: Durften Schüler, die alle Aufgaben bearbeitet hatten, 10min früher zum Mittagessen, machten 85% statt 16% die Hausaufgaben. Mussten dafür 60% der Hausaufgaben richtig gelöst sein, lösten sie auch im Unterricht 57% statt 36% richtig. Mussten 90% der aufgaben richtig sein, lösten sie 51% richtig, mit Forderungen sogar 72%.
> Harris WV / Sherman JA (1974): Homework assignments, consequences, and classroom performance in Social Studies and Mathematics. Journal of Applied Behavior Analysis, Vol. 7, No. 4, 505-519. [2-153]

Vorschulische Anregungen der Eltern korrelieren positiv mit Grundschulleistungen. Viel Beaufsichtigung, Kontrolle, Hilfe und Üben im 1. Schuljahr korreliert mit schlechten Schulleistungen (offenbar werden gute Schüler demotiviert, schwächere zusätzlich verunsichert).
> Trudewind C / Wegge J (1989): Anregung – In­struktion – Kontrolle: Die verschiedenen Rollen der Eltern als Lehrer. Unterrichtswissen­schaft, 17. Jg., H. 2, 133‑155. [1-159]
> Rudolph M (2002): Nachhilfe – gekaufte Bil­dung? Empirische Untersuchung zur Kritik der außerschulischen Lernbegleitung. Klinkhardt.

Nachhilfe

Eine Umfrage bei 3.000 Eltern durch TNS Emnid zeigt: 94% fühlen sich verpflichtet, sich zuhause intensiv um die Leistungen der Kinder zu kümmern, 67% halten es aber nicht für ihre Aufgabe, 55% klagen über Zeitdruck, 24% fühlen sich im Zusammenhang mit dem Schulbesuch der Kinder oft überfordert.
> Schule überfordert Eltern (Julia Haug, Focus.de, 8.9.2010).

Klassengröße

Viele Forscher behaupten, der Unterrichtserfolg sei im Rahmen von 20-40 Schülern unabhängig von der Klassengröße. Fraser u.a. fanden nur einen geringen positiven Effekt kleinerer Klassen. Die Metaanalyse von Walberg zeigt erhebliche Leistungsvorteile, doch eine genauere Analyse von Glass/Smith fand diese nur bei sehr kleinen Klassen (10 Schüler). Autoren wie Ingenkamp und Saldern weisen darauf hin, dass kleinere Klassen besseren Unterricht ermöglichen, aber nicht automatisch nach sich ziehen. Shapson u.a. fanden in einer Studie mit 62 Klassen, dass die Lehrer kleinere Klassen positiv bewerten, dass sich aber die Fachleistungen und die Einstellungen der Schüler nicht unterschieden.

Hanushek und Herff zeigen, dass kleinere Klassen im Anfangsunterricht und bei der Förderung schwacher Schüler förderlich sind (vgl. auch Brahm mit einer Literaturübersicht). Die renommierte American Educational Research Association (AERA) zieht in einer Auswertung der aktuellen Forschung ein positives Fazit für die Grundschule. Auch Krueger/Whitmore und Finn u.a. fanden, dass Kleingruppenunterricht in den Anfangsjahren noch am Ende der Schulzeit bessere Schulleistungen zur Folge hat. Moser fand in seiner Schweizer TIMSS-Auswertung positive Effekte nur bei Klassen unter 16 und nur für leistungsschwächere Schüler.

> AERA (2003): Class size: Counting students can count. Amer. Educ. Research Ass., Research Points, Vol. 1, No. 2, 1-4. [1-316]
> Brahm Gi (2006): Klassengröße: eine wichtige Variable von Schule und Unterricht? bildungsforschung, Jahrgang 3, Ausgabe 1.
> Finn JD et al. (2005): Small classes in the early grades, academic achievement, and graduating from high school. Journal of Educational Psy­chology, Vol. 97, No. 2, 214‑223. [1-315]
> Fraser, BJ et al. (1987): Syntheses of educatio­nal productivity research. International Jour­nal of Educational Research, Vol. 11, 145‑252. [1-313]
> Glass GV / Smith ML (1978): Meta‑analysis of research on the relationship of class size and achievement. Far West Laboratory for Educational Research and Development, San Francisco. [1-313]
> Hanushek EA (1998): The evidence on class size. Occasional paper, 98‑1. University of Ro­chester, NY. [1-315]
> Herff L (1993): Zur Situation des Erstleseunter­richts. Ergebnisse einer Erhebung an den Grundschulen des Regierungsbezirks Köln. Erz.wiss. Fakultät der Universität Köln. [1-315]
> Ingenkamp K et al. (1985): Klassengröße: je klei­ner, desto besser? Forschungs‑ und Diskussions­stand zu Wirkungen der Klassenfrequenz. Beltz. [1-314]
> Krueger AB / Whitmore DM (1999): The effect of attending a small class in the early grades on college‑test taking and middle school test results: Evidence from Project STAR. Working Paper No. 427. Industrial Relations Section. University of Princeton. [1-315]
> Krueger AB / Hanushek EA (2000): The class size policy debate. Economic Policy Instititute. Working Paper No. 121. [1-315]
> Moser U et al. (1997): Schule auf dem Prüfstand. Ruegger, Chur/Zürich. [1-316]
> Saldern Mv (1993): Klassengröße als For­schungsgegenstand. Verlag der Universität Landau. [1-314]
> Shapson SM et al. (1980): An experimental study of the effects of class size. American Educational Research Journal, Vol. 17, 141-152. [1-314]
> Sikorski PB / Thiel RD (2005): Zum Zusammenhang von Klassengröße und Schulleistung. Landesinstitut für Erziehung und Unterricht Baden-Württemberg.
> Walberg HJ (1985): Syntheses of teaching. In: Wittrock MC (Hg.): Handbook of Re­search on teaching. Macmillan, New York, 214‑229. [1-313]